Familienbande spielen eine große Rolle
Serie Talente suchen, finden, fördern (Folge 7) Eltern, die ihre Kinder trainieren, sorgen bei den Kunstradfahrern des RSV Unterweissach seit Jahrzehnten für große Erfolge. Beim RSV Waldrems wird die Radballbegeisterung oft vererbt, aber auch Quereinsteiger sind stets willkommen.
Von Steffen Grün
Es sind zwei Hochburgen der nicht olympischen Randsportarten. Der RSV Waldrems zählt im Radball seit gut einem halben Jahrhundert zu den erfolgreichsten deutschen Klubs. In dem Backnanger Stadtteil wurden schon etliche Titel gefeiert, auch auf internationaler Bühne ist der Verein eine Marke. Der RSV Unterweissach darf es sich auf die Fahnen schreiben, dass der Ort im Täle seit den 80ern eine der besten nationalen und europäischen Adressen im Kunstradfahren ist. Wie haben die beiden Radsportvereine das hingekriegt? Und was tun sie, um diesen Status möglichst zu behaupten?
RSV Waldrems: Der Vorsitzende ist ein gutes Beispiel dafür, dass Familienbande eine große Rolle bei den Radballern spielen. Jürgen Winter bildete ein Duo mit Bruder Ralf. Im Schüler- und Juniorenbereich landeten sie bei nationalen Meisterschaften im Vorderfeld. Im Fünferradball trugen sie zu Podestplätzen und DM-Titeln bei. Ihr Vater Albert Winter kümmerte sich über 30 Jahre um die Finanzen. Heute ist er wie Josef Fehr „die gute Seele im Hintergrund“, sagt Sohn Jürgen, der mit 45 Jahren nach wie vor ins Trikot schlüpft. Sein Partner in der Landesliga: Vetter Stefan Winter, dessen verstorbener Papa Siegfried von 1965 bis 2000 an der Klubspitze stand. Wie nun Jürgen Winter, auf den die Blicke fielen, als 2016 ein Nachfolger für Bernd Koch gesucht wurde.
„Das ist kein Winter-Verein, sondern der Radsportverein“, betont der aktuelle Frontmann lachend. Auch die Schüles, Stiefeles, Völks, Fehrs und Freys (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), die den RSV mit Vertretern mehrerer Generationen und Verwandtschaftslinien als Spieler, Trainer und Funktionäre geprägt haben oder es noch tun, reklamieren keine Sonderrechte. Es sei auch im übertragenen Sinne „keine Vetternwirtschaft“, sagt Winter und nennt als Beweis die Heckelmanns, „da gibt es gar keine Vorgeschichte“. Jugendleiter Markus Heckelmann und Ehefrau Nadine, die das Radball- Kinder-Turnen (Ra-Ki-Tu) leitet, sowie die Söhne Mika, Emil und Anton, die allesamt im Sattel sitzen, stammen nicht einmal aus Waldrems. Sie zogen aus der Gmünder Ecke nach Heiningen und fanden zum Radball.
In den südlichen Stadtteilen Backnangs, zu denen als Drittes Maubach gehört, ist das nichts Ungewöhnliches. Bis zu 90 Prozent der Spieler, schätzt Jürgen Winter, wohnen mit den Familien nach wie vor hier. Logisch also, sich bei der Suche nach neuen Talenten vorrangig auf dieses Gebiet zu konzentrieren, wenngleich sich der RSV bei der Kindersportmesse auch in der Kernstadt zeigt. Es gibt eine lose Kooperation mit der Talschule, „die wir noch enger gestalten wollen“. In Kitas und Kindergärten wird mit Flyern fürs Ra-Ki-Tu geworben, das vor einigen Jahren der damalige Abteilungsleiter Thorsten Völk initiierte. „Die Gruppen sind ausgebucht. Es gibt eine Warteliste“, freut sich Winter. „Vielleicht bleibt das eine oder andere Kind fürs Radball hängen.“ Das hofft auch Jugendleiter Heckelmann, denn „wenn die Kinder erst mal in der Schule sind, sind sie schnell beim Fußball oder Handball“. Sportarten, in denen sich Fortschritte weitaus rascher einstellen. Es ist nämlich ziemlich komplex, zunächst einmal das Rad zu beherrschen, und das zum Teil freihändig. Nachwuchssorgen gibts dennoch nicht. „Es ist eher ein Problem, genügend Trainer und Übungsleiter zu finden“, verrät Winter. Der Idealfall ist auch in diesem Punkt ein Mix aus Familienbande und Quereinstieg.
RSV Unterweissach: Ewald Krautter ist das Urgestein und der Vater vieler Erfolge. Im übertragenen Sinn, weil er dem Verein, dessen Mitglied er seit 1954 ist, eine halbe Ewigkeit in mehreren Funktionen diente – davon 15 Jahre als Vorsitzender. Im Wortsinn, weil seine Tochter Daniela und deren Partnerin Sandra Kienle mit ihm als Trainer die ersten RSV-Kunstradfahrerinnen waren, die es in den Bundeskader packten. Der Höhepunkt war 1987 der Vizeweltmeistertitel im Zweier der Frauen, der zugleich der Ausgangspunkt für weitere Erfolge von RSV-Athleten war. Silke, Axel und Ralf Noack, Julia und Simon Strohmaier, Daniel und Oliver Gronbach, Viola und Manuel Brand, Nick Lange – alles klangvolle Namen in der Szene, die bei nationalen und teils auch internationalen Titelkämpfen absahnten.
Wie im Fall von Ewald Krautter waren es auch hier stets Elternteile, die als Trainer in die Bresche sprangen. Anders als der heute 77-Jährige hatten Ingrid Noack, Ulla Gronbach, Heike Brand oder Frank Strohmaier vorher aber nichts mit Kunstradfahren zu tun. Sie fuchsten sich rein in die Elemente mit sperrigen Namen à la Kehrlenkersitzsteiger, indem sie wie etwa Krautter Lehrgänge und Weiterbildungen an der Landessportschule in Tailfingen oder am Bundesstützpunkt in Frankfurt besuchten. Das erhöhte den Aufwand noch, der alleine mit dem Training sowie den Wettkämpfen in ganz Deutschland und teils auch im Ausland ohnehin schon erheblich war. „Meine Mutter hat sich alles selbst angeeignet“, erinnert sich Silke Noack, sie sei damals wegen des Trainermangels mit eingestiegen.
Das Problem des RSV: Derzeit ist Ulla Gronbach die einzige Trainerin, die weiterhin regelmäßig in der Halle steht, obwohl ihre Söhne (zweimal Vizeweltmeister in der Elite, dreimal Europameister bei den Junioren) längst aufgehört haben. „Mir macht es nach wie vor Spaß“, sagt sie. Aktuelles Aushängeschild ist der Frauenzweier mit Lara Schneider/Tanja Österle. Im Einer gibt es Emma Wieland, Bianca Brandner und den starken, aber oft verletzten Nick Lange – das wars, abgesehen von Teams im Einradreigen, die vor allem von Tina und Anke Kreher gecoacht werden. „Wir brauchen zusätzliche Trainer oder Elternteile, die einsteigen, um neue Kinder dazunehmen zu können“, sagt Gronbach und ist sicher: „Die Kinder hätten wir ruckzuck.“ Zum Beispiel indem der Sport in der Schule präsentiert wird, was schon früher für Zulauf sorgte.
„Dieser Sport erfordert großes Engagement der Eltern“, weiß auch Henry Ehring, seit 13 Jahren RSV-Vorsitzender. Er übernahm das Amt von Ewald Krautter, weil seine Töchter Lara und Ronja beim Kunstradfahren waren. „Ich habe es immer mit Herzblut gemacht“, betont er. Deshalb würde es ihn riesig freuen, wenn Ulla Gronbach die Hilfe bekommt, um wieder ein richtig starkes Unterweissacher Team aufzubauen.
In der Serie Talente suchen, finden, fördern berichten wir, was es braucht, um es vom kleinen zum großen Sportler zu bringen. Unter anderem gehts um Sichtung und Training in Vereinen und Verbänden sowie vor allem um den langen Weg nach ganz oben.