Backnangs Gemeinderat ist offen für längere Deponie-Laufzeit

Der Landkreis will die Deponie Steinbach, die eigentlich 2032 geschlossen werden sollte, bis zum Jahr 2055 weiternutzen. Doch das darf er nur mit Zustimmung der Gemeinderäte von Backnang und Oppenweiler. In Backnang ist wohl kein großer Widerstand zu erwarten.

Der Landkreis möchte das Entsorgungszentrum auf der Deponie Steinbach umbauen und modernisieren. Im Gegenzug soll die Erddeponie erweitert und bis zum Jahr 2055 weiter genutzt werden. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Der Landkreis möchte das Entsorgungszentrum auf der Deponie Steinbach umbauen und modernisieren. Im Gegenzug soll die Erddeponie erweitert und bis zum Jahr 2055 weiter genutzt werden. Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Eine Deponie in der Nachbarschaft – darauf ist niemand scharf. Die Bewohner des Backnanger Stadtteils Steinbach müssen aber schon seit Jahrzehnten damit leben. Immerhin, die Zeiten, als ihnen der Wind den Gestank von faulendem Müll in den Ort wehte, sind vorbei. Mittlerweile werden auf der Deponie nur noch Erdaushub und Bauabfälle gelagert.

Geblieben ist die Verkehrsbelastung durch Laster und Transporter, die durch Steinbach zur Deponie rollen. 2032 sollte damit eigentlich Schluss sein – so steht es zumindest in einem Vertrag zwischen dem Rems-Murr-Kreis, der Stadt Backnang und der Gemeinde Oppenweiler aus dem Jahr 1997. Eine Verlängerung der Deponielaufzeit ist deshalb nur mit Zustimmung der betroffenen Gemeinden möglich.

Darauf hofft nun der kreiseigene Betrieb Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWRM), denn die Kapazitäten der Deponie, die bereits in den 1990er-Jahren genehmigt wurden, sind noch nicht ausgeschöpft. Bleiben die angelieferten Erdmengen auf dem heutigen Stand, reiche der Platz noch bis etwa 2055, erklärt Vorstandsmitglied Lutz Bühle. Allerdings müssen dafür erst noch rund acht Hektar Wald abgeholzt werden. Trotzdem hält der AWRM-Technikchef eine Verlängerung der Laufzeit für sinnvoll, weil die Infrastruktur in Steinbach bereits vorhanden ist und die Suche nach einem neuen Deponiestandort sehr langwierig und teuer wäre. Solche Projekte haben erfahrungsgemäß mindestens zehn Jahre Vorlauf.

Landkreis lockt mit einem modernen Entsorgungszentrum

Deshalb machte Lutz Bühle am Donnerstag im Ausschuss für Technik und Umwelt des Backnanger Gemeinderats kräftig Werbung für eine Verlängerung in Steinbach. Schmackhaft machen möchte er diese den Bewohnern von Backnang und Oppenweiler unter anderem mit dem Versprechen, das Entsorgungszentrum auf der Deponie Steinbach und auch den Wertstoffhof in der Theodor-Körner-Straße zu modernisieren. So soll zum Beispiel die Verkehrsführung geändert werden, damit die Abfertigung künftig deutlich schneller geht.

Auch der Komfort wird verbessert: Der Anlieferungsbereich in Steinbach wird überdacht und die Container werden im Boden versenkt, damit man nicht mehr auf Treppen steigen muss, um seine Abfälle loszuwerden. Auch die Öffnungszeiten sollen erweitert werden. Zusätzlich stellt der Landkreis den beiden Kommunen auch noch eine finanzielle Entschädigung in Aussicht. Nach Vorstellung der AWRM könnte dieser „Lastenausgleich“ bei 1,50 Euro pro Tonne Erdaushub liegen.

Abgestimmt wurde über diese Pläne bei der Ausschusssitzung am Donnerstag zwar noch nicht, doch aus den Wortmeldungen wurde deutlich, dass sowohl Oberbürgermeister Maximilian Friedrich als auch eine Mehrheit im Gemeinderat mit einer längeren Laufzeit leben können. „Dies nützt nicht nur dem Landkreis, sondern auch den Menschen im Raum Backnang, in dem eine wohnortnahe, umweltschonende und verlässliche Deponie bereitgestellt wird“, sagte der OB. Wichtig ist Friedrich allerdings, dass in Steinbach auch künftig ausschließlich Erdaushub und Baumaterial aus dem Rems-Murr-Kreis gelagert werden darf. Das sichert die AWRM zu. Eine Zunahme des Verkehrs ist nach Angaben von Lutz Bühle deshalb nicht zu erwarten.

Auch die Vertreter der drei größten Fraktionen können den Wunsch des Landkreises nachvollziehen. „Irgendwo muss der Dreck ja hin“, meinte Rolf Hettich (CDU), eine wohnortnahe Deponie spare Transportkosten und entlaste die Umwelt. Auch Mustafa Gül (Bündnis 90/Die Grünen) und Heinz Franke (SPD) signalisierten Zustimmung. Ablehnend äußerte sich hingegen Karl Scheib (Bürgerforum/FDP). Mit Verweis auf seine Steinbacher Vorfahren sprach der Stadtrat von „Beschiss am laufenden Band“. Schon die Eingemeindung zu Backnang sei gegen den Willen der Steinbacher erfolgt, nun werde erneut ein Versprechen zum Nachteil des Orts gebrochen.

Wald oder Fotovoltaik – was kommt nach der Stilllegung?

Solche Stimmen hört der Steinbacher Ortsvorsteher Andreas Rupp auch in seinem Stadtteil. „Es ist ein schwieriges und emotionales Thema“, sagt er. Allerdings glaubt der CDU-Stadtrat nicht, dass die Mehrheit in Steinbach so denkt. „Wenn man nüchtern darüber nachdenkt, ist eine Verlängerung das Einzige, was Sinn macht“, findet der Ortsvorsteher. Bei einer Ortschaftsratssitzung mit Bürgerfragestunde will er das Thema noch vor den Sommerferien auf die Tagesordnung setzen: „Dann wird alles angesprochen, was die Bürger bewegt“, kündigt Rupp an. Vielleicht lassen sich die Steinbacher ja auch mit einem kleinen Bonbon überzeugen. Der Backnanger Baudezernent Stefan Setzer stellt dem Ortschaftsrat in Aussicht, dass dieser das Geld aus dem Lastenausgleich zur freien Verfügung bekommen könnte. Das wolle die Verwaltung jedenfalls dem Gemeinderat vorschlagen.

Die Mitglieder des Technischen Ausschusses sind gedanklich schon weiter. Sie diskutierten am Donnerstagabend bereits über die Frage, wie die Deponie nach einer endgültigen Stilllegung genutzt werden soll. Eigentlich müssten die ehemaligen Waldflächen dann wieder aufgeforstet werden, alternativ wäre dort laut Lutz Bühle aber auch eine Freiflächenfotovoltaikanlage denkbar. CDU-Stadtrat Gerhard Ketterer brachte noch die Idee eines Naturparks ins Spiel. Diese Entscheidung wird der aktuelle Gemeinderat aber nicht mehr treffen müssen, denn sie steht erst in 30 Jahren an.

Fragen und Antworten Weitere Informationen zum Zukunftskonzept für die Deponie Steinbach findet man online unter https://t1p.de/u30i6. Dort beantwortet die AWRM auch Fragen, die beim Bürgerdialog Ende Mai gestellt wurden.

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Erstellt:
17. Juni 2023, 06:00 Uhr

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