Olympische Spiele in Paris

Mütter im Leistungssport – das Umfeld ist entscheidend

Bei den Olympischen Spielen sind auch zahlreiche Athletinnen am Start, die bereits Mutter geworden sind. Wie schwer ist es, nach der Geburt weiter Leistungssportlerin zu sein?

Gesa Krause hat es geschafft. Nach Schwangerschaft und Geburt ihrer Lola erreichte sie noch einmal ein olympisches Finale. Dort war sie am Dienstagabend aber chancenlos.

© IMAGO/Beautiful Sports/IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Axel Kohring

Gesa Krause hat es geschafft. Nach Schwangerschaft und Geburt ihrer Lola erreichte sie noch einmal ein olympisches Finale. Dort war sie am Dienstagabend aber chancenlos.

Von Dirk Preiß

Der Frust war ihr anzusehen. Und sie fasste ihn auch in Worte. „Das“, sagte Gesa Krause am Dienstagabend im Stade France von Paris, „war definitiv nicht mein Rennen. Ich bin absolut nicht glücklich und zufrieden.“ Gerade war das Finale über 3000 Meter Hindernis zu Ende gegangen. Gesa Krause, die zweimalige Europameisterin und WM-Dritte über diese Distanz, war lediglich 14. geworden, Vorletzte. Aber es waren nicht nur diese nackten Fakten, die den Frust ausgelöst hatten.

Die 32-Jährige sagte auch: „Man ärgert sich umso mehr, wenn man nichts zurückgeben kann.“

In dieser Rolle befinden sich ja Sportlerinnen und Sportler generell, in Einzeldisziplinen noch mehr. Viele arbeiten an einem Projekt, im entscheidenden Moment umsetzen muss es dann die Athletin oder der Athlet ganz allein. Im Fall von Gesa Krause hat dieser Umstand aber noch eine weitere Dimension. Denn: Vor gar nicht allzu langer Zeit war sie in anderen Umständen.

Ende April 2023 wurde die Leichtathletin Mutter der kleinen Lola. Die Karriere war unterbrochen – aber nicht beendet. „In der großen Freude über die Geburt war einer meiner ersten Sätze: Ich will nach Paris“, sagte sie – und erreichte ihr Ziel. Sogar schaffte sie es zum vierten Mal in ein olympisches Finale, erklärte danach aber auch: „Es war ein schwieriger Weg, den wir gegangen sind. Wir haben sehr viel investiert.“

Das können auch andere über sich sagen, die eine ähnliche Reise hinter sich haben. Denn: Mittlerweile ist es nichts Ungewöhnliches mehr, dass Athletinnen an großen Wettkämpfen teilnehmen, die bereits Mutter sind.

Bei den Olympischen Spielen von Paris sind erstmals quasi gleich viele Frauen wie Männer am Start. Wie viele Mütter mit dabei sind – darüber führt das Internationale Olympische Komitee (IOC) keine Statistik. Zwei Zahlen aber sind bekannt: Im deutschen Team sind es 13, im US-amerikanischen 16. Und ein kleines Zeichen der Wertschätzung gibt es auch im olympischen Dorf.

Ein Familienzimmer im olympischen Dorf

„Alles rund um die Spiele ist bereits so komplex und mit Druck aufgeladen“, erklärte kürzlich die ehemalige Weltklasse-Leichtathletin Allyson Felix, „dieses Zimmer soll Athletinnen etwas Erleichterung verschaffen und es möglich machen, Zeit mit ihren Babys zu verbringen, ohne das Dorf zu verlassen.“ Es wurde ein Familienzimmer eingerichtet, das für verschiedene Zeiträume gebucht werden kann.

Ein bisschen Symbolik ist da natürlich auch dabei. Denn ist hier keine Kinderbetreuung organisiert, sondern lediglich ein Raum, der Möglichkeiten für eine unbeschwerte Begegnung schafft. Die Frage, inwieweit sich Leistungssport und Mutterschaft vereinen lassen, wird allein dadurch sicher nicht beantwortet. Aber: Sie wird immer wichtiger.

„Schwangerschaft und Mutterschaft dürfen nicht das Ende der Karriere für Athletinnen bedeuten“, forderte vor den Spielen von Paris Emma Terho. Die Finnin war bereits „Mutter eines kleinen Kindes“, als sie als Eishockeyspielerin an den Winterspielen 2014 in Sotschi teilgenommen hat. Heute ist sie Mitglied der IOC-Athletenkommission.

Das Problem: Der Wille, es nach Schwangerschaft und Geburt wieder zu vorheriger Leistungsstärke zu schaffen, ist nicht der einzige Faktor. Im Prinzip ist er sogar der Kleinere. Schließlich haben viele Frauen längst bewiesen, was auch mit Nachwuchs für sportliche Leistungen erbracht werden können. Da gab es Weltmeistertitel, Weltrekorde und auch Olympiasiege.

Aber auch eine andere Seite. „Es ist das eine, sich zu sagen, ich kann es schaffen, als Sportlerin ein Kind zu bekommen“, sagt die Psychologin Marion Sulprizio, „auf der anderen Seite muss man die neue Situation planen und organisieren. Dafür braucht man ein Team, einen Partner, der sich einbringt, Familienangehörige wie die Oma oder eine Nanny.“ Auch das klingt logisch, ist aber oft einfacher als gesagt. Denn Sulprizio weiß auch: „Vielen Sportlerinnen fehlt dieses Umfeld – oder auch das Geld, weil das alles auch finanziert werden muss.“ Zumal die Sorge, durch eine Schwangerschaft Sponsorenverträge zu verlieren, alles andere als unbegründet ist.

Finanzielle Einbußen durch eine Schwangerschaft?

„Wenn wir Kinder bekommen, riskieren wir finanzielle Einbußen während der Schwangerschaft und danach“, schrieb einst Allyson Felix in einem Beitrag für die „New York Times“. Und berichtete, dass ihr jahrelanger Ausrüster plötzlich deutlich weniger für einen neuen Vertrag geboten habe, da sie schwanger war.

Zwar gibt es mittlerweile in vielen Bereichen im Sport deutliche Verbesserungen: Lohnfortzahlung, Kündigungsschutz und ähnlich absichernde Klauseln. Aber auch Gesa Krause sagt: „Die Angst, nach der Schwangerschaft von den Geldgebern fallengelassen zu werden, kennt wohl jede Athletin.“

Auf ihrem Weg zurück war entscheidend, dass sie sich auf ihr Umfeld verlassen konnte. Auf den Lebensgefährten, der nach dem Studium in den Familienbetrieb seiner Eltern einstieg und recht flexibel arbeiten kann. Auf die Eltern und Schwiegereltern, die Betreuungsdienste übernehmen. Und auf einen langjährigen Trainer, der zur Not auch mal den Kinderwagen schiebt. Aber: Der Druck war dennoch nicht klein.

Denn ins Trainingslager reisen plötzlich mehr Leute mit, was meist aus der eigenen Tasche bezahlt werden muss. Und jeder gut gemeinte Plan kann auch stets an Grenzen stoßen – weil jeder Fall individuelle Bedürfnisse hat. Bei Laura Ludwig, zum Beispiel, war es irgendwann nicht mehr möglich, dass ihr Mann auch ihr Trainer ist. Die beiden haben zwei Kinder – und die Beachvolleyballerin seit Monaten einen anderen Coach. Nun beendet die 38-Jährige ihre Karriere.

Gesa Krause sagte mit Blick auf die vergangenen 15 Monate am Dienstagabend: „Es war extrem schwer, aber ich hatte ein super Team.“ Und: Ihr 14. Platz frustrierte sie zwar, er mache aber „nicht kleiner, was ich in meiner Karriere und in den vergangenen 15 Monaten geleistet habe“.

Als Leichtathletin. Und als Mutter.

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Erstellt:
7. August 2024, 17:24 Uhr

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