Backnanger Banken gehen auf Kunden zu

Verbraucherzentrale kritisiert Volksbank Stuttgart, weil sie die Zustimmung zum Kontomodell nicht aktiv einholt. Kunden, die ihr Konto nutzen, stimmen automatisch zu. Die Volksbank Backnang sowie die Kreissparkasse Waiblingen bitten dagegen jeden einzelnen Kunden um Zustimmung.

Automatische Zustimmung zum neuen Kontomodell, nur weil jemand sein Konto nutzt, beispielsweise Geld abhebt, das gibt es bei der Volksbank Backnang nicht. Symbolfoto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Automatische Zustimmung zum neuen Kontomodell, nur weil jemand sein Konto nutzt, beispielsweise Geld abhebt, das gibt es bei der Volksbank Backnang nicht. Symbolfoto: J. Fiedler

Von Florian Muhl

Rems-Murr. Zahlreiche Kunden der Volksbank Stuttgart sind offensichtlich mit den Geschäftsgebaren ihres Geldinstituts unzufrieden. Die Beschwerden von Kunden über die Einführung des neuen Hausbankmodells der Volksbank Stuttgart, die sich deswegen an die Waiblinger Kreiszeitung wandten und noch immer wenden, reißen nicht ab. Demnach stimmt derjenige, der in der Zeit zwischen dem 28. September und dem 9. November aktiv eine Kontobewegung vollführt, dem neuen Kontomodell automatisch zu. Zudem muss man auf Erstattungsansprüche aus den Vorjahren verzichten, die der Bundesgerichtshof Bankkunden eigentlich zugesprochen hat. Wer widerspricht, dem droht die Kontokündigung.

Hintergrund: Der Bundesgerichtshof hatte im April 2021 das Verfahren, das Kreditinstitute seit Jahrzehnten für Preiserhöhungen und andere Änderungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen anwenden, für unwirksam erklärt. Damit können Kunden Mehrkosten, die durch Gebührenerhöhungen in der Vergangenheit entstanden sind, zurückfordern.

„Die Rechtsauffassung, die nicht nur die Volksbank Stuttgart, sondern auch einige andere Volksbanken vertreten, wonach eine Fortsetzung des Girokontovertrages zu geänderten Konditionen auch vereinbart wird, wenn die Kunden weiterhin ihr Konto nutzen, teilen wir nicht“, sagt Niels Nauhauser, Abteilungsleiter der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, zuständig für die Themen Altersvorsorge, Banken und Kredite. „Die Kunden haben mit ihrer Bank nicht vereinbart, dass und unter welchen Umständen Schweigen als Zustimmung zu Vertragsänderungen gelten soll.“

Jeder Kunde der Volksbank Backnang soll seine Willenserklärung aktiv abgeben

„Wir haben eine etwas andere Vorgehensweise. Wir haben alle unsere Kunden angeschrieben“, sagt Jürgen Beerkircher bei einem Gespräch mit unserer Zeitung. „Unser Maßstab war, jeden Kunden anzusprechen und von jedem Kunden eine Willenserklärung zu erhalten, sei es übers Internet oder telefonisch oder persönlich“, so der Vorstandsvorsitzende der Volksbank Backnang weiter. Im August und September hat die Bank demnach ihre rund 26000 Kunden, die ein Lohn- und Gehaltskonto, also ein Girokonto dort haben, angeschrieben. Mit Stolz berichtet Beerkircher: „Für uns ist es schon mal ganz positiv, dass wir mittlerweile 81 Prozent unserer Mitglieder und Kunden erreicht haben, und die haben auch aktiv zugestimmt, egal ob sie im Internet ein Häkchen gesetzt haben oder ob sie angerufen oder in der Filiale gesagt haben, sie stimmen zu.“ Der Volksbankchef wertet das als „starken Zustimmungsbeweis“.

Beerkircher sagt, dass die Volksbank Backnang entsprechend des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) vorgegangen ist und er betont, dass sein Haus sich in der Vergangenheit auch nicht unrechtmäßig verhalten hat. Der Vorstandsvorsitzende weist auch noch einmal darauf hin, dass es bei dem besagten Urteil nicht um höhere Preise ging, die seien laut Gericht in Ordnung, sondern es sei nur um den Preisanpassungsmechanismus gegangen. Beerkircher sieht die Sachlage wie folgt: „Wir haben hier eine Situation, wo der Gesetzgeber über lange Jahre, seit etwa 1997, Rechtsgrundlagen geschaffen hat oder auch Vorgehensweisen akzeptiert waren – auch von der Rechtsprechung –, die jetzt nach langen Jahren durch ein BGH-Urteil gekippt werden.“

Unbefriedigend sei aus seiner Sicht auch, dass die bislang akzeptierten Arbeitsweisen auch rückwirkend gekippt worden seien. Immer wieder beobachte er in jüngster Zeit im Wirtschaftsleben, dass es keine ausreichenden gesetzlichen Grundlagen gebe und dass dann nicht der Gesetzgeber neue Gesetze erlassen würde, sondern Richter entscheiden würden. Dieser Sachverhalt sei für einen Standort wie Deutschland unbefriedigend. Letztmals hat die Volksbank Backnang ihre Preise im Oktober vergangenen Jahres erhöht. Die 81 Prozent der Kunden, die sich zustimmend gemeldet haben, hätten damit auch diese Erhöhung akzeptiert. „Es haben im Augenblick nur 260 Kunden Rückforderungsansprüche gestellt, von 26000, und nur 16 haben unseren Preisen widersprochen.“ Das heißt, 260 Leute sagen, sie wollen die Gebühren, die „zu viel gezahlt worden seien“, zurück. Das seien im Schnitt 30 bis 40 Euro. Die Volksbank Backnang stellt sich in dieser Sache nicht quer und erstattet die Beträge.

„Nur 16 haben widersprochen, wollen die Rückerstattung und wollen auch keine höheren Preise zahlen“, sagt Beerkircher. „Bei denen wissen wir noch nicht, wie wir mit ihnen umgehen. Wir können Kontokündigungen generell nicht ausschließen. Aber das wäre für uns als Genossenschaftsbank das letzte Mittel.“ Jeder müsse verstehen, dass die Volksbank keine zwei unterschiedlichen Kontomodelle nebeneinander führen wolle. „Wir werden natürlich mit jedem Kunden, der eine aktive Geschäftsverbindung mit uns hat, auch versuchen, eine Vereinbarung hinzubekommen.“

Beerkircher macht aber auch keinen Hehl daraus, dass aus seiner Sicht „die Praxis der Volksbank Stuttgart rechtskonform ist“. Es sei sinnvoll, dem Kunden zu sagen: Wenn du dein Konto nutzt, mit bestimmten Bewegungen oder Aktivitäten, dass du auch dann stillschweigend dem Kontomodell zustimmst. „Aber wir werden auf jeden Fall auch diese Kunden, die sich vielleicht aus Bequemlichkeit bisher noch nicht gemeldet oder das Anschreiben einfach auf die Seite gelegt haben, individuell bis zum Jahresende ansprechen“, kündigt der Volksbankchef an. Diese Zeit sei vorhanden, auch wenn die Aktion viel Geld koste, weil auch Mitarbeiter zeitlich durch Telefongespräche gebunden seien und in der Zeit keine anderen Aktivitäten wie Beratungsgespräche leisten könnten. „Wir werden sicherstellen, dass wir für die Zukunft eine breit aufgestellte Kundenbasis haben, die auch künftigen rechtlichen Anforderungen genüge tut.“

Auch die Kreissparkasse Waiblingen fordert jeden Kunden auf, zuzustimmen

„Eine faire und rechtskonforme Kundenbeziehung ist die Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Kreissparkasse Waiblingen. An den bestehenden Kontomodellen wird es im Zusammenhang mit der Anpassung unserer AGB gemäß dem BGH-Urteil keine Veränderung geben“, so der Vorstandsstab der Kreissparkasse Waiblingen auf unsere Anfrage. Es gehe darum, den Status quo durch die neuen rechtlichen Vorgaben, die mit dem BGH-Urteil geschaffen wurden, für die Kunden und das Bankinstitut wieder rechtssicher zu vereinbaren. „Die Kreissparkasse Waiblingen wird daher alle 250000 Kunden auffordern, sowohl dem aktuellen Preis- und Leistungsverzeichnis, als auch den geänderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen aktiv zu zustimmen“, heißt es.

Mit einem „transparenten und fairen Zustimmungsprozess“wolle man auf die Kunden zugehen. „Kann ein Kunde unseren AGB sowie unserem Preis- und Leistungsverzeichnis nicht zustimmen, ist auch für uns die Geschäftsgrundlage nicht mehr gegeben“, teilt der Vorstandsstab weiter mit. In einem internen Prüfverfahren habe die Bank ermittelt, welche Konten und Vorgänge vom BGH-Urteil betroffen seien. „Im Ergebnis gab es Vorgänge, bei denen die Kreissparkasse Waiblingen eine Rückvergütung vorgenommen hat. Ist die Grundlage für eine Preisrückerstattung (...) nicht gegeben, erfolgt eine Ablehnung des Rückforderungsgesuchs durch die Kreissparkasse Waiblingen“, heißt es weiter. Alle bisher anfragenden Kunden seien über das weitere Vorgehen informiert worden. Und abschließend teilt der Vorstand der Kreditinstituts mit: „Da die Kontomodelle der Kreissparkasse für Verbraucher bereits vor 2018 geändert wurden, besteht nur in Einzelfällen ein Erstattungsanspruch.“

Jürgen Beerkircher,
Vorstandsvorsitzender der Volksbank Backnang „Wir werden mit jedem Kunden versuchen, eine Vereinbarung hinzubekommen.“
Backnanger Banken gehen auf Kunden zu

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Erstellt:
14. Oktober 2021, 06:00 Uhr

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