Sie fühlen den Blues

Bands von hier Bluesklassiker und Eigenkompositionen spielt die Band Midnight at Rosie’s. 2014 wurde die Backnanger Band von Rainer Bernhardt und Udo Hauenstein gegründet.

Mit etwas Bier zeigen sich die Bandmitglieder gut gelaunt: Joachim Vogel, Wolfgang Dising, Rainer Bernhardt, Udo Hauenstein und Winnie Schniepp (von links). Foto: privat

Mit etwas Bier zeigen sich die Bandmitglieder gut gelaunt: Joachim Vogel, Wolfgang Dising, Rainer Bernhardt, Udo Hauenstein und Winnie Schniepp (von links). Foto: privat

Von Marina Heidrich

Backnang. „Es hat mich umgehauen, ich bin da wie in Trance raus. Neu, höllisch laut, völlig ohne Lichtshow, einfach nur die pure, gewaltige Musik, die ich nie zuvor so gehört habe.“ Rainer Bernhardt, den alle nur „Willy“ nennen, erzählt mit leuchtenden Augen und voller Begeisterung von einem Konzert in der Stuttgarter Liederhalle, das prägend für seinen eigenen musikalischen Lebensweg war.

Man könnte glauben, dass es gerade am vergangenen Wochenende stattgefunden hat, so lebendig ist die Erinnerung. Und doch hatte Willy dieses „Erweckungserlebnis“ als 17-Jähriger. Mittlerweile ist er 70. Das Konzert fand im Januar 1969 statt, der Gitarrist auf der Bühne hieß Jimi Hendrix. „Neun Mark hat der Eintritt gekostet“, erinnert sich Willy, der damals in Stuttgart-Heslach wohnt.

Als der Teenager wenige Monate später, ebenfalls in der Liederhalle, die britische Bluesrock-Legende Ten Years After um Gitarrist Alvin Lee erlebt, kauft er sich einen Tag später seine erste E-Gitarre. Und die von seinen musikalischen Eltern so heiß ersehnte Karriere am Akkordeon wird umgehend ad acta gelegt. „Mein Vater war damals unglaublich besorgt. Er meinte zu meiner Mutter: ‚Irgendetwas stimmt mit dem Jungen nicht, vielleicht sollten wir mit ihm zu einem Psychiater‘“, berichtet Willy und lacht.

Fast zur selben Zeit erhält, knapp 200 Kilometer entfernt, der sechs Jahre jüngere Udo Hauenstein im heimatlichen Pirmasens Unterricht in klassischer Gitarre. Auch er kommt aus einer Familie, die eher konservative Musik spielt und liebt. Dann hört Udo die ersten Songs von Bob Dylan und Creedence Clearwater Revival und spürt: Da ist mehr. So richtig packt ihn das Bluesfieber, als er die deutsche Band Black Cat Bone live erlebt und kurz entschlossen bei deren Gitarrist Unterricht nimmt. Diese Band hat bereits mit Alvin Lee CDs produziert – und hier schließt sich der Kreis wieder zu Ten Years After.

Niemand ahnt, dass sich die beiden bluesliebenden Gitarristen und Sänger viele Jahre später immer wieder in Backnang über den Weg laufen werden, wo beide schon lange ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben. Hauenstein, der hauptberuflich im Pflege- und Schulungsbereich tätig ist, hat viele Stationen im In- und Ausland hinter sich. So erhielt zum Beispiel sein emotionales Mouthharp-Spiel in Andalusien den Feinschliff. „Ich bin da zum Üben immer stundenlang in den Wald gegangen, meine Frau Ute wäre sonst wahrscheinlich durchgedreht“, sagt der Perfektionist lachend, der ein Stück am liebsten erst dann öffentlich spielt, wenn er es optimal beherrscht. Auch wenn Udo für seine gefühlvollen Bluesimprovisationen bekannt ist. Obwohl der Multiinstrumentalist mittlerweile auch sehr gut mit Saxofon und Mandoline umgehen kann, ist und bleibt die Gitarre aber sein Lieblingsinstrument.

Gegenseitige Einladungen führen schließlich zum gemeinsamen Projekt

Wie sind der Schwabe und der Pfälzer zusammengekommen? „Backnang ist ja quasi eine große Musikerfamilie, da saß ich natürlich öfter bei einem Auftritt von Willys Band und wurde als Gast auch mal auf die Bühne gebeten“, erzählt Udo. Willys Band – das war Ten Beers After, eine Hommage an die britische Blueslegende. Und umgekehrt spielte auch Willy ab und zu als Gast bei Udos verschiedenen Formationen. Das klappte so gut, dass die beiden 2014 beschlossen, künftig gemeinsam aufzutreten. Backnangs Bluesband Midnight at Rosie’s war geboren. In der aktuellen Besetzung spielen neben den beiden Gitarristen und Sängern Udo und Willy noch Winnie Schniepp (Piano, Keys), Wolfgang Dising (Bass) und Joachim Vogel (Drums).

Und wie kam es zu dem außergewöhnlichen Namen der Band? Ein Urlaub in Amsterdam, ein Abstecher ins dortige Rotlichtviertel und die zufällige Entdeckung einer kleinen, verrauchten Kneipe namens „Rosie’s“, in der Livemusik gespielt wurde – all das hinterließ einen bleibenden Eindruck und verkörperte für Willy Bernhardt die Essenz des Blues. Fügt man dann noch die halb melancholische, halb aufgekratzte Atmosphäre rund um die magische Mitternachtsstunde dazu, dann hat man vor dem geistigen Auge genau die Stimmung, die diese Art Musik hervorbringt.

Ist handgemachter Blues im Zeitalter elektronischer und computergenerierter Musik überhaupt noch zeitgemäß? Genauso gut könnte man fragen, ob Mozart und Beethoven noch Fans haben. Bester Beweis sind die trotz Corona gut besuchten Auftritte der Backnanger Band. Natürlich mussten auch Midnight at Rosie’s in den vergangenen beiden Pandemiejahren Konzerte streichen. Umso größer ist die Freude, dass im April endlich wieder ein Abend in Eddi’s Biker-Residenz in Althütte ansteht.

Ihre musikalischen Gene haben Willy und Udo bereits weitergegeben. Bernhardt ist stolz, dass beide Töchter aktiv Musik leben, die eine im Tanz, die andere studiert Musik.

Und bei Udo steht die nächste Generation sogar schon seit einiger Zeit auf der Bühne: Sohn Peter ist ebenfalls mit dem Bluesvirus infiziert und spielt neben seiner eigenen Formation gerne auch als Duo mit seinem Vater. „Musik ist Geben und Nehmen“, hebt Udo Hauenstein hervor. Ein intensiver Austausch zwischen dem Publikum und den Musikern, aber auch zwischen den Generationen.

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Erstellt:
11. März 2022, 16:00 Uhr

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