„Atrocity“: Death Metal unter karibischer Sonne
Bands von hier Atrocity präsentieren ihre neue CD „Okkult III“ auf der weltgrößten Metalkreuzfahrt 70000 Tons of Metal. Der in Backnang geborene Sänger Alexander Krull hat die Band 1985 gegründet. In Steinheim an der Murr betreibt er das Mastersound-Studio.
Von Marina Heidrich
Backnang/Steinheim an der Murr. Das Jahr 2023 war noch verhältnismäßig jung, als die Band Atrocity zu einem außergewöhnlichen Festival aufbrach. In Miami, Florida, sind die fünf Jungs an Bord der „Freedom of the Seas“ gegangen. Auf dem Kreuzfahrtschiff schipperten sie durch die Karibik zu den Bahamas und wieder zurück nach Miami, gemeinsam mit Kollegen von Kreator, Amorphis, Nightwish und einigen anderen renommierten Musikern aus dem Genre. Die Veranstaltung ist die weltgrößte Heavy-Metal-Kreuzfahrt und nennt sich 70000 Tons of Metal.
Atrocity: Der Name steht für eine Band, die seit 1985 existiert, zwölf Longplayer und mehrere Videos veröffentlicht hat, auf allen fünf Kontinenten in über 50 Ländern treue Fans aufweist und dort auf Tourneen Hallen füllt. In Deutschland treten sie auf allen großen Festivals wie dem Wacken auf.
Genre-Weltstar aus dem „wilden Süden“
Doch woher kommt Atrocity? Aus Skandinavien, dem Heimatgebiet vieler Death- und Dark-Metal-Bands? „Kalt. Ganz kalt“, sagt Sänger und Bandgründer Alexander Krull schmunzelnd. Also aus Deutschland. Und woher genau? Berlin, Hamburg, Köln...? Der fast zwei Meter große Hüne bricht in lautes Lachen aus und wirft sein hüftlanges Haar zurück. „Im Großen und Ganzen aus Ludwigsburg. Mein Mastersound-Studio steht in einem Teilort von Steinheim, aufgewachsen bin ich in Marbach am Neckar und geboren in Backnang.“ Ein Genre-Weltstar aus dem „wilden Süden“, der seine Wurzeln nicht verleugnen muss und es mit Herzblut, Fleiß und unnachgiebigem Einsatz geschafft hat, seine Band seit mittlerweile fast 40 Jahren nicht nur in den Metal-Olymp zu bringen, sondern sich dort auch zu halten.
Dazu gehört neben dem festen Glauben an sich und die Musik viel Disziplin. Und der Wille, auch härtere Zeiten durchzustehen. Wie etwa die vergangenen drei Jahre. „Eigentlich sollte unser Album Okkult III ja schon früher erscheinen, aber dann gab es die bekannten Coronaschwierigkeiten. Beginnend mit den Aufnahmen, die eine Anwesenheit der kompletten Band im Studio während des Lockdowns unmöglich machten, bis zu Produktionsengpässen der Vinyl-Presswerke mangels Materiallieferung.“
Doch auch wenn die Themen der Atrocity-Alben düster, oft blutig und sehr ernst sind, Alexander Krull ist ein durch und durch positiver Mensch. „Vielleicht sollte alles so sein“, sagt er lächelnd, „dadurch wurde diese Metal-Kreuzfahrt, die wir als Band bereits mehrfach mitgemacht haben, zu etwas ganz Besonderem. Es gab nämlich unsere CD-Premiere an Bord.“
Ein weiter Weg liegt hinter Krull und seiner Band. Mit 15 Jahren gründete Krull Atrocity, er kann sich noch genau an das erste Konzert 1988 in Mainhardt erinnern. Zwei Jahre später stehen die Jungs tatsächlich in Florida in einem renommierten Tonstudio und nehmen ihr erstes Album auf. Das Cover gestaltet kein Geringerer als HR Giger, der Schöpfer des Monsters aus dem Film „Alien“.
Das aktuelle Line-up von Atrocity besteht aus Sänger Alexander Krull, den Gitarristen Micki Richter und Luc Gebhardt, Basser Andre Nasso und Drummer Joris Nijenhuis. Krull ist ein sehr kluger, reflektierter Mensch, der unzählige faszinierende Erlebnisse aus dem Tourleben fesselnd schildern kann, sich aber auch viele Gedanken um das Leben an sich und die weltpolitische Situation macht.
„Eigentlich sollte unser schon früher erscheinen, aber dann gab es die bekannten Coronaschwierigkeiten.“
Dankbar ist Alexander Krull für die Unterstützung, die er als junger Musiker zu Hause erfuhr. Seine ältere Schwester Yasmin, die mittlerweile in Neuseeland lebt, ist auf den frühen Atrocity-Platten dabei. Sie brachte ihn auch dazu, als kleiner Junge bereits Deep Purple zu hören. Und wenn Krull, der mit seinen Jungs in der legendären Rockfabrik Ludwigsburg quasi als Hausband fungierte, dort Konzerte mit anderen Bands veranstaltete, dann übernachteten diese Gäste öfter im Hause Krull und Alexanders Mutter kochte für alle Spaghetti.
In seinem eigenen Studio produziert Alexander Krull mittlerweile Musiker unterschiedlichster Genres. Er ist ein intelligenter Freigeist, der kaum Berührungsängste kennt und sich darüber freuen kann, dass Rock und Metal mittlerweile gesellschaftsfähig sind. Wobei es manchmal schon zu witzigen Erlebnissen kommt. Gut gelaunt erzählt er, wie Atrocity Heino in dessen „dunkler Phase“ bei Florian Silbereisen begleitet haben und Heino ihm unbedingt eine bestimmte Sängerin vorstellen wollte. Amüsiert und trocken konterte Alex „Ach, hallo Frau Nachbarin“ beim Händeschütteln mit Andrea Berg, die nur knapp zehn Kilometer von ihm entfernt wohnt.
Album Das Album „Okkult III“ ist der letzte Teil der Okkult-Trilogie. Es erschien am 20. Januar 2023 bei Massacre Records digital, als 2-CD-Mediabook, Vinyl LP und Box Set.
Atrocity und Leaves’ Eyes Alexander Krull ist Leadsänger der Metalband Atrocity sowie die männliche Stimme der Band Leaves’ Eyes. In Steinheim an der Murr betreibt er als Musik- und Videoproduzent und Manager die Firma Mastersound Entertainment und das Mastersound-Studio, in dem sich die Größen der Szene die Klinke in die Hand geben. Alex Krull ist nebenbei noch als Wikingerschwertkämpfer in originalgetreuen Inszenierungen tätig.