207-mal Piks
Sammellust (4) Peter Gassen ist Sammler durch und durch. Er sammelt Bilderrahmen, Frühstücksgeschirr, Schraubverschlüsse, Holzmuster und alte Fotofilmdosen – unter anderem. Am meisten hängt er an seiner Reißzweckenkollektion. Sie umfasst aktuell 207 Exemplare.
Von Melanie Maier
Backnang. Das Reihenhaus, in dem Peter Gassen und seine Frau Elke wohnen, könnte auch ein privates Museum sein. Ein Minimuseum voller Dinge, die Gassen im Lauf seines Lebens zusammengesammelt hat. In fast jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken: die Sammlung alter Holzkleiderbügel, an denen im Flur unauffällig die Jacken und Mäntel hängen, die Kollektionen der Weinschraubverschlüsse und alter Fotofilmdosen, denen Gassen je eine Vitrine neben der Tür zum Wohnzimmer gebaut hat; eine innen, eine außen. In einer noch größeren Vitrine ist – wie bei einer Töpferschau – Frühstücksgeschirr ausgestellt. „Besuch, der über Nacht bleibt, darf sich am nächsten Morgen ein Gedeck fürs Frühstück aussuchen“, so der 61-jährige Backnanger, der in der Graphothek der Stadtbibliothek Stuttgart arbeitet. „Das freut immer alle.“
Seine Sammlungen sind damit aber noch längst nicht am Ende. Wer die Treppe in den ersten Stock hinaufgeht, kann an der Wand Fotos, Zeichnungen und Stickereien bestaunen – in Rahmen, die Gassen zum Teil selbst hergestellt hat. Als gelernter Restaurator für Möbel und Holzobjekte kann er das. Im Buchregal stehen Bände der Insel-Bücherei, in einem Karton pressen sich Holzmuster aneinander: Aprikose, Bergbirne, Buchsbaum, Mooreiche. Sie soll einmal die Freundin seines Sohns erhalten.
Es fällt ihm schwer, etwas wegzuwerfen
Seine Überraschungseiersammlung hat er vor Kurzem verkauft. Zwei, drei Kisten für zirka 20 Euro. „Ich kann so was nicht wegschmeißen“, sagt Gassen. Er hofft, dass sich der neue Besitzer an dem Fund erfreut. Das ist ihm viel wichtiger als das Geld, das er dafür bekommen hat. Monetäres Interesse steht nicht hinter seiner Sammellust. „Es gibt ja auch Sammler, bei denen das Dollarzeichen im Auge funkelt. Das ist nicht meins“, sagt er. „Bei mir ist es eher ein zufälliges Finden als ein gezieltes Sammeln.“
Der Anfang der Reißzweckensammlung liegt in der Zeit von Gassens Ausbildung zum Restaurator. Er musste häufig Papier aus Kommoden und Schränken entfernen, das mit Reißzwecken in den Schubladen und auf dem Schrankboden befestigt war. Ende der 1980er- oder Anfang der 1990er-Jahre fielen ihm dabei mehrere Zwecken auf, die einen weiß-roten oder weiß-grünen Plastiküberzug hatten. „Davor kannte ich nur die einfarbig mit Celluloid oder Kunststoff überzogenen Exemplare“, berichtet er. Sein Interesse war geweckt. Von da an schaute er genauer hin, wie er in einem Text zu seiner Sammlung beschreibt, der im Rahmen einer kleinen Ausstellung in der Textilwerkstatt seiner Frau veröffentlicht wurde: „Bald tat sich mir eine unglaubliche Vielfalt auf, allein was die Gestaltung der Nietfläche und der kleinen Blechscheibe anging. Da gab es Sterne, Blüten, Kreise, rund gestauchte oder mit Einkerbungen versehene Nietflächen. Kleinere und größere Exemplare, messingfarbene und silberfarbene, ‚durchdrückbare‘ und ‚undurchdrückbare‘, dünne feine und kräftige dicke Blechscheiben, einteilige und mehrteilige. Es gab Exemplare mit bis zu drei ausgestanzten Spitzen, oder mit geprägten Blechabdeckungen zum Beispiel von Uhu oder Pelikan-Wagner und die Exemplare mit den Kunststoffabdeckungen gab es ja gefühlt in allen Farben.“ Er begann, die eigenen Schachteln und Dosen zu durchstöbern, die Vorräte von Freunden und Verwandten. Auch an Anschlagtafeln, Holzwänden und Scheunentoren entdeckte er neue Zwecken.
Als Junge sammelte er Briefmarken
Bevor er die Diakästen hatte, sammelte Gassen sie an einer mit Papier überzogenen Styroportafel. In eine große, durchsichtige Plastiktüte geschoben, begleitete sie ihn durch die Jahre, überstand auch mehrere Umzüge. Doch erst mit den Diakästen, sagt er, habe das Sammeln so richtig Spaß gemacht. Anfangs klassifizierte er die Reißzwecken mit selbst erfundenen Namen auf Latein oder Französisch. „Rosace à deux“ steht unter einer, in die eine Rosette geprägt ist. Heute macht er das nicht mehr. „Das war nur eine Spielerei“, sagt Gassen.
Inzwischen fängt er aber auch schon an, seine Sammlungen zu hinterfragen. Seine Frau und er haben sich eine Wohnung in dem Mehrgenerationenhaus auf dem Areal des ehemaligen Kreiskrankenhauses in Backnang gekauft. Derzeit wohnt noch eine andere Familie darin, doch in zehn, 15 Jahren möchte das Ehepaar umziehen. Dann wird Gassen nicht mehr so viel Platz für seine Holzmuster, Frühstücksgedecke und Weinschraubverschlüsse haben. „Vielleicht schmeiße ich die irgendwann weg oder verkaufe sie bei Ebay“, sagt er zur letztgenannten Kollektion. Sich von den vielen Dingen zu trennen, würde ihm nicht schwerfallen, meint Peter Gassen. Nur die Reißzweckensammlung, die würde er nicht weggeben wollen. Sie begleitet ihn schon zu lange.
Serie Unter dem Titel Sammellust stellen wir in dieser Serie Menschen aus der Region vor, die außergewöhnliche Sammlungen haben. Kennen Sie jemanden, der dafür infrage kommt, oder sind Sie selbst leidenschaftlicher Sammler? Dann melden Sie sich per E-Mail an redaktion@bkz.de.