Animal Rebellion besetzt Backnanger Schlachthaus Kühnle
Tierschützer der Gruppe „Animal Rebellion“ protestieren erneut gegen die Wiederaufnahme des Betriebs. Weil sie dabei Hausfriedensbruch begehen, leitet die Polizei strafrechtliche Ermittlungen ein. Bis zum Nachmittag besetzen die Aktivisten das Dach, erst über eine Drehleiter der Feuerwehr kann die Polizei diese zum Herabsteigen bewegen.
Backnang. Am Freitagmorgen hat die Gruppe „Animal Rebellion“ zum wiederholten Mal gegen den Schlachtbetrieb Kühnle demonstriert. Gegen 6.30 Uhr kletterten mehrere Aktivisten auf das Dach des Schlachthauses in der Sulzbacher Straße und hissten eine Flagge mit dem Logo der Organisation. Außerdem entrollten sie mehrere Banner mit den Slogans wie zum Beispiel „Schlachthaus bleibt geschlossen“ und „Kein Tier will hier sterben“. Eine Aktivistin kettete sich zudem per Schloss an, andere zündeten Rauchfackeln, auch ein Zelt wurde auf dem Dach aufgebaut. Zeitgleich blockierten weitere Aktivisten mit einer Sitzblockade den Parkplatz der Metzgerei.
Die Demonstration war bei der Versammlungsbehörde nicht angemeldet
Angekündigt war die Demo laut Polizeiangaben nicht. Von der Versammlungsbehörde wurde den Aktivisten eine andere Fläche vor dem Schlachthof für ihre Versammlung zugewiesen. Allerdings weigerten sich die neun auf dem Dach stehenden Personen beharrlich, freiwillig herunterzusteigen und sich zu der neu zugewiesenen Versammlungsfläche zu begeben.
Weil diese damit Hausfriedensbruch begingen und aufgrund der Gefahr, dass das dünne Wellblech des Daches den Belastungen nicht standhält, wurden die Dachbesetzer formal von der Versammlung ausgeschlossen. Polizeibeamte nahmen mit einer Drehleiter der Feuerwehr direkten Kontakt mit den Dachbesetzern auf, diese begaben sich dann im Laufe des Vormittags sukzessive freiwillig vom Dach. Die letzten beiden Personen dort waren gegen 13.15 Uhr über die Drehleiter nach unten gekommen. Die Polizei leitete gegen die Dachbesetzer und auch gegen einzelne Versammlungsteilnehmer strafrechtliche Ermittlungen ein. Ob den Dachbesetzern entstandene Kosten in Rechnung gestellt werden, werde geprüft, teilt die Polizei mit.
Animal Rebellion organisierte mehrere Protestaktionen in Backnang
Die Gruppe organisierte in den vergangenen Wochen mehrere Protestaktionen gegen die geplante Wiedereröffnung des Schlachtbetriebs. Vor etwas über einem Jahr erfolgte die Schließung des Schlachthofs laut Kühnle vorsorglich. Die Geschäftsleitung entschied sich damals dazu, nachdem ihr das ARD-Magazin „Report Mainz“ einen Zusammenschnitt von heimlichen Videoaufnahmen aus dem Schlachtbetrieb präsentiert hatte. Dem Betrieb wurde vorgeworfen, dass es Unregelmäßigkeiten beim Zutrieb und bei der Schlachtung von Rindern und Schweinen gegeben haben soll. Das Institut BSI Schwarzenbek hatte der Metzgerei später attestiert, dass „die Schlachtung der Tiere fachlich korrekt erfolgt“ ist. Trotzdem hatte sich das Unternehmen für eine Modernisierung der Betriebsabläufe und unter anderem Umbauten am sogenannten Wartestall entschieden.
Nentwich meint, man müsse „die kleinen, regionalen Schlachthöfe, die es gibt, unterstützen und zeitgemäß fortentwickeln.“
Der ernährungspolitische Sprecher der Grünen Landtagsfraktion, Ralf Nentwich, äußerte sich heute positiv zur Wiederaufnahme des Schlachtbetriebs in Backnang und betonte die Bedeutung regionaler Schlachthöfe für die Landwirtschaft und die regionale Wertschöpfungskette Fleisch. Nentwich betont, dass der Fall Kühnle grundsätzlich nicht mit anderen Großskandalen vergleichbar sei und die Firma Kühnle ein traditioneller Familienbetrieb in der Region sei, der aus seinen Fehlern gelernt habe. In Bezug auf die Widerstände von Tierschutzorganisationen argumentiert Nentwich, dass regionale Schlachthöfe wie dieser für die Landwirte in der Region und die kurzen Transportwege bei der Schlachtung von großer Bedeutung seien, „um Tierleid zu minimieren.“, so Nentwich. „Wir brauchen Tierhaltung in einem gesunden und sinnvollen Maß, da muss ich den Demonstranten leider widersprechen.“ Er sieht die Probleme bei Kühnle als Chance: „Der Rems-Murr-Kreis hat das Potenzial, sich künftig als innovatives Zentrum für die bio-regionale Schlachtung unter Berücksichtigung hoher tierethischer Standards zu etablieren. Die Firma Kühnle könnte hierbei eine bedeutende Rolle bei der Lösung spielen.“ Nentwich betont dabei die Notwendigkeit, kleine, regionale Schlachthöfe zu unterstützen und zeitgemäß fortzuentwickeln. „Unabhängig davon, ob man Fleisch gut findet oder nicht – die Zahl der Schlachthöfe hat deutlich abgenommen, was zu längeren Transportwegen bis ins Ausland geführt hat. Dem müssen wir entgegenwirken und insbesondere die kleinen, regionalen Schlachthöfe, die es gibt, unterstützen und zeitgemäß fortentwickeln.“ dob