Backnanger Firma Telent macht die Karlsruher Rheinhäfen digital
Das Backnanger Unternehmen errichtet auf dem 300 Hektar großen Gelände ein privates 5-G-Mobilfunknetz. Dadurch werden die Abläufe an dem Logistikknoten schneller und effizienter. Telent setzt darauf, dass auch andere Branchen die Chancen der neuen Technik erkennen.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Private Handynutzer können mittlerweile in den meisten Regionen Deutschlands ein 5-G-Netz nutzen. Der neue Mobilfunkstandard bietet eine deutlich höhere Bandbreite und kürzere Reaktionszeiten als seine Vorgänger, was eine Datenübertragung in Echtzeit ermöglicht. Auch für einen großen Logistikknoten wie die Karlsruher Rheinhäfen bietet diese Technik viele neue Möglichkeiten.
So können zum Beispiel die großen Portalkräne, mit denen die Schiffe be- und entladen werden, von einem zentralen Leitstand aus ferngesteuert werden. Auch die Abläufe im Hafen lassen sich damit digitalisieren, zum Beispiel die Abrechnung der Liegegebühren, welche die Binnenschiffer an den Hafen bezahlen müssen. „Kameras erfassen dann nur noch die Kennzeichen der ein- und ausfahrenden Schiffe und die Gebühren werden automatisch in Rechnung gestellt“, erklärt Jürgen Kugel, Vertriebsmitarbeiter bei Telent in Backnang.
Allerdings können die Hafenbetreiber dafür nicht einfach die öffentlichen 5-G-Netze von Telekom oder Vodafone nutzen. Das wäre mit Blick auf die Datensicherheit zu riskant und auch nicht zuverlässig genug, denn in öffentlichen Netzen schwanken Bandbreite und Geschwindigkeit oft erheblich.
Um die Vorzüge von 5G nutzen zu können, wollen die Karlsruher deshalb ein eigenes Mobilfunknetz aufbauen, das sich nur auf das 300 Hektar große Hafengelände erstreckt und ausschließlich dem Betreiber und den mehr als 100 Unternehmen, die dort ihren Sitz haben, zur Verfügung steht. Die Nutzer bekommen dafür eigene SIM-Karten.
An dieser Stelle kommt Telent ins Spiel: Das Backnanger Unternehmen (siehe Infotext) ist Spezialist für den Aufbau und den Betrieb von Kommunikationsnetzen. Oft geht es dabei um kabelgebundene Kommunikation, etwa über Glasfaser, aber auch mit Funknetzen kennen sich die Backnanger aus. Von den Karlsruher Rheinhäfen haben sie nun zum ersten Mal einen Auftrag zum Aufbau eines privaten 5-G-Netzes erhalten.
„Die Bundesnetzagentur hat bei der Vergabe der Lizenzen extra ein Frequenzspektrum für solche Anwendungen freigehalten“, erklärt Harald Kraft, der bei Telent für die technische Seite zuständig ist. Zusammen mit seinem fünfköpfigen Team ist er gerade dabei, das Projekt umzusetzen.
Das Netz muss dabei so geplant werden, dass es einerseits zuverlässig alle Bereiche des Hafens abdeckt, andererseits aber auch nicht mehr Technik als nötig verbaut wird. „Das ist wie bei einem Hausbau: Sie brauchen einen ‚Architekten‘, der das plant“, erklärt Hendrik Tröger, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Telent. Diese Planung ist jetzt fertig: Für das neue Netz werden insgesamt zwölf sogenannte Basisstationen mit Funkantennen an verschiedenen Gebäuden auf dem Hafengelände installiert. Mit Glasfaserleitungen werden diese mit einem zentralen Server verbunden. Die Hardware produziert Telent nicht selbst, sondern nutzt dafür Technik namhafter Hersteller wie Cisco oder Ericsson.
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Bis Ende Juni soll das sogenannte Campusnetz einsatzbereit sein. Der Hafen investiert dafür eine sechsstellige Summe, bekommt aber auch Fördergelder vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Denn die Digitalisierung schreitet auch in der Logistikbranche immer weiter voran. In den Häfen lassen sich dadurch die Umschlagzeiten reduzieren, was den Transportunternehmen viel Geld spart. Das neue 5-G-Netz biete dem zehntgrößten Binnenhafen Europas deshalb auch einen Wettbewerbsvorteil gegen die internationale Konkurrenz, erklärt Jürgen Kugel.
Schutz vor Hackerangriffen wird immer wichtiger
Doch auch bei Telent in Backnang verspricht man sich einiges von diesem Auftrag. „Wir sehen es auch als Referenzprojekt“, sagt Hendrik Tröger. Denn er geht davon aus, dass in den kommenden Jahren noch weitere Kunden die Vorteile eines eigenen 5-G-Netzes für sich entdecken werden. Denn die neue Technik sei keineswegs nur für Hafenbetreiber interessant. Mögliche Anwendungen sieht Telent auch auf Flughäfen, großen Industriegeländen oder bei Offshore-Windparks, also überall dort, wo auf einem relativ großen Gelände Daten mobil ausgetauscht werden.
Von diesem Kuchen will sich das Backnanger Unternehmen gerne ein möglichst großes Stück abschneiden und sieht sich dafür gut aufgestellt: „Mehr Automatisierung erfordert mehr Kommunikation und das ist unsere Kernkompetenz“, sagt Hendrik Tröger. Auch deshalb freute man sich bei Telent in den vergangenen Jahren über ein stabiles Wachstum.
Die zunehmenden Hackerangriffe aus Russland und anderswo tun dazu ihr Übriges: Viele Firmen wollen ihre Daten und ihre Infrastruktur deshalb noch besser schützen oder werden vom Gesetzgeber sogar dazu verpflichtet. Für Telent ergeben sich dadurch beste Zukunftsaussichten, denn der Bereich Cybersicherheit ist ein weiteres wichtiges Standbein des Unternehmens.
Unternehmen Telent ist ein Nachfolgeunternehmen der ehemaligen ANT Nachrichtentechnik. Das Unternehmen plant und realisiert Digitalisierungslösungen, vor allem für Kunden aus dem Bereich der sogenannten kritischen Infrastruktur. Die Firma kümmert sich auch um Wartung und Betreuung der IT-Infrastruktur ihrer Kunden. Das Servicecenter in Backnang ist sieben Tage pro Woche rund um die Uhr besetzt.
Fakten 2020 wurde die Firma von der insolventen Euromicron Holding an die Zech Group mit Sitz in Bremen verkauft. Telent hat rund 550 Beschäftigte, davon etwa 200 am Stammsitz in Backnang. Weitere größere Standorte hat das Unternehmen im sächsischen Radeberg und in Teltow bei Berlin. Der Umsatz lag im vergangenen Jahr bei rund 120 Millionen Euro.