Aufbruch in eine neue Täles-Identität
50 Jahre Gemeindereform: Es war eine Zeit der großen Aufbrüche im Täle. Mit ihrer Unterschrift unter den Fusionsvertrag hoben die Bürgermeister Egon Halter und Wilhelm Schadt die Gemeinde Weissach im Tal aus der Taufe.
Von Armin Fechter
Weissach im Tal. Von einer Gemeindereform in großem Stil, von Zusammenschlüssen oder Eingemeindungen war noch gar nicht die Rede, da bahnten sich im Weissacher Tal neue Formen der Kooperation an: Die Gemeinden, die wie ein großer Flickenteppich übers Täle bis hinauf in den Schwäbischen Wald verstreut lagen, taten sich zur gemeinsamen Aufgabenbewältigung zusammen. Eine sichere Wasserversorgung und eine geordnete, sprich: umweltverträgliche Abwasserentsorgung sollten im interkommunalen Zusammenwirken geschaffen werden.
Noch ein Anliegen wollten alle zwölf Kommunen gemeinsam angehen: den Bau einer neuen Schule, des Bildungszentrums, im Seegut bei Cottenweiler. Die Lernstätte – finanziell ein Kraftakt – sollte mit den Jahren eine besondere Bedeutung bekommen. Bevor jedoch das Bize 1975 seinen Betrieb aufnehmen konnte, erhitzte die vom Land angestoßene Kommunalreform die Gemüter. Für das Weissacher Tal favorisierte Stuttgart einen Zusammenschluss aller bisher selbstständigen Gemeinden. Dabei wäre Unterweissach, das zwar noch immer dörflichen Charakter hatte, aber seit alters her und auch aufgrund seiner Größe eine hervorgehobene Position einnahm, eine führende Rolle zugefallen. Heute hätte eine solche Gesamtgemeinde an die 25000 Einwohner und wäre damit längst eine Große Kreisstadt.
Immer neue Vorschläge und Ideen
Doch es sollte anders kommen. Die Interessen der einzelnen Gemeinden gingen – anders als beim konkreten Projekt Schule – zu weit auseinander. Darüber hinaus sorgten immer neue Vorschläge und Ideen ebenso wie die Ausdehnungswünsche Backnangs oder die Vorstellungen im Landratsamt für Verwirrung, Unruhe und Ablehnung. Die Bürgermeister Egon Halter in Unterweissach und Cottenweiler und Wilhelm Schadt in Oberweissach und Bruch arbeiteten daher 1971 letztlich auf eine Lösung hin, die sich auf das Weissachtal im engeren Sinn erstreckte.
Dabei musste sich Schadt insbesondere gegen den Plan des Landratsamts wehren, Oberweissach und Bruch nach Lippoldsweiler zu geben. Er favorisierte stattdessen zunächst ein Zusammengehen seiner beiden Gemeinden. Auch sein Kollege Halter bereitete als ersten Schritt auf dem Weg zu einer großen Lösung den Zusammenschluss von Unterweissach und Cottenweiler vor, nachdem andere Varianten als nicht rasch realisierbar erschienen. Ausnahme: ein Viererbündnis mit Schadts Gemeinden.
Ende April 1971 trafen sich schließlich die Gemeinderäte aus allen vier Gemeinden, um die Fusionsvereinbarung zu diskutieren. Die Sonderzuschüsse des Landes für den freiwilligen Zusammenschluss in Höhe von insgesamt 1,7 Millionen Mark netto sollten demnach allen Ortsteilen zugutekommen: 470000 Mark sollten in Cottenweiler, 480000 Mark in Oberweissach und 250000 Mark in Bruch investiert werden. Außerdem sollte für den Gemeinderat die unechte Teilortswahl eingeführt werden, die jedem Teilort eine feste Zahl an Mandaten sicherte: Von den 18 Sitzen sollten acht auf Unterweissach, vier auf Oberweissach und jeweils drei auf Bruch und Cottenweiler entfallen.
Die Gemeinderäte von Oberweissach und Bruch stellten auch Listen mit jeweils an die 30 Punkten von noch nicht fertiggestellten oder noch zu erledigenden Aufgaben auf. Unklar war aber lange, wie die neue Gemeinde heißen sollte. Außer Weissach im Tal stand auch schlicht Weissachtal zur Debatte. Die Entscheidung fiel nach einer Stellungnahme des Regierungspräsidiums Nordwürttemberg. Dieses lehnte die Benennung Weissachtal ab, weil dies eher eine Landschaftsbezeichnung sei als ein Gemeindename.
Klare Mehrheiten für die Fusion
Die Anhörung der Bürgerschaft ergab in Bruch, Cottenweiler und Unterweissach klare Mehrheiten von bis zu 93 Prozent für die Fusion, nur in Oberweissach obsiegten die Widersacher knapp mit 157 zu 149 Stimmen. Viele hatten dort Sorge um die örtliche Schule. Doch nun war der Weg für die Unterschrift unter die Fusionsvereinbarung frei, die am 15. Juni 1971 erfolgte. Zum 1. Juli desselben Jahres trat der Zusammenschluss, ziemlich reibungslos, in Kraft – Weissach im Tal war geboren.
Rüdiger Frey, der aus dem Hohenlohichen stammt und ab 1965 in Oppenweiler lebte, wo sein Vater Schulleiter geworden war, hat die Reform im Täle aus der Nachbarschaft beobachtet. 1966 hatte er eine Ausbildung bei der damaligen Bürgermeisterei Heiningen/Maubach/Waldrems begonnen und dort die Kämpfe um die Reform direkt erlebt. 1974 wurde er Hauptamtsleiter im noch jungen Weissach im Tal. Noch heute findet er bemerkenswert, dass kein Ortsteildenken herrschte. In den Sitzungen sei zwar mitunter hitzig debattiert worden, erzählt der 72-Jährige, aber da sei’s eher um politische Fragen gegangen und nicht um Gegensätze zwischen den ehemaligen Gemeinden. Es sei vielmehr gewesen, „wie wenn es Weissach schon ewig gäbe“. Damals gab es ja auch nur eine Liste – die UBL – und keine Konkurrenz, „jede Sitzung hat in der Wirtschaft aufgehört“. Und für die Einwohnerschaft wurde in den Teilorten weiterhin Rathausservice mit häufiger Bürgermeisterpräsenz angeboten.