Künstliche Intelligenz
Balanceakt bei der Regelung von Künstlicher Intelligenz
Die EU setzt der KI-Anwendung einen gesetzlichen Rahmen. Innovationen dürften aber nicht abgewürgt werden, kommt die Forderung aus Baden-Württemberg.
Von Knut Krohn
Im Grunde sind sich in Politik und Wirtschaft alle einig: der Einsatz der sich rasend schnell entwickelnden Künstlichen Intelligenz muss geregelt werden. Doch bereits bei den grundsätzlichen Fragen, wie weit, wie restriktiv und in welcher Form das geschehen soll, hören die Gemeinsamkeiten abrupt auf. „Das europäische KI-Gesetz darf die Innovationskraft der Unternehmen nicht strangulieren“, betont etwa Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Um sich auch in der EU bei den entscheidenden Stellen Gehör zu verschaffen, präsentierte sie am Donnerstag in Brüssel ein Positionspapier, in dem die Forderungen des Landes in zehn Punkten zusammengefasst sind.
Bürokratische Belastung für den Mittelstand
Der Schwerpunkt in dem Papier liegt auf den Folgen der EU-Gesetzgebung für Start-ups und den in Baden-Württemberg stark vertretenen Mittelstand. „Die kleinen und mittleren Unternehmen sind von den bürokratischen Belastungen besonders betroffen“, sagte Hoffmeister-Kraut und nicht alle hätten eine Rechtsabteilung, um die drohende Flut von Regulierungen zu durchforsten. Sie wünsche sich eine Regelung, die „innovationsfreundlich und praxistauglich“ sei.
Das von der EU beschlossene KI-Gesetz gilt seit dem 1. August und soll schrittweise eingeführt werden. Zugrunde liegt dabei ein sogenannter risikobasierter Ansatz, der sicherstellen soll, dass KI-Systeme keine negativen Folgen für die Sicherheit und Grundrechte der Menschen haben. Das bedeutet, dass die jeweiligen gesetzlichen Auflagen vom Risikopotenzial der Anwendung abhängen sollen.
Risikoreiche Systeme werden verboten
Risikoreiche Systeme, die für die EU nicht akzeptabel sind, sollen demnach komplett verboten werden. Darunter fallen sprechende Spielzeuge, die Kinder zu einem gefährlichen Verhalten verleiten könnten, oder das sogenannte Social Scoring, mit welchem die Kreditwürdigkeit von Personen durch Internetdaten beurteilt werden könnte. Hochrisikosysteme, wie zum Beispiel im Transportwesen, sollen bestimmten Regeln unterliegen. KI-Systeme, die als risikoarm eingestuft werden, sollen keine Auflagen bekommen. Chatbots wie ChatGPT werden von der EU derzeit als begrenzt risikoreich eingeordnet. Damit unterliegen diese KI-Anwendungen einer minimalen Transparenzpflicht, die es den Anwendern ermöglichen soll, selbst zu entscheiden, dieses zu nutzen oder nicht.
David Reger, Chef der Firma Neura Robotics mit Sitz im schwäbischen Metzingen, erklärte bei der Präsentation des Zehn-Punkte-Papiers in Brüssel, dass er wenig halte von zu vielen gesetzlichen Regulierungen. Vor allem im Anfangsstadium der Entwicklung einer neuen Technik würden dadurch Innovation oft verhindert. Sein Unternehmen arbeitet vor allem an der konkreten Umsetzung von KI-Anwendungen in der Industrie. „In diesem Bereich kann Europa eine führende Rolle übernehmen“, ist David Reger überzeugt. Die Politik müsse deshalb Führung übernehmen und klare Ziele definieren, fordert er. Dazu gehört etwa, wie weit Robotik im Gesundheitswesen oder auch in der Produktion eingesetzt werden soll.
Mehr gezielte Förderung für Start-ups
Diesen Ansatz unterstützt auch Sergey Lagodinsky, Mitglied des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments. „Wir müssen von einer regulativen Agenda zu einer positiv unterstützenden Agenda wechseln“, erklärte der Politiker in Brüssel. Damit meint er auch die gezielte Förderung von erfolgsversprechenden KI-Projekten und Start-ups. Das sei in Zeiten des allgemeinen Sparzwangs schwierig, räumte Lagodinsky ein, aber Europa dürfe die Entwicklung dieser Zukunftstechnologie auf keinen Fall verschlafen. Das sei auch eine Frage, sich von Staaten wie USA und China unabhängig zu machen.
Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut betonte, dass der Wettlauf um die Entwicklung und Herstellung von KI-Produkten nicht nur einen zentralen wirtschaftlichen Aspekt habe. Die Anwendungen von Künstlicher Intelligenz würden in Zukunft auch massiven Einfluss auf das soziale Leben und die Demokratie haben, gab sie zu bedenken. Wenn sich Europa nicht durchsetze, „werden Anbieter aus den USA und China in diese Lücke stoßen – und zwar mit KI-Systemen auf Basis ihrer eigenen Wertvorstellungen“, sagte Hoffmeister-Kraut. Vor diesem Hintergrund müssen jetzt alles dafür getan werden, dass sich Europa wegen einer zu strengen KI-Regulierung nicht aus dem internationalen Innovationswettbewerb verabschiede.