Arthur Metz aus Frankreich stellt in der Galerie in Backnang aus
Die neue Ausstellung „Le jeune européen“ in der Galerie der Stadt Backnang zeigt eine Retrospektive des französischen Künstlers Arthur Metz. Seine Werke bieten einen vielschichtigen Einblick in die Lebenswelt seiner Generation, thematisieren aber auch globale Krisen und Probleme.
Von Melanie Maier
Backnang. „Le jeune européen“, der junge Europäer, heißt das titelgebende Bild zur neuen Ausstellung in der Galerie der Stadt Backnang. Es zeigt einen jungen Mann in der Nacht vor dem dunklen Meer an einem Strand oder irgendwo sonst in der Natur – wo genau, das bleibt der Interpretation überlassen. Der junge Europäer ist barfuß, er trägt einen blauen Pulli, kurze Hosen und eine schwarze Bauchtasche. Er ist ein Typ wie Millionen andere aus Frankreich, Deutschland, Spanien, Großbritannien oder Italien. Auf den ersten Blick wirkt das Bild wie eine Momentaufnahme aus dem Urlaub, entstanden bei einem Spaziergang nach einer Partynacht. Doch wer es länger auf sich wirken lässt, dem entgehen die tieferen Bedeutungsebenen nicht. „Es ist ein Porträt meiner Generation, die von Dunkelheit umgeben und verzweifelt ist“, kommentiert der Künstler bei einem Vorabrundgang durch die Galerie.
Auf die Weise funktionieren die meisten seiner Werke – es sind vielschichtige und interpretationsoffene Betrachtungen der Welt, die er mit Aquarell- oder Acrylfarben auf Papier oder auf dünnen Holzpaneelen festhält. Da ist etwa der vierteilige Paravent im gotischen Chorraum der Galerie, auf dem zarte, rosafarbene Quallen vor blauem Hintergrund schweben. „Ich finde Quallen sehr schön“, sagt Arthur Metz. „Sie sind graziös, aber auch gefährlich.“ Und das nicht nur, weil manche Arten giftig sind. Für den Maler sind die Tiere ein Symbol für die Erwärmung der Weltmeere und für den Klimawandel, der Quallen zugutekommt.
Jeder Raum hat ein anderes Thema
Arthur Metz, 1988 in Lyon geboren, hat an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart studiert. Mittlerweile lebt er mit seiner Partnerin und seinem zweijährigen Sohn in einem ehemaligen Bauernhof im Elsass. Dort hat er auch sein Atelier. Dort sägt er mit einer Kreissäge Pappelholzplatten verschiedener Größe zu, die er anschließend flach auf den Boden gelegt transparent grundiert und sodann mit Acrylfarben und Tusche bemalt – eine Anspielung auf das japanische Farbholzschnittgenre Ukiyo-e.
Die Ausstellung in der Galerie der Stadt Backnang, die bis zum 26. Mai zu sehen ist (siehe Infotext), ist eine Retrospektive auf sein bisheriges Schaffen. Jeder Raum hat ein anderes Thema. Im Erdgeschoss hängen auf der einen Seite Nachtmotive, auf der anderen Musikfestivalszenen. Eine Etage höher befinden sich gesellschaftskritische Bilder, in denen Gewalt eine zentrale Rolle spielt, nebenan weiße Monobloc-Stühle und Studien von Personengruppen. Im obersten Stock entfalten drei Großformate, Szenen aus einem Spanienurlaub des Künstlers, ihre Wirkung. Der letzte Raum zeigt Werke, die sich auf die Romantik beziehen. Eine offensichtliche Referenz auf Caspar David Friedrichs „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ (um 1818) ist „Im Nebel“ (2022, 2,20 auf 1,80 Meter), auf dem ein Mann, fast verschlungen vom wolkenverhangenen weißgrauen Himmel, auf die Hochhäuser einer Großstadt blickt.
Weitere Themen
Für einen Großteil seiner Bilder dienen Arthur Metz Fotos als Vorlage. Zum Teil sind es eigene, zum Teil sind sie aus den Medien, aus der Werbung, dem Internet. Sie projiziert Metz oft mit einem Beamer auf die Holzpaneele. Wert legt er darauf, dass er eine Fotografie nie eins zu eins übernimmt. Sie soll nur Ausgangspunkt seiner Arbeit sein, erklärt er.
Sehr stark komponiert sind zum Beispiel die Szenen aus dem Urlaub in der Nähe von Barcelona, „Summer in Spain I–III“, 2016 bis 2018 entstanden, mit Wasserfarben und Gouache gemalt auf Papier. Bei der Reihe, die typische Momente aus dem Urlaub einer Gruppe Anfang 30-Jähriger (tatsächlich Metz’ Kindheitsfreunde) aus der europäischen Mittelschicht darstellt – Abendessen, Alkoholkonsum, Zusammensitzen in der Morgendämmerung –, sind die Figuren so platziert, dass sie sich in einem imaginären Oval befinden. Symmetrie spielt eine große Rolle. „Es war wirklich viel Arbeit, aber mir hat es gutgetan, Ordnung in die Bilder zu bringen“, unterstreicht Metz. Inspiriert wurde er bei dem mehrjährigen Projekt von italienischen Renaissancemalereien. Einen interessanten Zusatzeffekt bieten die nicht komplett vom Künstler kontrollierbaren Wasserflecke, die sich wie eine Maserung über die Bilder legen. Sie lassen die Szenen wie verschwommene Erinnerungen wirken, die dadurch wie Diaaufnahmen aus den 1960er- oder 1970er-Jahren erscheinen.
Motive lassen Interpretationsspielraum
Und wieder bleibt viel Raum für die eigene Interpretation: Zeigen die Bilder wirklich eine fröhlich feiernde Freundesgruppe oder sind einzelne Personen isoliert, nehmen nicht an der Kommunikation teil? „Viele junge Franzosen machen Urlaub in Spanien – Alkohol und Zigaretten sind dort billiger. Für uns war das wie ein Schlaraffenland“, erinnert sich Arthur Metz. Die Bilder sind somit auch Zeugnis eines Coming-of-Age-Erlebnisses einer Generation, die nicht selten versucht, sich mit Alkohol und Drogen von der Ohnmacht den vielfältigen Krisen der heutigen Welt gegenüber abzulenken.
Einige davon thematisiert Arthur Metz in seinen Bildern. Ein eng zusammensitzendes Paar auf einer Bank sieht nicht nur das nächtlich beleuchtete Stuttgart, sondern auch eine bedrohliche Feinstaubwolke („Mönchhalde“, 2021). Ein fast menschenleeres Camp eines Musikfestivals weist mit seinen vielen Zelten eindeutige Parallelen zu den Geflüchtetenlagern im Mittelmeerraum auf („Am Tag danach“, 2023). Eine Szene, die von einer Überwachungskamera stammt, zeigt sechs junge Männer in einer Berliner U-Bahn, kurz nachdem sie versucht hatten, einen Obdachlosen in einer U-Bahn-Station anzuzünden („Berliner U-Bahn“, 2019–2020). Indem er sich mit Vorfällen wie diesem auseinandersetzt, möchte der Künstler versuchen, es ein wenig besser zu verstehen, das ewige Spiel zwischen Gut und Böse. Nur wenige Schritte weiter von dem Überwachungskamerabild hängt eine bunt bemalte Pizzaschachtel. Zu sehen ist ein junger Mann, der in einer Kneipe sitzt. Auch so ein „jeune européen“, ein junger Europäer. „Das ist eigentlich gar nicht mein Malstil“, so Arthur Metz über den pastösen Farbauftrag. „Aber manchmal darf Malerei ja auch einfach nur Spaß machen.“
Vernissage Zur Eröffnung der Ausstellung „Le jeune européen“ („Der junge Europäer) in der Galerie der Stadt Backnang, Petrus-Jacobi-Weg 1, mit Bildern von Arthur Metz, heute Abend sind alle Interessierten eingeladen. Die Vernissage beginnt um 20 Uhr. Der Erste Bürgermeister Stefan Setzer wird ein Grußwort sprechen. Galerieleiter Martin Schick führt in die Ausstellung ein. Das Haus ist am Eröffnungstag ab 19 Uhr geöffnet.
Ausstellung Die Schau läuft bis zum 26. Mai. Der Eintritt ist frei. Führungen finden jeden zweiten und vierten Samstag im Monat ab 12 Uhr statt. Eine „Nachteulenführung“ ist für den 12. April um 21.30 Uhr geplant. Aktuelle Informationen sowie die Öffnungszeiten der Galerie finden sich online unter www.galerie-der-stadt-backnang.de.