Gevatter Tod hält die Lyrics fest in der Hand
Bands von hier Vor mehr als zwei Jahrzehnten ist die Band Manus Mortis entstanden – damals spielte sie noch Black Metal mit Punk-Einflüssen. Inzwischen sind die fünf Mitglieder zum Death Metal gewechselt. Die Formation bewältigt locker den Spagat zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit.
Von Marina Heidrich
Backnang. Ein gutes Beispiel für die enge Verbindung der Backnanger Musikszene mit Musikern aus Murrhardt, Oppenweiler und Umgebung ist die Band Manus Mortis, die 2001 entstanden ist. Gründungsmitglieder Jan Schwarz (Gesang) und die beiden Gitarristen Rouven Lehmann und Armin Wilz sind seit mehr als zwei Jahrzehnten dabei, Schlagzeuger Christoph „Talla“ Allmendinger und Basser Alex Wolf immerhin auch schon seit zehn Jahren.
Ursprünglich eine Black-Metal-Formation mit Punk-Einflüssen merkten die Jungs früh, dass ihre eigentliche Liebe dem Death Metal galt und orientierten sich konsequent in diese Richtung. „Growlen ist besser für die Stimme als Kreischen“, witzelt Sänger Jan Schwarz augenzwinkernd. Man könnte einen ganzen Abend den Erlebnissen und Anekdoten der Band über ihren Werdegang zuhören, die zu Beginn keinen Schlagzeuger hatte und sich daher zunächst einen Drumcomputer zulegte. „Ich habe 14 Tage gebraucht, um einen einzigen Song zu programmieren“, erzählt Jan Schwarz, „mein Bruder hat dann neugierig an dem Gerät rumgespielt und meine ganze Arbeit in einer Sekunde aus Versehen gelöscht.“
Seitdem wird mit einem richtigen Schlagzeuger gespielt. Talla Allmendinger bereichert die Band nicht nur mit seinen Beats, er ist auch für die meisten der dunklen und doch recht komplexen Texte verantwortlich. „Im Song ‚Eaters of the Sun‘ geht es um die Entstehung von oxidierenden protozellularen Membranen“, berichtet Allmendinger mit ernster Miene. Dann bricht er in lautes Lachen aus. Der Spaß kommt bei Manus Mortis nicht zu kurz, denn darum geht es den fünf. „Wir werden keine Rockstars mehr und wollen das auch gar nicht“, sind sich die Freunde einig. Trotzdem spielen Manus Mortis immer wieder auf renommierten Festivals.
Das Erfrischende an Manus Mortis ist, wie die Band locker den Spagat zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit bewältigt. Songwriting, Komponieren und Bearbeiten wer-den mit Einsatz und Detailgetreue ohne Kompromisse betrieben. Ihr Musikgenre nimmt die Band sehr ernst, ohne deswegen in Klischees zu verfallen. Auf der Bühne kommt aber trotz aller Professionalität der Spaß gut rüber. Sänger Jan Schwarz berichtet über ein Konzert, das Manus Mortis mit den Death-Metal-Größen von Debauchery spielen durften, eine Band, die bei ihren Shows martialische, von den Orks aus dem Film „Herr der Ringe“ inspirierte Fantasykostüme trägt und reichlich Kunstblut einsetzt. „Wir wissen, dass alle bei Debauchery Humor haben und so beschlossen wir, auch mal Blut auf der Bühne einzusetzen. Sozusagen als Hommage für die anderen – und als Persiflage für uns.“ Schwarz besorgte literweise Theaterblut. „Allerdings ahnten wir nicht, wie klebrig das Zeug in natura ist und dass es mit all dem Schweiß eine regelrechte rote Zuckerglasur auf der Haut hinterlässt, die sich eklig anfühlt, süß schmeckt und nur schwer wieder runtergeht.“
Manus Mortis überlassen solche Bühneneinlagen lieber anderen. Auch nach einigen CDs und vielen Auftritten kann man die Band vereinfacht mit dem englischen Satz „What you see is what you get“ (was du siehst, bekommst du auch) beschreiben – allerdings im absolut positiven Sinn. Manus Mortis sparen sich Bühnensperenzchen und Make-up. „Wir sind einfach wir – so, wie wir hier dastehen.“ Eine eindeutige Aussage von Gitarrist Armin Wilz.
Die Band hat kein externes Management, Basser Alex Wolf versucht sich hier so weit wie möglich einzubringen, neben Job und Familie. Das bedeutet zwar einerseits Unabhängigkeit, andererseits ist viel zusätzliche Arbeit damit verbunden. Genau diese Einstellung macht sie bei ihren Fans, aber auch den Kollegen von anderen Bands seit mehr als 20 Jahren so beliebt. Auf ihre Zusagen kann man sich verlassen, Manus Mortis sind weit weg davon, abgehoben zu sein.
Was sich unter anderem auch darin spiegelt, dass die Band sich nicht um Auftritte bewerben muss, sondern direkt angefragt wird. Die Fans sind ihnen so wichtig, dass zum Beispiel zu einem Auftritt an Weihnachten 2005 schon mal ein Reisebus gechartert und 30 besonders treue Anhänger zu einem Konzert mitgenommen wurden. Beim Boarstream-Festival in Buchenbach spielten Manus Mortis am frühen Nachmittag um 13.30 Uhr – eigentlich eine mehr als ungünstige Zeit. Trotzdem wurde ihnen das mitgebrachte Merchandise regelrecht aus der Hand gerissen, innerhalb kürzester Zeit waren Band-T-Shirts und CDs ausverkauft.
Den eigenen Wert kennen und trotzdem mit Bescheidenheit auftreten, das ist gar nicht so selbstverständlich. Gitarrist Rouven Lehmann legt großen Wert darauf, anderen Bands gegenüber ernst gemeinte Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen: „Karkadan, Cockroach und all die Gruppen, mit denen wir bislang auftreten durften, haben uns mit bis zu diesem Punkt gebracht. Dafür können wir nur dankbar sein.“
Nicht nur Rouven findet es wichtiger denn je, dass junge Nachwuchsbands sich allen Widerständen zum Trotz nicht entmutigen lassen. „Mangelnde Unterstützung in Form von fehlenden Proberäumen und geeigneten Auftrittsmöglichkeiten für Rockmusik wird in Backnang und Umgebung leider ein immer größeres Problem“, sagt Armin Wilz und nickt. Jan Schwarz stimmt zu: „Ich würde mir wünschen, dass die Leute ihre lokalen Bands unterstützen, indem sie mehr auf Konzerte gehen.“ Allmendinger wirft ein: „Es geht nichts über einen Live-Eindruck, da kann fast keine Studioaufnahme mithalten.“ Basser Alex Wolf erwähnt einen weiteren Aspekt: „Die Zuhörer sind manchmal sehr überrascht, wenn sie uns live hören, denn da kommt eine ganz andere Energie rüber. Ich höre oft den Satz ‚Das ist eigentlich gar nicht meine Musik, aber es war trotzdem geil‘ von den unterschiedlichsten Leuten.“
Im Frühjahr 2022 begannen die Aufnahmen an einer weiteren Manus-Mortis-CD. Die Songs sind so gut wie fertig, Rouven Lehmann arbeitet bereits am Cover-Artwork. Die Band möchte das Werk wegen der Stimmung, des Flows am liebsten live einspielen. Und um was geht es thematisch? Alex Wolf grinst. „Da unsere Texte immer entweder prä- oder posthumane Dinge behandeln, wird Gevatter Tod wieder alles fest in der Hand halten – sozusagen in der Manus Mortis.