Uerdingen ist mehr als nur Großkreutz

Das Team, auf das Aspachs Drittliga-Fußballer morgen in Duisburg treffen, hat neben dem Weltmeister noch viel Erfahrung zu bieten

Fast wäre auch noch Pogba beim KFC Uerdingen gelandet. Nein, nicht Paul, der französische Weltmeister, sondern dessen älterer Bruder Mathias. Der vereinslose Fußballer fiel im Probetraining beim Drittligisten durch, doch ein Mangel an prominenten Namen herrscht beim Team, gegen das die SG Sonnenhof Großaspach am Freitag (19 Uhr, Wedaustadion in Duisburg) antritt, trotzdem nicht – und das liegt nicht nur am deutschen Weltmeister Kevin Großkreutz.

Werfen 312 Erstliga-Spiele in die Waagschale: Stefan Aigner (links) und Kevin Großkreutz, die namhaftesten Uerdinger Zugänge. Foto: Imago

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Werfen 312 Erstliga-Spiele in die Waagschale: Stefan Aigner (links) und Kevin Großkreutz, die namhaftesten Uerdinger Zugänge. Foto: Imago

Von Steffen Grün

Dass es sich beim Klub aus dem Stadtteil von Krefeld um keinen normalen Drittliga-Aufsteiger handelt, ergibt sich schon alleine aus seiner Historie mit dem DFB- Pokalsieg 1985 und dem legendären Europapokalspiel gegen Dresden in der Saison darauf als Höhepunkte (siehe Infokasten). Es hat aber auch damit zu tun, dass der Verein nach seinem tiefen Sturz infolge des Rückzugs der Bayer AG 1995 in finanzieller Hinsicht inzwischen wieder am großen Rad dreht. Das liegt vor allem am russischen Investoren Mikhail Ponomarev, der zum einen als Präsident und zum anderen als Geschäftsführer der KFC Uerdingen Entertainment GmbH, die 97,5 Prozent aller Anteile an der ausgegliederten Lizenzspielerabteilung hält, eine äußerst bestimmende Position einnimmt.

Der Erfolg verhindert Kritik an dieser Machtfülle, denn seit dem Einstieg Ponomarevs geht’s steil bergauf. In den letzten beiden Jahren schafften die Krefelder den Durchmarsch von der Oberliga Niederrhein in die Dritte Liga, umschifften gegen Waldhof Mannheim die Klippe der Regionalliga-Relegation und legten mit neun Punkten aus vier Partien nun einen tollen Start hin. Von ungefähr kommt das nicht, denn der Neuling hat sein mit Fußballern wie Maximilian Beister (8 Tore in 47 Bundesligapartien für den Hamburger SV und Mainz 05, 18 Tore in 67 Zweitligapartien für Fortuna Düsseldorf und 1860 München) schon eine Etage tiefer stark besetztes Team noch einmal richtig aufgemotzt.

Ein Name sticht heraus: Kevin Großkreutz. Der 30-jährige Rechtsverteidiger, der auch offensivere Positionen bekleiden kann, hat 186 Bundesliga-Spiele für Borussia Dortmund und den VfB Stuttgart auf dem Buckel, absolvierte 29 Champions-League-Duelle und stand mit dem BVB 2013 im Londoner Wembleystadion im Finale dieses Wettbewerbs (1:2 gegen Bayern München). Mit den Schwarz-Gelben wurde er zweimal deutscher Meister und einmal DFB-Pokalsieger und er kann sich Weltmeister nennen, obwohl er 2014 in Brasilien keine Sekunde mitmischen durfte. Danach begann die steile Talfahrt, die Großkreutz über Galatasaray Istanbul sowie den VfB nach Darmstadt führte und nun in Uerdingen ihr Ende finden soll.

126 Erstligaspiele (25 Tore) in Diensten von Eintracht Frankfurt und Arminia Bielefeld sowie 148 Zweitliga-Duelle (31 Tore) in den Trikots von Wacker Burghausen sowie 1860 München stehen in Stefan Aigners Vita. Der 31-jährige Flügelspezialist hat einen Abstecher in die Major League Soccer zu den Colorado Rapids hinter sich und soll nun dazu beitragen, dass die Uerdinger in der Dritten Liga eine gute Rolle spielen. Mit Manuel Konrad von Dynamo Dresden (200 Zweitliga-Einsätze), Robert Müller vom VfR Aalen (295 Drittliga-Spiele) oder Dennis Daube von Union Berlin (149 Zweitliga-Partien) stießen weitere Fußballer hinzu, nach denen sich viele Ligarivalen die Finger lecken würden.

Auch für Aspachs Sportchef ist Uerdingen „definitiv kein normaler Aufsteiger“. Joannis Koukoutrigas sieht im Kader des morgigen Kontrahenten „eine brutal hohe Qualität der Einzelspieler und viel Erfahrung. Sie haben sicher ganz klar das Ziel, so schnell wie möglich in die Zweite Bundesliga aufzusteigen.“ So sieht es auch der Trainer der SG Sonnenhof, für den „sehr finanzstarken“ Neuling sei die Dritte Liga „nur eine Durchgangsstation“, glaubt Sascha Hildmann. Sein Team stehe vor einer sehr schwierigen Aufgabe, der man sich aber stelle und mit mannschaftlicher Geschlossenheit auch gewachsen fühle. Neid auf den Etat, über den sein Krefelder Kollege verfügen kann, kennt auch Koukoutrigas nicht: „Wir haben eine ganz andere Philosophie und wollen aus unseren Möglichkeiten das Maximale machen.“

Der SG-Sportdirektor, dessen Truppe mit fünf Punkten aus vier Partien auch einen mehr als ordentlichen Start erwischt hat, wirft keinesfalls vor dem Anpfiff die Flinte ins Korn. Er beziffert die Siegchancen auf „50:50, unsere Jungs sind hungrig, wir haben auch nichts zu verlieren“. Gespielt wird übrigens deshalb in Duisburg, weil das Grotenburg-Stadion erst einmal modernisiert werden muss. Zumindest in dieser Hinsicht war Großaspach schon einen Schritt weiter, als vor vier Jahren der Sprung in die Dritte Liga gelang.

Erfolge, Enttäuschungen, Insolvenzverfahren: Die Vereinsgeschichte des KFC Uerdingen Info Der Krefelder Fußballclub Uerdingen 05 (meist KFC Uerdingen genannt) wurde 1905 als FC Uerdingen 05 gegründet. 1953 kam es zum Zusammenschluss mit der Bayer-Betriebssportgruppe und zur Umbenennung in FC Bayer 05 Uerdingen. Seit dem Rückzug des Konzerns 1995 agieren die Fußballer unter dem heutigen Namen. Die Lizenzspielerabteilung ist seit November 2017 in die KFC Uerdingen 05 Fußball GmbH ausgegliedert: Ihre Anteile halten zu 97,5 Prozent die KFC Uerdingen Entertainment GmbH von Vereinspräsidenten Mikhail Ponomarev und zu 2,5 Prozent der eingetragene Verein (e.V.). Wegen der 50+1-Regel hält der e.V. zwar die Mehrheit der Stimmanteile an der Fußball GmbH, was aber dadurch konterkariert wird, dass Ponomarev auch Präsident des e.V. ist. Bundesweit für Furore sorgte Uerdingen frühestens mit der Aufnahme in die 1974 ins Leben gerufene, damals zweigleisige Zweite Bundesliga. Es gelang der Durchmarsch ins Oberhaus, der erste Stopp dauerte aber nur eine Saison. 1977 zog der Zweitligist mit Siegen gegen Kaiserslautern, Bremen und Frankfurt ins DFB-Pokal-Halbfinale ein, in dem ein 0:1 gegen Hertha BSC das Aus bedeutete. Das zweite Erstliga-Abenteuer währte von 1979 bis 1981, 1983 gelang der dritte Aufstieg. Trainer Timo Konietzka führte die Elf auf Platz zehn, ging nach Dortmund, Karl-Heinz Feldkamp kam. 1985 gewann Uerdingen den DFB-Pokal, im ersten Finale in Berlin gab es ein 2:1 gegen die Bayern. Der Titel brachte das Ticket für den Europapokal der Pokalsieger, in dem es im Viertelfinale zum legendären Duell kam. Uerdingen hatte das Hinspiel in Dresden 0:2 verloren und lag im Rückspiel zur Pause 1:3 hinten. Fünf Tore waren nötig, sechs wurden es – das 7:3 ist das „Wunder von der Grotenburg“. Im Halbfinale war Atlético Madrid zu stark, doch mitsamt Rang drei in der Liga hinter München und Bremen war es eine tolle Saison. Daran konnte der Verein nicht mehr anknüpfen. 1991 ging es runter in Liga zwei, mit Friedhelm Funkel sofort wieder rauf. Dieses Spielchen wiederholte sich 1993 und 1994. Obwohl dann der Klassenverbleib geschafft wurde, trennte sich die Bayer AG 1995 vom Verein, der dadurch in finanzielle Schwierigkeiten geriet. 1996 folgte der Abstieg, 1999 der Sturz in die Drittklassigkeit. 2005 bedeutete der Lizenzentzug den bitteren Gang in die Oberliga Nordrhein. 2007 wurde zum dritten Mal der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt, die Zahlungsunfähigkeit aber abgewendet. Trotzdem ging es 2008 hinab in die sechstklassige Niederrheinliga. Der Tiefpunkt war erreicht, so richtig bergauf geht es erst wieder seit Ponomarevs Einstieg. Spieler wie Oliver Bierhoff, Stéphane Chapuisat, Holger Fach, die Funkel-Brüder, Matthias Herget, Stefan Kuntz, Brian Laudrup, Erik Meijer, Wolfgang Rolff oder Marcel Witeczek trugen das Uerdinger Trikot.

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Erstellt:
23. August 2018, 06:00 Uhr

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