Backnangs Schützen quälen Existenzsorgen

Mit dem Abriss der Brücke beim Wasserturm stehen den Sportschützen und den Gästen der Pizzeria Santa Lucia schwere Zeiten ins Haus. Schützenchef Konrad Zurmühl bezeichnet die geplante provisorische Zufahrt als ungenügend und fordert Ersatz für wegfallende Parkplätze.

Parallel zur B14 soll eine provisorische Zufahrt zum Schützenzentrum entstehen. Und zwar für die Dauer, solange die Brücke über die Bundesstraße neu gebaut wird. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Parallel zur B14 soll eine provisorische Zufahrt zum Schützenzentrum entstehen. Und zwar für die Dauer, solange die Brücke über die Bundesstraße neu gebaut wird. Foto: Alexander Becher

Von Matthias Nothstein

Backnang. In einem Monat könnte es so weit sein, dass dann Bagger die B-14-Brücke neben dem Wasserturm abbrechen, um Platz für einen Neubau über die dann vierstreifige Bundesstraße zu schaffen. Konrad Zurmühl, der Vorsitzende der Backnanger Schützengilde, sieht diesem Datum mit großer Sorge entgegen. Denn als Ersatz für die Brücke ist eine provisorische Zufahrt mit überwiegend drei Metern Breite von der Krähenbachkreuzung aus geplant, die seiner Ansicht nach völlig unzureichend ist. Dazu fallen aufgrund des Brückenneubaus und der breiteren Bundesstraße etwa 60 Stellplätze weg. Zurmühl befürchtet, dass mehrere Meisterschaften auf der Schießsportanlage unter diesen Bedingungen nicht stattfinden können. Aber die Einnahmen aus diesen Veranstaltungen benötigt die Schützengilde dringend, um die Darlehen bedienen zu können, die heute noch aufgrund des Neubaus des Schießsportzentrums den Verein belasten. Schließlich hat die Schützengilde die hochmoderne Anlage vor zehn Jahren fast ausschließlich aus eigenen Mitteln gestemmt. Es gab nur einen kleinen Zuschuss der Stadt und des Württembergischen Landessportbunds.

Schützenverein benötigt Einnahmen dringend für Tilgung des Baukredits

Und die Einnahmen können sich sehen lassen. Denn die Anlage ist heiß begehrt bei den Schützen und Jägern. So richtet der Bund der Militär- und Polizeischützen (BdMP) hier jedes Jahr seine Landesmeisterschaften aus. Und der Bund deutscher Sportschützen (BdS) trägt die Bezirksmeisterschaften in etlichen Disziplinen in Backnang aus. Zurmühl listet auf: Am letzten Februarwochenende war die Anlage an den BdMP für die Landesmeisterschaft für Zielfernrohrgewehre vermietet, an diesem Wochenende für die Meisterschaft in der Kategorie dynamische Kurzwaffen. Und so geht es das ganze Jahr weiter. Vom 18. bis 20. Oktober etwa mit der Autumn Trophy, zu der die Schützen aus ganz Europa beziehungsweise sogar weltweit anreisen.

An solchen Wochenenden rollt der Rubel. Zurmühl rechnet vor: Jede Box wird für 80 Euro pro Stunde vermietet. Bei fünf Boxen und zehn Stunden kommen so 4.000 Euro Mieteinnahmen pro Tag zusammen. Geld, das die Gilde für ihre Bankverpflichtungen dringend benötigt.

Aber ebendiese Geldquelle könnte bald versiegen. Zurmühl klagt: „Die Schützen haben Existenzängste.“ Er befürchtet, dass die Verbände Backnang wegen der unattraktiven Umstände im Außenbereich als Wettkampfstandort meiden könnten, obwohl das Schießsportzentrum im Innern auf 46 Bahnen über 100, 25 oder 10 Meter allerfeinste Möglichkeiten bietet. Doch all das zählt nichts, wenn die Sportler die Wettkampfstätte schlecht anfahren können und keine Parkplätze finden oder nur solche, bei denen sie ihre bis zu 30 Kilogramm schwere Ausrüstung mehrere Hundert Meter tragen müssen. Diese große Entfernung würde beispielsweise bei Nacht zudem auch ein Sicherheitsrisiko darstellen, so Zurmühl.

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Der Schützenchef möchte deshalb, dass seitherige Zusagen der Stadt und des Regierungspräsidiums eingehalten werden. Bei zwei Vor-Ort-Terminen im Jahr 2020 erläuterten die RP-Vertreter, dass die Planung der Brücke im Lauf des Verfahrens überarbeitet wurde. Dabei habe man festgestellt, dass die Behörde für den Brückenneubau und die Böschung mehr Platz benötigt. Entweder müsse eine aufwendige Stützmauer gebaut werden, oder die Schützengilde tritt Gelände ab, das jedoch außerhalb des Planfeststellungsbeschlusses liegt. Die Behörde favorisiert die zweite Variante. Aber: „Damit die Planung in einfacher Weise geändert werden kann, benötigt das Regierungspräsidium die Baufreigabe der zusätzlich betroffenen Eigentümer.“ Heißt: Die Schützen müssen die Erlaubnis erteilen.

Bei beiden Terminen zeigten sich die Schützen kooperationsbereit. Zurmühl erklärte, er würde der Planung unter zwei Bedingungen zustimmen. Erstens: Die Zufahrt müsse sechs Meter breit werden. Zweitens: Die Stadt liefert Parkplatzersatz. Diese Zusagen wurden gegeben. Im Aktenvermerk des zweiten Treffens heißt es unter „Zusage des Regierungspräsidiums“: „Als Erstes wird ein sechs Meter breiter Schotterweg mit Asphaltdecke gebaut.“ Und unter „Zusage der Stadt Backnang“ steht, die Stadt werde den Bebauungsplan soweit anpassen, „dass in diesem Bereich 35 bis 45 Parkplätze von der Stadt angelegt werden können“.

Nicht alle der bisherigen Parkplätze waren genehmigt

In der jüngsten Sitzung des Backnanger Gemeinderats im Technikforum klang dies anders. Erster Bürgermeister Stefan Setzer verwies darauf, dass in dem Gebiet aktuell mehr Stellplätze genutzt würden als genehmigt seien. Er sagte ferner, es sei gelungen, eine landwirtschaftliche Fläche in unmittelbarer Nähe zu erwerben. Diese könne temporär genutzt werden. Zudem gebe es die Möglichkeit, im Industriegebiet Lerchenäcker zu parken. Und er betonte, dass die gastronomische Nutzung ursprünglich untergeordnet sein sollte, „das hat sich gedreht“. Tatsächlich boomt die Pizzeria Santa Lucia seit ihrer Eröffnung. Zurmühl räumt ein, dass die Räume eigentlich als Vereinsgaststätte geplant waren, „aber Santa Lucia hat uns gefunden“. Geplant hatten die Schützen dies nicht. Nun erhöht das Restaurant mit der herrlichen Aussicht und guten Küche auch die Attraktivität des Sportzentrums. Umso wichtiger ist daher die leistungsfähige Zufahrt. Bei einem drei Meter breiten Weg und einer Ampelregelung befürchtet Zurmühl jedoch Chaos und einen Rückstau bis auf den Autobahnzubringer. Zudem prognostiziert er Probleme, wenn es zu einem Notfalleinsatz mit Rettungswagen oder Feuerwehr kommen sollte. Er erinnert daran, dass seine Überlegung abgelehnt wurde, das Vereinsheim und das Restaurant über die Lerchenäcker anzusteuern. Begründung: Die Wege sind nur drei Meter breit. Nun wird ihnen ein genauso schmaler Weg angeboten, bloß von der anderen Seite und dreimal so lang.

Kommentar
Zusage nicht brechen

Von Matthias Nothstein

Für den optimalen Neubau der B-14-Brücke braucht das Regierungspräsidium die Zustimmung der Schützen, da die Behörde wegen eines Berechnungsfehlers eine Fläche benötigt, die außerhalb des Planfeststellungsbeschlusses liegt. Somit haben die Schützen alle Trümpfe in ihrer Hand. Trotz dieser starken Position zeigen sie sich kooperativ und versprechen die Zusage, wenn zwei Forderungen erfüllt werden: eine breite Zufahrt und genügend Parkplätze. Beides wurde vom RP und von der Stadt Backnang vor dreieinhalb Jahren zugesagt. Jetzt, kurz vor dem Brückenabriss, werden die Versprechen gebrochen. Die Zufahrt soll auf der überwiegenden Länge mit drei Metern nur halb so breit werden, wie zugesagt, und für die Parkplätze soll es keine geeigneten und zudem auch zu wenige Alternativen geben. Dass nun die Schützen prüfen, ob sie all ihre Rechtsmittel ausschöpfen, das ist nur allzu verständlich. Damit steht unmittelbar vor dem Start des B-14-Ausbaus in diesem Abschnitt die Gefahr im Raum, dass das Projekt blockiert wird. Das kann in dieser fortgeschrittenen Phase niemand mehr wollen. Andererseits ist aber auch klar: Ein Versprechen darf man nicht brechen.

m.nothstein@bkz.de

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Erstellt:
8. März 2024, 06:00 Uhr

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