40 Flüchtlinge ziehen an den Schillerplatz in Backnang

Der Winnender Denkmalspezialist Fuhrmann verschiebt die Sanierung um zwei Jahre und vermietet das Gebäude zwei Jahre lang an die Stadt Backnang. Die Kosten für die Ertüchtigung der Wohnungen in der Übergangslösung in Höhe von etwas unter 100000 Euro übernimmt die Stadt.

Bislang gab es in dem Gebäude keine Bäder und keine Küchen. Nun wurden mobile Duschen eingebaut und die Küchen aus der Unterkunft Hohenheimer Straße umgezogen. Foto: Alexander Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Bislang gab es in dem Gebäude keine Bäder und keine Küchen. Nun wurden mobile Duschen eingebaut und die Küchen aus der Unterkunft Hohenheimer Straße umgezogen. Foto: Alexander Becher

Von Matthias Nothstein

Backnang. In das Haus Am Schillerplatz 3 in Backnang werden von Mitte dieses Monats an etwa 36 bis 40 Flüchtlinge einziehen. Das gab die Backnanger Verwaltung in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats bekannt. Das Haus sei aufgrund der Anordnung der Räumlichkeiten in besonderem Maße für Familien geeignet, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. Und weiter: „Es werden die Flüchtlinge untergebracht, die uns zugewiesen werden – ganz gleich welchen Herkunftslandes.“

Die Belegung der Unterkunft erfolgt, sobald alle Schönheitsreparaturen und notwendigen Sanierungsarbeiten abgeschlossen sind. Die Betreuung und das Integrationsmanagement werden die Mitarbeiter des Vereins Kinder- und Jugendhilfe übernehmen, die in diesem Bereich über langjährige Erfahrung verfügen.

Das Haus Am Schillerplatz 3 kann auf eine bewegte Geschichte mit etlichen verschiedenen Nutzungen zurückblicken. Zuletzt schien es, als ob etwas Ruhe einkehren würde, schließlich hatte die Winnender Sanierungsfachfirma Fuhrmann Planen& Bauen aus Hertmannsweiler das Gebäude im März vergangenen Jahres gekauft und angekündigt, das denkmalgeschützte Gebäude fachgerecht umbauen und von Grund auf sanieren zu wollen. Prokuristin Lena Fuhrmann, die Tochter des Firmengründers, freute sich vor Jahresfrist darüber, endlich wieder einmal ein Projekt in Backnang realisieren zu dürfen.

Ursprüngliche Planung sah Wohnungen und gewerbliche Nutzung vor

Unklar war damals die konkrete Art der Nutzung. Fest stand nur, dass der Großteil des Gebäudes als Wohnraum genutzt werden soll, aber im Erdgeschoss könnten sich die Planer auch eine gewerbliche Nutzung vorstellen. Und was mit dem riesigen Gewölbekeller passieren soll, stehe noch völlig in den Sternen, so die Fuhrmann-Prokuristin im April 2022.

Und nun? Sind die Pläne hinfällig? Lena Fuhrmann widerspricht: „Unser Ziel ist es unverändert, den Umbau wie geplant zu vollziehen.“ Aber genau in der Phase, in der der Denkmalspezialist sich mit der Planung des Umbaus beschäftigte, wurde die Flüchtlingsproblematik immer brisanter. Und als dann die Stadt Backnang mit der Frage auf Fuhrmann zukam, ob sie das Gebäude mieten könnte, sträubte sich das Unternehmen nicht. Lena Fuhrmann: „Wir erleben derzeit in Europa eine Krise. Wenn wir der Stadt bei der Bewältigung ihrer Unterbringungskrise helfen können, dann tun wir das gerne.“ Dieser Tage wurde der Mietvertrag mit einer Laufzeit von zwei Jahren unterzeichnet. Es gibt eine Option auf Verlängerung, dann aber nur mit beiderseitigem Einverständnis.

Eine wirtschaftliche Lösung

Dass der Zustand des Gebäudes nicht mehr der beste war, das stand vor Jahren schon fest. Und er wurde natürlich nicht besser. Deshalb waren jetzt Sanierungsarbeiten nötig. Seit November arbeiten die Handwerker laut Erstem Bürgermeister Siegfried Janocha an Ertüchtigungen und Schönheitsreparaturen des Gebäudes. Auch ein Elektrocheck wurde vorgenommen. Zudem wurden auf jeder Etage mobile Duschen eingebaut, die es bislang nicht gab. Weil das Haus als Verwaltungsgebäude genutzt wurde, existierten lediglich Toiletten auf den einzelnen Stockwerken. Auch Küchen gab es bislang keine. Diese werden nun von der bisherigen Flüchtlingsunterkunft Hohenheimer Straße übernommen, dort wird das Heim aufgelöst. Für die gesamten Arbeiten belaufen sich die Kosten auf eine Summe unter 100000 Euro, weshalb dieses Vorgehen laut Janocha immer noch wirtschaftlicher ist als die Anmietung oder der Kauf von Containern. Der Erste Bürgermeister verweist auf einen aktuellen Containerkauf für 60 Flüchtlinge, bei denen die Stadt über zwei Millionen Euro investieren muss. Deshalb sei es derzeit eher die Linie der Stadt, Gebäude anzumieten.

Ein Problem stellte in früheren Zeiten auch der Brandschutz dar. Laut Janocha ist diese Hürde ebenfalls gemeistert. Am Samstag habe eine sogenannte Anleiterprobe der Feuerwehr stattgefunden. Dabei sei geübt worden, wie Bewohner im Falle eines Feuers aus den Räumen gerettet werden könnten. Das Ergebnis war zufriedenstellend, lediglich im Dachgeschoss können die Zimmer nicht an Einzelpersonen vermietet werden, sondern nur an eine Familie insgesamt, da nicht alle Räume einzeln „angeleitert“ werden können.

Siegfried Janocha sagte in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats, die Anwohner seien über die neue Nutzung des Hauses informiert worden und es habe keine Einwendungen gegeben. Dies bestätigte auch Fuhrmann, das Informationstreffen sei „unproblematisch“ gewesen. AfD-Stadtrat Steffen Siggi Degler indes berichtete vom Anruf einer Anwohnerin noch am Abend der Versammlung. Und die sei nicht erfreut über die neue Nutzung des Hauses gewesen. Janocha zuckte mit den Schultern und erwiderte: „Dann hat sie aber in der Versammlung nicht gesprochen.“

Einst ein Haus der Vereine

Historie In dem Gebäude war einst etliche Jahre lang das städtische Sozialamt untergebracht. Erst 1997 wurde das Gebäude Am Schillerplatz 3 zum „Haus für Vereine“. Ein Zweck, den das Haus über Jahre hinaus auch erfüllte. Untergebracht waren unter anderem die Lebenshilfe Rems-Murr, die Büros der SPD-Politiker Gernot Gruber (MdL) und des früheren Bundestagsabgeordneten Christian Lange, des VdK-Kreisverbands, des Deutschen Mieterbunds und des städtischen Waldkindergartens. Auch die Backnanger Seniorenwerkstatt hatte dort ihr Zuhause.

Nachnutzung Obwohl die Stadtverwaltung das Haus einst selbst nutzte, lehnte sie es nach dem Auszug der Mieter ab, das denkmalgeschützte Gebäude erneut selbst zu beziehen. Begründung: Der Sanierungsbedarf sei zu groß. EBM Siegfried Janocha deutete noch vor einem Jahr an, dass sich der Investitionsbedarf an einem solch alten Gemäuer „deutlich im Millionenbereich“ bewege. Auf der Agenda stünden das Dach, die Elektrik, die Heizung und die Fenster. Zudem erklärte Janocha damals, die Stadt habe derzeit keinen Bedarf, zumal das Gebäude für ihre Zwecke nicht geeignet sei.

Verkauf Bereits 2016 fasste der Gemeinderat einen Grundsatzbeschluss, das Haus zu verkaufen. Dies erfolgte im März 2022. Den früheren Mietern wurde jedoch schon viel früher gekündigt. Viele zogen schon vor Jahren aus, Teile des Gebäudes standen schon seit über sieben Jahren leer.

Fuhrmann Der Gründer und Geschäftsführer des Ingenieurbüros Fuhrmann Planen&Bauen, Rolf Fuhrmann, hat sich ganz der Sanierung und Modernisierung denkmalgeschützter Immobilien verschrieben. Dazu beschäftigen sich er und seine Mitarbeiter intensiv mit jedem Objekt und analysieren jedes Detail mit höchster Sorgfalt. Ziel ist es, denkmalgerechte Konzepte und Kalkulationen zu erstellen, die dem Gebäude langfristig dienen. Hierdurch wird eine zeitgemäße, neue Nutzung ermöglicht. Bei der Umsetzung achtet das Unternehmen auf historisch stimmige Details, auf ausgeklügelte Modernisierung, auf schadstoffarme Materialien und auf erfahrene Handwerker aus der Region. In Backnang hat das Unternehmen bislang schon das Hotel Alte Vogtei sowie die sogenannte Villa Rutsch in der Bahnhofstraße saniert.

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Erstellt:
7. Februar 2023, 06:00 Uhr

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