Backnanger Stadtwerke-Chef: „Wir müssen uns umorientieren“
Energiewende vor der Haustür (2) Der Umstieg von fossilen auf regenerative Energien stellt die Stadtwerke Backnang vor Herausforderungen. Im Interview erklärt Geschäftsführer Thomas Steffen, wie das Unternehmen den Ausstieg aus dem Erdgas meistern will.
Das Geschäftsmodell der Stadtwerke Backnang beruhte in der Vergangenheit größtenteils auf dem Verkauf von Erdgas. Spätestens 2045 soll in Deutschland aber kein Erdgas mehr verbrannt werden. Womit wollen Sie künftig Ihr Geld verdienen?
Wir müssen uns umorientieren. Von der Politik ist das Ziel, bis 2045 auszusteigen, beschlossen worden. Ob man das wirklich so schnell hinbekommt, muss man sehen, aber Erdgas ist auf jeden Fall ein endliches Thema. Deshalb müssen wir uns auf andere Bereiche fokussieren. Da ist einerseits natürlich das Thema Strom und im Speziellen die Stromnetze. Und das zweite große Thema ist Wärme. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden wir massiv damit beschäftigt sein, hier im Stadtgebiet erneuerbare Wärmeprojekte umzusetzen.
Spüren Sie bereits einen Rückgang bei der Nachfrage nach Gas?
Wir haben einerseits Einsparungen in den Zeiten der Energieknappheit erlebt, als ja auch massiv dazu aufgerufen wurde, dass gespart werden soll. Das hat sich jetzt wieder ein bisschen gelegt. Aber wir merken in den vergangenen Jahren auch, dass der Gasverbrauch insgesamt rückläufig ist. Viele Leute haben ihre Gebäude gedämmt oder ihre Heizung erneuert, außerdem ist die Zahl der neuen Gasanschlüsse stark rückläufig. Im Zuge der Energiekrise durch den Ukrainekrieg sind auch einige größere Industriekunden weggefallen, die auf andere Energiequellen umgestellt haben. Im Moment ist es schwierig, abzuschätzen, wie genau sich der Erdgasverbrauch in den nächsten Jahren entwickelt. Es ist lediglich klar, dass sich dieser reduzieren wird.
Das Gasnetz der Stadtwerke ist knapp 230 Kilometer lang und wurde zuletzt noch nach Oppenweiler erweitert. Wird diese Infrastruktur in einigen Jahren wertlos sein?
Das ist eine schwierige Frage. Wir haben unser Netz in den letzten Jahrzehnten natürlich nicht dafür gebaut, dass es in 20 Jahren nicht mehr genutzt wird. Wenn man sich überlegt, wie viele Gasnetze in ganz Deutschland liegen, wäre es ein enormer volkswirtschaftlicher Schaden, wenn man diese von heute auf morgen nicht mehr brauchen würde. Daher sind wir als Netzbetreiber daran interessiert, dass es eine sinnvolle Nachnutzung gibt. Wasserstoff ist da ein Thema, das gerade diskutiert wird. Auch wir beschäftigen uns intensiv damit.
Halten Sie es für realistisch, dass grüner Wasserstoff in absehbarer Zeit zum Heizen eingesetzt wird? Wasserstoff wird als „Champagner der Energiewende“ bezeichnet. Die Nutzung gilt als ineffizient und teuer.
Wir stehen da noch ziemlich am Anfang. Die Projekte, die bisher umgesetzt wurden, sind allesamt stark subventioniert. Aber wir erhoffen uns natürlich, dass es günstiger wird, je mehr diese Technik ausgebaut und weiterentwickelt wird. Ich persönlich gehe zwar nicht davon aus, dass man Wasserstoff flächendeckend nutzen wird, um jedes Gebäude zu beheizen. Aber vor allem in der Industrie und bei Großabnehmern, die viel Energie verbrauchen, kann es eine interessante Alternative sein. Wo dieser Wasserstoff dann herkommt, muss man sehen. Wir sind offen für lokale Projekte, aber klar ist: Der Wasserstoff, den wir hier vor Ort produzieren können, wird niemals reichen, um damit ganz Backnang zu versorgen.
Damit das Gasnetz nutzbar bleibt, muss regelmäßig investiert werden. Lohnt sich das noch angesichts der ungewissen Zukunft?
Als lokaler Versorger müssen wir sicherstellen, dass unsere Kunden, die es immer noch in großer Zahl gibt, sicher mit Gas versorgt werden. Sie sind ja darauf angewiesen und verlassen sich auf uns. Außerdem gelten bei Gasleitungen sehr hohe Sicherheitsstandards. Wir können unser Netz deshalb nicht verkommen lassen. Wenn eine Gasleitung ihre Nutzungsdauer erreicht hat, werden wir sie auch weiterhin austauschen.
Und wie finanzieren Sie das, wenn die Zahl der Gaskunden sinkt?
Das ist tatsächlich ein Problem. Aktuell legen wir die Netzkosten auf unsere 5500 Gaskunden um. Wenn wir nur noch halb so viele Gaskunden hätten, müsste theoretisch jeder das Doppelte zahlen. Hier liegt der Ball bei der Bundesregierung und der Bundesnetzagentur, die hierfür eine sinnvolle Lösung finden müssen.
Große Hoffnungen setzt man auch in Backnang auf den Ausbau von Nahwärmenetzen. Auf der Oberen Walke wird gerade ein neues geplant, das mit Holzhackschnitzeln gespeist werden soll. Wie viel Potenzial sehen Sie in dieser Form der Wärmeversorgung?
Sehr großes Potenzial. Vor allem Gebiete, in denen es einen hohen Bedarf an Wärme auf kleinem Raum gibt, bieten sich für Wärmenetze an, denn es wird wahrscheinlich nicht jeder sein Haus mit einer Wärmepumpe versorgen können. Sinnvoll sind Wärmenetze auch dort, wo man vorhandene Abwärme nutzen kann. Aber auch Großwärmepumpen sind eine Option.
Gibt es außer auf der Oberen Walke noch weitere Gebiete, in denen Sie sich Wärmenetze vorstellen können?
Das nächste Projekt, das wir angehen wollen, ist die Nutzung der Abwärme aus der Biovergärungsanlage und der Kläranlage in Neuschöntal. Die wollen wir, ergänzt um Wärme aus Holzhackschnitzeln oder Pellets, ins Stadtgebiet bringen und auf verschiedene Liegenschaften verteilen. Auch auf dem IBA-Gelände planen wir ein Wärmenetz und sind bereit, wenn dort die Bebauung beginnt.
Sehen Sie Nahwärmenetze auch in bestehenden Wohngebieten als Option?
Ein Wärmenetz ist umso effizienter und wirtschaftlich sinnvoller, je größer die Wärmeabnahme ist. Die Obere Walke ist dafür ein gutes Beispiel, weil dort auf relativ wenig Raum viele Wohnungen entstehen. In einem Wohngebiet mit Ein- und Zweifamilienhäusern wird normalerweise kein Wärmenetz entstehen. Dort ist häufig die Wärmepumpe das Mittel der Wahl.
Wärmepumpen brauchen Strom, gleichzeitig wird auch die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge ausgebaut. Die Stadtwerke haben 2017 das Stromnetz in Backnang von der Syna zurückgekauft. Ist dieses Netz dem steigenden Stromverbrauch gewachsen?
Weitere Themen
Die aktuellen Prognosen gehen davon aus, dass sich der Stromverbrauch in den nächsten zehn Jahren verdoppeln wird. Wir sind deshalb schon seit längerer Zeit dabei, unsere Netze zu ertüchtigen. Dafür haben wir unsere jährlichen Investitionen ins Stromnetz bereits verdoppelt.
Was muss konkret passieren?
Wir müssen die Zahl der Ortsnetzstationen erhöhen. Dort wird der Strom, der in dicken Kabeln durch die Stadt läuft, auf die einzelnen Gebäude verteilt. Aktuell haben wir davon knapp 150 im Stadtgebiet. Bisher reichte das, aber wenn jetzt viele Häuser eine Wärmepumpe und Ladestationen für Elektrofahrzeuge haben, kommt die eine oder andere Station an ihre Leistungsgrenze. Wir brauchen deshalb zusätzliche Stationen und auch die Leitungen selbst werden verstärkt. Dafür investieren wir rund 1,5 Millionen Euro im Jahr.
Die Stadtwerke Backnang wollen sich auch aktiv an der Energiewende beteiligen als einer der Projektpartner beim geplanten Windpark „Hörnle“. Was versprechen Sie sich davon?
Als lokaler Energieversorger sehen wir es als unsere Kernaufgabe, die Energiewende vor Ort voranzutreiben. Deshalb wollen wir natürlich dabei sein, wenn die Region Stuttgart auf Backnanger Gemarkung oder in der näheren Umgebung einen Windpark möglich macht. Das ist auch das Ansinnen der Stadt, bevor ein fremder Investor kommt, auf den man keinen Einfluss hat. Und natürlich wird es für uns auch interessant, wenn wir diese Strommenge später einmal vermarkten können. Wir können unseren Kunden dann Strom verkaufen, der lokal produziert wurde.
Planen Sie darüber hinaus noch weitere Projekte oder Beteiligungen im Bereich regenerativer Energien?
Es gibt hier im Umland noch andere mögliche Standorte für Windenergie. Wenn wir die Möglichkeit haben, werden wir uns auch damit beschäftigen und uns gegebenenfalls daran beteiligen. Ein weiteres interessantes Thema sind Freiflächenfotovoltaikanlagen. Da sind wir schon aktiv in der Planung und auch da wird sich sicher in naher Zukunft etwas ergeben.
Das Gespräch führte Kornelius Fritz.
Unternehmen Die Stadtwerke Backnang sind ein regionaler Versorger mit den Sparten Gas, Wasser, Strom und Wärme. Das Gasnetz erstreckt sich auf die Stadt Backnang sowie die Gemeinden Allmersbach im Tal, Aspach, Auenwald, Kirchberg an der Murr, Oppenweiler und Weissach im Tal. Das Unternehmen gehört zu 51 Prozent der Stadt Backnang und zu 49 Prozent dem Energieversorger EnBW. Es beschäftigt rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Zahlen Die Stadtwerke Backnang hatten im Geschäftsjahr 2022 einen Umsatz von knapp 24 Millionen Euro und eine Bilanzsumme von 77 Millionen. Rund 560000 Euro wurden als Gewinn an die Gesellschafter abgeführt – deutlich weniger als in den Vorjahren, in denen der Gewinn bei rund einer Million Euro lag. Für 2023 liegen noch keine Zahlen vor.