20-Jähriger aus Auenwald pilgert durch Spanien
Tausende Menschen zieht es jedes Jahr zum Pilgern auf den Jakobsweg. Fabian Gutermuth aus Unterbrüden hat sich Anfang August auf den Weg gemacht. Quer durch Spanien wanderte er fast 800 Kilometer nach Santiago de Compostela.
Von Carolin Aichholz
Auenwald/Santiago de Compostela. „Ich bin schon immer gerne gewandert“, antwortet der 20-jährige Fabian Gutermuth auf die Frage, warum er sieben Wochen lang nach Santiago de Compostela gepilgert ist.
Die Stadt zieht seit Jahrhunderten die unterschiedlichsten Reisenden an. Viele suchen nach Gott, nach sich selbst oder – wie in Fabian Gutermuths Fall – hauptsächlich nach Ruhe und Entschleunigung. Er studiert Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Tübingen und als er erfuhr, dass er in den Semesterferien keine Hausarbeiten schreiben muss und tatsächlich frei hat, war das Pilgern beschlossene Sache. „Ich wollte wissen, was das Wandern mit mir macht, aber auch, was es für mich bedeutet, alleine zu sein.“
Ab April bereitete er sich dann auf die Reise vor. „Ich habe zwei Reiseführer gekauft und die Route vorab geplant.“
Dass er es tatsächlich ernst meint, haben seine Freunde erst geglaubt, als er wirklich losgelaufen ist. Seine Familie hat schnell begriffen, dass diese Idee auch umgesetzt wird. „Die waren das gewohnt, ich habe das Fernwandern schon im vergangenen Jahr für mich entdeckt, als ich zu meinen Großeltern nach Fulda gewandert bin.“
Statt wie damals 250 Kilometer lagen nun fast 800 Kilometer vor Fabian Gutermuth. Er hat sich für den klassischen Jakobsweg Camino Francés entschieden, der quer durch den Norden Spaniens nach Santiago de Compostela führt.
Der Start war nicht zu unterschätzen
Anfang August ging es los. Über Paris ist Fabian ins französische Städtchen St. Jean Pied de Port nahe der spanischen Grenze gefahren. Dort kaufte er sich einen Pilgerstock und begann seine Wanderung.
„Die ersten Tage waren die schlimmsten“, erinnert sich Fabian. Nicht nur, weil es jedem „normal“ Trainierten erst mal schwerfällt, täglich zwischen 15 und 35 Kilometer zu wandern. Die erste Etappe des Jakobswegs führte gleich über die Pyrenäen und ist darum äußerst anstrengend und anspruchsvoll. „Vor allem mit 13 Kilo Gepäck im Rucksack“, sagt der 20-Jährige. „Das war schon hart und manchmal fragt man sich auch, warum man sich das überhaupt antut. Aber aufhören kam eigentlich nie in Frage.“
Bald darauf konnte er dann satte, grüne Wiesen mit riesigen Schafherden bewundern, doch auch an eher kargen Landschaften wanderte er vorbei. Und auch die Kultur kam nicht zu kurz, darauf hatte sich der Student ebenfalls sehr gefreut. „In den größeren Städten habe ich immer noch einen Tag pausiert und mir viele Museen und Sehenswürdigkeiten angeschaut.“ Außerdem alte römische Brücken, Ausgrabungsstätten und natürlich die zahlreichen prunkvollen Kirchen, die auf dem Jakobsweg zu finden sind. „Und ich bin über eine 2000 Jahre alte Straße gewandert, die von den Römern gebaut wurde, das ist schon beeindruckend.“
Das Übernachten war das größte Problem, denn die klassischen Pilgerherbergen waren für den Studenten nichts. „Wir waren 50 Leute in einem Schlafraum, da gibt es dann gar keine Privatsphäre und um acht Uhr morgens wirst du rausgeschmissen.“
Oft allein auf weiter Flur
Manchmal hat er trotzdem in diesen Unterkünften übernachtet, doch meistens hat er sich günstige Pensionen gesucht, von denen es den Jakobsweg entlang auch viele gibt. „Da gibts abends auch immer ein Pilgermenü mit Wein zu einem annehmbaren Preis“, erinnert sich Fabian Gutermuth.
Zu Beginn und am Ende der Reise hat er viele andere Pilger kennengelernt, auf der restlichen Strecke war er viel alleine unterwegs. „Vor allem, wenns lange durch eine wüstenartige Landschaft geht, kommt das klassische Pilgergefühl und man ist viel alleine mit sich selbst und seinen Gedanken“, sagt der Student.
Er sei zwar auch gläubiger Christ, habe die Reise jedoch nicht vorrangig darum angetreten. „Man findet schon zu seinem Glauben, aber man findet auch Zeit für sich und einfach diese Entschleunigung.“
Zu seinen Freunden und der Familie hat er den Kontakt gehalten und abends mit ihnen telefoniert. „Ich war schon oft den ganzen Tag alleine unterwegs und habe abends häufig das Bedürfnis gehabt, mit jemandem zu reden“, sagt Fabian Gutermuth.
„Der schönste Moment war dann, als ich zum ersten Mal auf dem Weg von einem Gipfel herab die Spitzen der Kathedrale aus der Ferne gesehen habe. Da wurde mir bewusst, was ich geschafft hatte.“
Auch am Zielort hatte er Glück: Am Tag, als er ankam, wurde sogar das große Weihrauchfass geschwungen, was inzwischen nur noch an hohen Feiertagen getan wird – oder wenn einer der Pilger eine große Spende an die Kirche bezahlt. „Das war an meinem Ankunftstag wohl der Fall.“
Eigentlich wollte Fabian Gutermuth noch das letzte Stück zum westlichsten Punkt an der spanischen Küste weiterwandern, „dann hätte ich sagen können, dass ich Spanien komplett durchwandert bin“, doch nach seiner Ankunft in Santiago wurde er krank und ans Weitergehen war nicht mehr zu denken. „Das war auch einer der wenigen Momente, in denen es ein Problem war, dass ich alleine unterwegs war. Man muss halt schon ein bisschen aufpassen, aber meistens ist man auf dem Weg auch nie ganz allein“, sagt Fabian Gutermuth.
Ein Weg mit wertvollen Begegnungen
Er kann nur jedem zum Pilgern raten, von den letzten 100 Kilometern vor Santiago rät er allerdings ab. Für die gibt es zwar die begehrte Pilgerurkunde, die Strecke ist darum jedoch extrem überlaufen. Fabian Gutermuth hat in den sieben Wochen 71 Stempel in seinem Pilgerheft gesammelt und sich seine Urkunde mehr als verdient.
Viel wichtiger findet er aber das Selbstvertrauen, das ihm die Reise gegeben hat und den Ehrgeiz, den er nun fürs Studium nutzen möchte. „Das war meine eigene Leistung. Man lernt viel, findet viel auf dem Weg und hat sehr wertvolle Begegnungen mit den anderen Pilgern“, sagt er.
Sein Leben habe es zwar nicht verändert, doch Fernwandern verändert jeden ein bisschen, davon ist der 20-Jährige überzeugt. „Und obwohl ich eigentlich meine Ruhe wollte, bin ich so vielen Menschen begegnet wie noch nie zuvor in meinem Leben“, sagt Fabian und lacht. „Man trifft dort Menschen aus ganz verschiedenen Ländern und Religionen und erfährt ihre Geschichten.“
Viele Pilger, die ihm begegnet sind, befanden sich in ihrem Leben in einer Umbruchphase und wussten oft auch gar nicht genau, wonach sie eigentlich suchen.
Eine weitere Fernwanderung ist denkbar
Nach einem kurzen Urlaub mit seinen Eltern in Portugal flog der Student dann wieder zurück in die Heimat. „Ich habe im Flugzeug meinen Standort verfolgt und für die Distanz, die ich in zwei Wochen gelaufen bin, haben wir mit dem Flugzeug nur 20 Minuten gebraucht. Das war krass.“
Eine weitere Fernwanderung kann Fabian Gutermuth sich gut vorstellen. Wo genau es ihn dann hinführt, weiß er allerdings noch nicht. Eine Alpenüberquerung wäre denkbar, die dauert nur wenige Tage. „Und was mich auch fasziniert, wofür ich aber deutlich trainierter sein müsste und arktische Erfahrung bräuchte, ist Grönland.“
Doch diese Pläne haben noch Zeit. „Der Jakobsweg war das Abenteuer meiner Studienzeit“, sagt er. „ Wenn ich dann irgendwann mehr Geld verdiene, kann ich mir Gedanken um weitere Wanderungen machen.“