Auf den Spuren der böhmischen Backnanger
Bei der 237. Ausgabe des Backnanger Altstadtstammtischs geht es um Heimatvertriebene aus Böhmen und einen „Sudetenschatz“.
Von Klaus J. Loderer
Backnang. Die Herkunft einer besonderen Bevölkerungsgruppe stand beim 237. Altstadtstammtisch am Montag im Backnanger Helferhaus im Zentrum: die der böhmischen Backnangerinnen und Backnanger. Zu Beginn des Abends begrüßte Horst Schildknecht die Gäste im Namen des Heimat- und Kunstvereins mit einem besonderen Schmankerl, nämlich mit einer durch sogenannte künstliche Intelligenz (KI) verfassten Rede.
Mit einem Rückblick auf die eigene Familie ging die Referentin Renate von Babka ihren Vortrag an. Ihre Familie stammt aus Peterswald in Böhmen. Heute heißt der Ort Petrovice und liegt in Tschechien. Etwas weiter östlich befindet sich Žibřidice, das früher Seifersdorf hieß – der Geburtsort des Künstlers Oskar Kreibich, der als Heimatvertriebener 1946 nach Backnang kam und in der Stadt vor allem für seine Skulpturen im öffentlichen Raum bekannt ist. Beide Orte liegen in Nordböhmen, nicht weit von der Grenze zu Sachsen entfernt.
Ihre Eltern wurden vertrieben
Renate von Babka gab einen kursorischen Überblick zur Geschichte der Region, die nach dem Ersten Weltkrieg zur neu gegründeten Tschechoslowakei kam. Drei Millionen Sudetendeutsche mussten nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der sogenannten Beneš-Dekrete ihre Heimat verlassen. „So wie es den Sudetendeutschen damals erging, so ergeht es heute vielen anderen Menschen“, stellte die Referentin einen Bezug zur Gegenwart her.
Ihre Eltern wurden über die nahe gelegene Grenze in die sowjetische Besatzungszone vertrieben. Dort wollten sie jedoch auf keinen Fall bleiben. Ihrem Vater, der Elektriker war, gelang es, einen Weg in den Westen zu finden. So kamen die Eltern nach Backnang. Nach Backnang kamen damals allein aus dem Sudetenland mehr als 4000 deutsche Heimatvertriebene. Die Heimatvertriebenen fanden nach der Ankunft im Durchgangslager in den Lederwerken zum Beispiel im Lager auf der Maubacher Höhe eine erste Unterkunft.
Renate von Babka erzählte von ihrer Mutter, die ihr immer wieder das Haus gezeigt hat, in dem sie einquartiert waren, bis sie es schließlich in der Plattenwaldsiedlung zum eigenen Haus brachten. Für die Unterbringung der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen im Landkreis Backnang war Karl Krauter zuständig. Einen Bericht von ihm zitierte die Vortragende ausführlich. Darin betonte er, wie wichtig es ist, sich um die entwurzelten Menschen zu kümmern. Peter Wolf hatte zur Illustration einige historische Bilder zusammengestellt.
Mit einem Detail leitete Renate von Babka zum zweiten Vortrag über. Die Heimatvertriebenen rechneten damals mit einer baldigen Rückkehr und vergruben oder versteckten wertvolle Dinge. Von einem solchen „Sudetenschatz“ berichtete Klaus-Dieter Rosenkranz aus Neckartenzlingen. Er hatte Nordböhmen kennengelernt, als er nach Spuren seiner Familie suchte. Der ganz knapp an der Grenze gelegene Heimatort der Familie war allerdings in den 1950er-Jahren abgerissen worden. So konnte er von Streckenwald (Větrov) nur noch wenige Reste finden. Das 1869 erbaute Haus der Familie existierte nicht mehr. Aber er fand ein religiöses Denkmal von 1877, das er 2012/2013 restaurieren ließ.
Eine Schatzsuche wie im Krimi
Durch einen Zeitungsbericht wurde ein anderer Sudetendeutscher auf ihn aufmerksam, nämlich Rudi Schlattner in Nürtingen. Der erzählte ihm von einem geheimen Raum in seinem Elternhaus in Königswald (Liboucec). Dort sollte ein von seinem Bruder gebasteltes Schiffsmodell verborgen sein, das er gerne wiederhaben wollte. Rosenkranz nahm Kontakte in den Ort auf und auch Renate von Babka konnte vermitteln.
Die Familie Schlattner war durch den Handel mit Knöpfen zu Wohlstand gekommen. Davon zeugte die 1928 erbaute Villa. Inzwischen ist darin ein Kindergarten untergebracht. Der versteckte Raum wurde aber noch nicht einmal bei der Sanierung des Hauses entdeckt. Zu gut war er damals verborgen worden. Wie Rudi Schlattner im Dachboden des Hauses den geheimen Raum öffnete und man dort eine Vielzahl von Dingen fand, davon berichtete sogar das tschechische Fernsehen. Der „Sudetenschatz“ ist heute im Museum in Aussig (Ústí nad Labem) ausgestellt.