Ein letztes Mal Gruschtelkammer
Für die große Abschiedsgala der Gruschtelkammer hat Initiator Charley Graf ein erstklassiges Bühnenprogramm auf die Beine gestellt. Die rund 750 Zuschauer durften am Samstagabend in der Auenwaldhalle in Unterbrüden vier Stunden lang gemeinsam schunkeln und lachen.
Von Anja La Roche
Auenwald. Für alle 750 Zuschauer und Zuschauerinnen war wohl klar, dass ein langer Abend bevorsteht, als der erste Künstler die Bühne betritt. Ein Abend, von welchem aber jede Sekunde genossen werden muss, ist er doch der allerletzte, den die Gruschtelkammer veranstalten wird – nach 33 Jahren löst sich die Kleinkunstbühne auf. Doch Ernst Mantel, Schwabe durch und durch, wusste sogleich die traurige Abschiedsstimmung in humoristische Höhen zu entführen: „Ich beginne alle meine schwäbischen Programme mit einem chinesischen Sprichwort“, erklärt er mit ernster Miene und sogleich folgt auch schon der weise Rat, der da lautet: „Beginne stets mit einem chinesischen Sprichwort.“ Auf die erste Weisheit folgen viele weitere, verpackt in lustige Lieder, zu welchen er seine Gitarre zupft.
Im ersten Song huldigt er den Anfang, denn ohne den gäbe es ja nichts, aber auch der Mittelteil und der Schluss, die nicht ganz unwichtig seien, kommen nicht zu kurz. In der Rolle eines Ü-50-Schwaben, der im Zug mit seinem Freund Horscht telefoniert, treibt der komische Erzähler die schwäbischen Sch-Laute auf die Spitze. Vom Torschten, dem Vollpfoschten bis zum knuschprigen Knuschperbrot mit Peschto wird – lascht but not leascht – auch an schwäbischen Anglizismen nicht gespart.
Abschiedsgala der Gruschtelkammer
Am Samstagabend hat die Gruschtelkammer in Auenwald ein letztes Mal zum gemeinsamen Lachen, Staunen und Genießen eingeladen. Für den Abschied nach 33 Jahren Gruschtelkammer haben die Veranstalter gleich neun Künstler auf der Bühne performen lassen.
Mit viel Schwung heizt der bayerische Comedian und Autor Michael Altinger die Stimmung weiter an, und kann die positive Energie der Zuschauer auch erklären: Im Saal herrsche nun ein Gruppengefühl, das einen gleich viel besser fühlen lasse als die anderen da draußen, die alle bloß lauter Deppen seien. Im Stakkato haut Altinger eine Pointe nach der anderen raus und thematisiert die Sonderheiten der modernen Welt, in welcher man mit „LSD-Beleuchtung“ und verglasten Klotüren in Hotelzimmern zurecht kommen muss.
Zum ersten und leider auch letzten Mal in der Gruschtelkammer auftreten darf die Backnanger Band Three Kiwis – One Banana. Inspiriert vom Stil der 1920er-Jahre covert sie auf hinreißende Weise die Songs „Vom selben Stern“, „Bei mir bist du schön“ und „The Lion Sleeps Tonight“. Dabei gelingt es Sängerin Marina Heidrich sogar, Landrat Richard Sigel und Politiker Wilfried Klenk zum Mitsingen zu animieren.
Extra aus der Reha entflohen ist die preisgekrönte Kabarettistin Lizzy Aumeier, um trotz Krankheit bei „diesem Trauerspiel“ dabei sein zu können, wie sie erklärt. Mit ihrer ruhigen Stimme und dem trockenen Humor hat sie das Publikum schnell in den Bann gezogen. Sie berichtet von einer Polizeikontrolle, bei der es ihr und ihrem Mann mehr oder weniger absichtlich gelang, die Beamten aufs Korn zu nehmen und zugleich wunderbare Ausreden für ihren alkoholisierten Zustand aus dem Ärmel zu schütteln. Die Kabarettistin offenbart den Vorteil des Alters – man wird nicht mehr entführt – und holt ihren Mann Andreas Stock auf die Bühne, damit der wenigstens einmal sein Gesangstalent präsentieren kann. Zugleich liebäugelt sie schamlos offensiv mit dem Auenwalder Bürgermeister Kai-Uwe Ernst, der im Publikum sitzt.
Mit Einkaufstrolley, Hut, und Mantel ausgerüstet erscheint Bernd Kohlhepp in der Rolle von Frau Schwerdtfinger auf der Bühne – eine ältere Dame, die schon reichlich senil, aber deshalb nicht weniger von ihrer Genialität überzeugt ist. „Du musch immer wisse, wie heischt du und wo kommscht du her“, wiederholt die Dame gebetsmühlenartig mit kreischender Stimme. In ihrer Handtasche hat sie immer einen Ersatzschlüssel dabei (aber nicht ihren eigenen), und auch ihre Fußmatte darf nicht fehlen, damit sie ihre Haustür wiederfindet (dort, wo keine Fußmatte liegt). Der Auftritt gipfelt in einem Lied im AC/DC-Stil für ihren geliebten Thymiantee, bei dem Bernd Kohlhepp es schafft, als wahres Gesangstalent das Publikum zu begeistern.
Weitere Themen
Zurück in die Gemütlichkeit geht es mit Rolf Miller, der sich in Manier eines Schwaben im besten Alter präsentiert, welcher jegliche Motivation verloren hat, sympathisch wirken zu wollen. Warum die heutige Jugend so verweichlicht sei, fragt er und nennt das Lieblingsbuch seiner Kindheit: Struwwelpeter. „Heute sind die angemeldet zum Ballett, Geige, Ding. Und vor allem zum Heulsusenkurs, der geht bis 18.“
Der Sänger Monty Bürkle singt sich mit seiner warmen, kräftigen Stimme in die Herzen der Zuschauer, begleitet wird er von Jan Clever am Piano, der Trompete und als Backgroundsänger. Bei „What a wonderful World“ gerät das Publikum in Schunkellaune, und mit dem Titel „My Way“ singt Monty Bürkle eine emotionale Lobes- und Dankeshymne für Charley Graf, der danach sichtlich gerührt auf die Bühne kommt.
Heinrich del Core, dessen Vater ein Italiener und Mutter „ein Rottweiler“ (aus Rottweil stammend) ist, beleuchtet die Eigenheiten der Sprache seines Vaters als neigschmeckter Italiener und erinnert sich zurück an die gute alte Zeit, als die Autos mit keinerlei Schnickschnack ausgestattet waren. Auch er zeigt sich überfordert mit den neuen Erfindungen der digitalen Welt und berichtet von einer traumatischen Erfahrung mit einer automatisierten Toilette im Hightech-Badezimmer eines Freunds.
Für einen runden Abschluss sorgt Sängerin Pe Werner, die vor 33 Jahren als erste Künstlerin für die Gruschtelkammer auf der Bühne stand und nun auch die Ehre hat, als ihre letzte Künstlerin zu performen. Mit launigen Songs wie „Vollmondgesicht“ und „Prima essen gehen“ singt sie auf erstklassigem Niveau, begleitet von Peter Grabinger am Flügel. Zum Schluss sorgt sie mit ihrem Durchbruchhit „Kribbeln im Bauch“ für eine sentimentale Abschiedsstimmung unter den Liebhabern der einmaligen Kleinkunstbühne – die Zuschauer werden diesen besonderen Abend gewiss nicht vergessen.