Kommissarin Lürsen hat jetzt Feierabend

In der Sympathie-Hitparade rangieren die Bremer „Tatort“-Ermittler weit vorne – nun ist Schluss

Krimi - 22 Jahre lang hat die Schauspielerin Sabine Postel für Radio Bremen die „Tatort“-Ermittlerin gegeben. Seit 18 Jahren fest an ihrer beruflichen Seite: Oliver Mommsen als Stedefreund. Am Ostermontag nehmen beide Abschied.

Kommissarin Lürsen hat jetzt Feierabend

Stuttgart Der gebürtige Bremer ist ständig in Versuchung, den Namen falsch zu schreiben: Inga Lürssen statt korrekt Inga Lürsen. Das liegt daran, dass der Name der langjährigen Bremer „Tatort“-Ermittlerin an der Weser auch sonst gut eingeführt ist: Lürssen heißt eine Werft im Stadtteil Vegesack, 1875 gegründet, bis heute im Familienbesitz. Dank ihrer Konzentration auf Spezialschiffbau hat sie alle Krisen der Branche überlebt und vermochte in jüngerer Zeit sogar kräftig zu expandieren; im November 2016 konnte man den Hamburger Traditionsschiffbauer Blohm & Voss übernehmen. Lürssen hat also einen illustren Klang in einer Stadt, die seit 1260 auch Hansestadt ist und darum etwas hält auf ihre maritime Tradition.

All diese regionalen Details haben zwar gar nichts zu tun mit der völlig fiktiven Bremer TV-Kommissarin Inga Lürsen. Der Sender, der vor etwas mehr als 21 Jahren die Ermittlerin erstmals ins „Tatort“-Rennen geschickt hat, Radio Bremen, wird die lockeren Assoziationen trotzdem zu schätzen wissen – zeigen sie doch, dass es gelungen ist, der Figur regionales Kolorit zu verpassen, die Verwurzelung im Kultur-Nährboden der Stadt. Und das soll der „Tatort“ ja auch leisten: ein bisschen Visitenkarte sein für die Gegend der Handlung, Mord und Totschlag zum Trotz. Deswegen reißen sich die Kommunen darum, Heimat für neue Ermittlerteams zu werden.

Für alle „Tatort“-Kommissare gibt es inzwischen eigene Biografien. Die von Inga Lürsen beginnt mit dem 20. Mai 1953. Sie hat laut Unterlagen stets in Bremen gelebt, hat in den 70er Jahren gegen das Atomkraftwerk in Brokdorf und in den 80ern gegen NATO-Raketen demonstriert – typische kritische linke Bremer Jugend. Ihre Freunde waren darum ganz schön überrascht, als sie die Ausbildung zur Polizistin machte. Doch so lief das mit der Inga: Früher hatte sie auf die „Bullen“ geschimpft. Nun ging es ihm um Gerechtigkeit im Alltag.

Ihren ersten „Tatort“-Fall löste sie spät, Hauptkommissarin Lürsen kam erst im Serienalter von 43 Jahren 1997 zum Einsatz. Ihrem Debüt „Inflagranti“ folgten 38 weitere. Nun, an diesem Ostermontag, geht die inzwischen 65-jährige Beamtin um 21.45 Uhr in den TV-Ruhestand: „Wo ist nur mein Schatz geblieben?“ Lürsen zieht es heim. Und mit ihr die Lürsen-Darstellerin Sabine Postel.

Postel, im wahren Leben ein Jahr jünger als ihre Figur, hat die Lürsen von Anfang an als eine Nicht-Perfekte angelegt. Inzwischen wimmelt der „Tatort“ ja vor lauter Ermittlern mit Spleens, Ticks, Hysterien, Süchten, Lebensbrüchen.

Aber Ende der 90er Jahre war das durchaus noch Nische. Lürsen war geschieden, ihre Tochter wollte jedoch lieber beim Vater leben. Die Beamtin zog es lange vor, ihre Abende mit einer Flasche Rotwein als mit einem neuen Kerl zu verleben.

Bei der Arbeit war sie natürlich tough. Zeugen und Verdächtige überrumpelte sie mit ihrer Lockerheit. Nicht nur ihr frisches „Moin“ zur Begrüßung brachte schon manchen Übeltäter aus dem Konzept. Gern steht sie auch erst mal am Gartentor und winkt ihm, wenn er misstrauisch durch die Gardine lugt, mit einem melodischen „Huhu!“ aus der Ferne zu. Ab Lürsen-„Tatort“-Nummer 6 im November 2001 trat der Ermittlerkollege Stedefreund an ihre Seite. Oliver Mommsen übernahm sichtlich gern den kontrastierenden Part des zupackenden Kerls, der vor allem auf klare Vernunftregeln setzt. Am Anfang wirkte der Kontrast etwas hölzern. Aber über die Jahre wurde das Spiel doch recht fluffig, vor allem dank besserer Drehbücher.

Zum Lohn wuchs das Lob der Zuschauer: Immer wieder in jüngerer Zeit konnte der „Tatort“ aus Bremen die magische 10-Millionen-Zuschauermarke knacken. In der Sympathie-Hitparade rangieren Lürsen/Stedefreund nach Münster, Hannover und München auf Platz vier.

Um ihre berufliche Zukunft muss sich Sabine Postel zweifellos keine Sorgen machen: Außer in ihrer ARD-Serie „Die Kanzlei“ ist sie auch sonst im TV regelmäßig zu sehen. Radio Bremen allerdings muss für seine „Tatort“-Zukunft nun eine neue Kommissar-Biografie entwickeln. Bereits im kommenden Jahr will man frisch an den Start. Mal sehen, ob wieder ein interessanter Name ins Spiel kommt.https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.die-tatort-fledderei-blut-aus-bremen-vampire-moegen-keinen-tee.76ed4326-2f6a-4e6d-8c39-5561dbc3407c.htmlhttps://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.tatort-aus-bremen-dieser-tatort-geht-unter-die-haut.274b5d38-9fa0-4c43-8bab-87a933bd1aeb.htmlhttps://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.der-pfingst-tatort-aus-bremen-vor-wasser-wird-dringend-gewarnt.de95f2e4-19d7-4307-b46c-2ffa16fd3162.html

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Erstellt:
23. April 2019, 10:19 Uhr

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