Kindgerechtes Training auch ohne Lizenz

Serie Talente suchen, finden, fördern (Folge 9) Der WFV und der HVW machen niederschwellige Angebote, damit Neueinsteiger schnell in der Lage sind, den Fußball- und Handballnachwuchs adäquat zu betreuen. Auf Dauer plädieren die Verbände aber dafür, die Scheine zu erwerben.

Ralf Schlipf ist bei der Spvgg Kleinaspach/Allmersbach nicht nur Jugendleiter, der C-Lizenz-Inhaber kümmert sich als Trainer auch um die Bambinis und die C-Juniorinnen. Foto: A. Becher

© Sportfotografie Alexander Becher

Ralf Schlipf ist bei der Spvgg Kleinaspach/Allmersbach nicht nur Jugendleiter, der C-Lizenz-Inhaber kümmert sich als Trainer auch um die Bambinis und die C-Juniorinnen. Foto: A. Becher

Von Steffen Grün

Der Aufsichtsratschef hat klare Vorstellungen, wie die Nachwuchsarbeit des Fußball-Oberligisten TSG Backnang künftig wieder höchsten Ansprüchen genügen könnte. „Wir wollen, dass jeder Jugendtrainer eine Lizenz hat und es nicht einfach ein Vater macht, der früher mal irgendwo gekickt hat“, sagte Karl-Heinz Graf vor drei Wochen im Interview mit unserer Zeitung. Eine Haltung, die beim Jugendkoordinator, der in den Etzwiesen für die Teams von der U 14 bis zur U 19 verantwortlich ist, auf weitgehende Zustimmung stößt. „Es ist keine Grundvoraussetzung, aber ich bin ein Verfechter der Lizenzen“, betont Michael Weiß, der einst selbst die Lehrgänge für den C-, B- und A-Schein absolvierte. „Das ist eine wichtige theoretische und praktische Grundlage, um das fußballerische Wissen vermitteln zu können.“ Die Sozialkompetenz stehe auf einem anderen Blatt, gibt der 40-Jährige zu bedenken. Im Idealfall passe es in beiden Bereichen.

Was die Graf’sche Wunschvorstellung angeht, „sind wir auf einem guten Weg“, erläutert Weiß. „Wir haben schon viele lizenzierte Trainer, aber noch nicht ganz durchgängig.“ Für ihn, dessen Heimatverein die SKG Erbstetten ist, der aber auch bereits Jugendteams der SG Sonnenhof Großaspach trainierte und bei der U 13 des VfB Stuttgart unter anderem ein Jahr Assistenzcoach von Domenico Tedesco war, stellt sich lediglich die Frage, ob Lizenzen schon bei den Kleinsten unbedingt erforderlich sind. „Ab der D-Jugend sollte es bei einer gewissen Leistungsorientierung der Fall sein“, so Weiß.

Vor allem für die kleinen Klubs ist es jedoch kaum eine Option, lizenzierte Trainer von außen zu holen. „Der klassische Einstieg ist, dass die Vereine die Eltern ansprechen“, weiß Florian Frentz, beim Württembergischen Fußballverband als Abteilungsleiter für Qualifizierung und Leistungssport zuständig. „Das ist auch okay so.“ Er selbst trainiere derzeit seinen Sohn in der F-Jugend in Weiler zum Stein, doch das soll keine Dauerlösung sein, denn „es ist nicht unbedingt gut, wenn ein Elternteil sein Kind bis zur A-Jugend begleitet“. Besser wäre es, später ein anderes Team zu übernehmen.

WFV hat neues Kindertrainerzertifikat vor zwei Tagen an den Start gebracht

Frentz verweist auf die „niederschwelligen Angebote“, die der WFV den Neueinsteigern macht, um schnell ein kindgerechtes Training auf die Beine stellen zu können. Das beginnt mit Infos übers Internet oder in Büchern, die über geeignete Trainings- und Spielformen aufklären – warum also etwa ein Drei-gegen-Drei durchaus sinnvoll ist, damit die Mädchen und Jungen viele Ballkontakte haben. „Spielen lernt man durch Spielen“, verdeutlicht Frentz, das sei viel besser als „monotone Passübungen, die keinen Spaß machen“. WFV-Instruktoren bieten zudem Schulungsabende an und es gibt seit zwei Tagen etwas „Brandneues“, wie der 45-Jährige berichtet: das Kindertrainerzertifikat, „ein kleiner Einstieg in die Trainerwelt“, gedacht für den Bereich von den Bambinis bis zur E-Jugend. Die insgesamt 20 Lerneinheiten bestehen aus einem Mix aus Online-Theorie, Praxis vor Ort und Anwendungsphasen im Verein. „Es geht darum, einfach mal zu schnuppern, was für Inhalte es gibt und was in der Ausbildung vermittelt wird. Wir wollen Reize setzen, damit sich die Teilnehmer mit dem Kindertraining beschäftigen“, sagt Verbandssportlehrer und Lehrgangsleiter Frank Scheffold. Für Florian Frentz wäre es der Idealfall, wenn das Zertifikat die Jugendtrainer dazu animieren würde, danach die Lizenzen anzugehen, die zum 1. Januar 2023 neu geordnet werden. Es gibt weiter den C-, B- und A-Schein, aber an die Stelle der Elite-Jugend-Lizenz tritt die B+- und die A+-Lizenz.

Ralf Schlipf, der Jugendleiter der Spvgg Kleinaspach/Allmersbach, hat den C-Schein und kümmert sich als Coach um die Bambinis und die C-Juniorinnen. „Man bekommt Werkzeuge an die Hand, mit denen man ein Team führen kann“, erinnert er sich an seinen Lehrgang und ist deshalb der Meinung, dass es von Vorteil ist, wenn zumindest der Hauptcoach „eine gewisse Schulung durchlaufen hat“. Drumherum brauche es aber auch Eltern, die nicht unbedingt eine Lizenz haben müssten, um zum Beispiel organisatorische Aspekte zu erledigen und im Training behilflich zu sein. Ein Schein werde zunehmend wichtiger, desto älter die Jugendlichen werden, „im Bambinibereich ist es schön, aber nicht zwingend notwendig“.

Sehr ähnlich wie die Fußballer handhaben es die Handballer. Auch hier gibt es C-, B- und A-Lizenz sowie niederschwelligere Einstiegsmöglichkeiten. Los geht es mit der dezentralen Kinderhandballausbildung, die der Handballverband Württemberg (HVW) ausdrücklich empfiehlt. „Das ist ein gutes Rüstzeug mit einem überschaubaren Zeitaufwand“, betont Verbandsmanager Thomas Dieterich: „Wir brauchen gute, qualifizierte Trainer im Einstiegsbereich, das ist das Wichtigste.“ Schwerpunkte der etwa 20 Lerneinheiten sind die allgemeine motorische Grundlagenschulung, die Koordination und die Kraftschulung sowie Spielreihen und Spielformen des Handballsports. „Da gibt es sehr gutes Buchmaterial und mittlerweile auch einige Lehrvideos“, sagt Dieterich, die zwei Präsenztermine können ohne großen Fahraufwand in den jeweiligen Bezirken besucht werden. Abhängig von der Alters- und Leistungsklasse, in der Nachwuchstrainer tätig sind, gibt es die Möglichkeit zur dezentralen Jugendtrainerausbildung und zum Erwerb der Lizenzen.

Stellvertretender HCOB-Jugendleiter wirbt für individuelle Betrachtung

„Unsere Trainer müssen nicht lizenziert sein, aber es ist wünschenswert“, erläutert Simon Oehler, stellvertretender Jugendleiter des HC Oppenweiler/Backnang. Dass ab der C-Jugend bei allen Teams ein ausgebildeter Coach dabei ist, passt zum Satz, dass es „auch darauf ankommt, welche Mannschaft ein Trainer betreut“ – umso älter die Kinder und umso größer der Leistungssportaspekt, desto wichtiger die Zertifikate. „Ein guter Trainer muss keine Lizenz haben, auch jemand ohne Lizenz kann ein guter Trainer sein“, findet der HCOB-Funktionär. „Man muss es individuell betrachten.“ Grundsätzlich biete der Verein allerdings allen Trainern den Lehrgang zur C-Lizenz an, die auch er selbst in der Tasche hat. Wert lege man zudem darauf, ein spezielles Torwarttraining anbieten zu können.

In der Serie Talente suchen, finden, fördern berichten wir, was es braucht, um es vom kleinen zum großen Sportler zu bringen. Unter anderem geht es um Sichtung und Training in Vereinen und Verbänden.

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Erstellt:
26. März 2022, 06:00 Uhr

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