150 Jahre Elektrotechnik im Regal
Sammellust (5) Der Großerlacher Heinz Rittinger hat über 3500 Haushaltsgeräte und Elektroinstallationsmaterial zusammengetragen. Die Exponate sind mehr als Nostalgie, sie geben einen Einblick in die Arbeitsweise der Vorfahren.
Von Matthias Nothstein
Großerlach. Die Sammlung Elektrotechnik von Heinz Rittinger umfasst mehr als 3500 Exponate an alten Geräten, Materialien und alten Katalogen und Fachbüchern. Die Bandbreite ist dabei riesengroß, der 78-Jährige listet mit einem Lächeln im Gesicht auf: „Von A wie Anschlussdose bis Z wie Zähler.“ Und dazwischen finden Liebhaber alles, was in irgendeiner Weise mit Strom zu tun hat: Haushaltsgeräte wie Bügeleisen, Haartrockner, Kaffeemaschinen, Kochplatten, Heizöfen, Waschmaschinen, Radios, Staubsauger, Toaster, Waffeleisen oder Plattenspieler, ebenso Elektroinstallationselemente wie Sicherungen, Kabel, Stecker oder Schalter. Alles zu sehen in seinen Ausstellungsräumen in seinem Elektrobetrieb in Großerlach. Die Geschäfte lenkt seit seinem Ruhestand Sohn Bernd. Doch gesammelt wird immer noch.
Das Betriebs- und Ausstellungsgebäude war früher die örtliche Raiffeisenbank
Der ehemalige Obermeister der Elektroinnung Backnang erinnert an die Anfänge seiner Sammlung. Eigentlich begann er erst sehr spät damit, als er nämlich 1996 zum Anlass des 50-jährigen Bestehens der Backnanger Innung eine Ausstellung präsentierte. Damals spürte er, „die Menschen haben Interesse an solchen Objekten“. Zwar hatte er schon davor in alten Kisten Stecker und Schalter gehortet, doch dann ging der Elektriker die Sache erst so richtig an. Da passte es natürlich perfekt, dass Rittinger um die Jahrhundertwende das Gebäude der ehemaligen Raiffeisenbank im Großerlacher Amselweg erwerben konnte. Nun hatte der selbstständige Elektromeister Platz. Das Arbeitsmaterial für seine Firma lagerte er vor allem im Unter- und Obergeschoss. Zudem gab es im ersten Stock Räume etwa für Kurse zur Unfallverhütung. Im Erdgeschoss hingegen war neben den Büroräumen noch etwas Platz für die Exponate. So wurde die einstige Schalterhalle der Bank zum Ausstellungsraum. Und wo einst Wein und Mehl über die Theke der Raiffeisenbank gingen, stehen jetzt die Regale für die Abteilung „Neue Technik“.
Nach den Anfängen befragt nennt der gelernte Elektroinstallateur eine Aussage, die er einst bei einer Lossprechungsfeier gemacht hatte. Damals sagte er: „Wir müssen in unserem Beruf jeden Tag Neues dazulernen. Trotzdem dürfen wir das Alte nicht vergessen. Nicht aus Nostalgiedenken, sondern wir müssen uns in die Arbeitsweise unserer Vorfahren hineindenken können, um Fehler an Maschinen und Anlagen zu finden.“
Daraus entstand die Sammlung Elektrotechnik. Anfangs breitete Rittinger seine Fundstücke nur auf Tischen aus. Bald wurden die Berge immer unübersichtlicher, die Stapel höher, die Exponate waren für die Betrachter nicht sehr aussagekräftig. Rittinger erwarb erste Regale und stellte die Wände voll. Auch mitten im Raum wurden Raumteiler platziert. Heute bewertet er den Fortschritt so: „Was bislang dreistöckig übereinandergebeugt war, liegt jetzt sauber sortiert in den jeweiligen Bereichen.“
Das älteste Stück der Sammlung ist vermutlich ein Messgerät aus dem Jahr 1880. Die verschiedenen Messgeräte stellen nur einen Schwerpunkt der Sammlung dar, aber sie lassen ihren Besitzer ins Schwärmen kommen. Denn die Verarbeitung dieser Gehäuse ist ebenso bemerkenswert wie die Möbelstücke, in denen später Fernseher oder Plattenspieler eingebaut wurden. Allein die dazu verwendeten Hölzer lassen das Herz des Betrachters höher schlagen: edle Kirsche, Wurzelholz, Eiche – nur Harthölzer verwendeten die Hersteller. „Die sehen heute noch so aus wie damals, als sie verkauft wurden“, so Rittingers Einschätzung. Die Hersteller von Geräten der Unterhaltungselektronik hatten allesamt ihre eigene Möbelfertigung im Haus gehabt. Im Vergleich zu damals schimpft Rittinger im gleichen Atemzug über die vielen modernen Produkte, die bei der kleinesten Panne zum Wegwerfartikel werden, weil sie beispielsweise nicht zu öffnen oder nur schwer zu reparieren sind.
Schon früher hat er immer wieder Ausstellungen gezeigt. Etwa auf dem Gelände der EnBW in Heilbronn. Und bei den verschiedensten Gewerbeschauen präsentierte der Elektrospezialist nicht nur neueste Produkte, sondern immer gerne auch „alte Sachen“ zum Staunen und Erinnern. Aktuell hat er eine Vitrine bestückt, die bei der Ausstellung des Heimatvereins Horlachen zu bewundern ist. Das Thema dabei: „110 Jahre Stromversorgung in Horlachen.“
Groß ist der Andrang auf die Privatsammlung nicht, zumal Rittinger wenig wirbt. Der Geheimtipp für Insider wird im Jahr von drei bis zehn Gruppen angesteuert. Die aber beschäftigen sich umso intensiver mit den Exponaten. So berichtet Rittinger zum Beispiel von einem Besucher, der sagte: „Ich konnte danach zwei Nächte nicht schlafen. Mir sind all die Sachen durch den Kopf gegangen, die ich bei Ihnen gesehen habe. So konnte ich mein ganzes Leben nochmals Revue passieren lassen.“
Das geht vermutlich manch einem Besucher so. Denn jeder kennt die Geräte und Maschinen aus der jeweiligen Zeit. So kann man etwa in einem Regal die Entwicklung des Telefons über 100 Jahre nachempfinden. Von den uralten Vorkriegsmodellen bis hin zu den Wählscheibentypen und den Tastenvarianten in allen möglichen Telekom-Farben. Geräte, die man oft tausendmal in der Hand hatte – die Zeit vergeht. Nun stehen sie im Museum.
Kontakt Besichtigungen der Sammlung von Elektrotechnik aus zwei Jahrhunderten im Amselweg 8 in Großerlach sind nach Vereinbarung möglich. Kontakt mit Heinz Rittinger gibt es unter Telefon 07903/2531. Weitere Informationen unter E-Mail: heinz.rittinger@t-online.de oder www.rittinger-elektro.de Serie Unter dem Titel Sammellust stellen wir in dieser Serie Menschen aus der Region vor, die außergewöhnliche Sammlungen haben. Kennen Sie jemanden, der dafür infrage kommt, oder sind Sie selbst leidenschaftlicher Sammler? Dann melden Sie sich per E-Mail an redaktion@bkz.de.Elektrosammlung Heinz Rittinger
Die Elektrosammlung von Heinz Rittinger in Großerlach umfasst mehr als 3500 Exponate - Haushaltsgeräte ebenso wie Installationsmaterial oder Fachbücher