Baumhausbesitzer kämpft für Tierparadies
Holzhaus bei Lutzenberg soll nach dem Willen des Baurechtsamts abgerissen werden – Jochen Wahl wehrt sich
Das stattliche Holzhaus in den Baumwipfeln dient vielen Vogelarten als Nist- und Futterstelle. Siebenschläfer halten hier ihren Winterschlaf, und auch Wald- und Fledermäuse nutzen es als Unterschlupf. Doch nach Ansicht der Behörden ist das Gebäude illegal errichtet worden und muss abgerissen werden. Der Erbauer Jochen Wahl sieht das anders und will durch die Instanzen gehen.

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Erbauer Jochen Wahl will für sein Baumhaus kämpfen, zur Not alle Register ziehen und durch alle Instanzen gehen. Foto: A. Becher
Von Annette Hohnerlein
ALTHÜTTE. Amsel, Drossel, Fink und Star, dazu Meisen, Spechte und Eichelhäher: Sie alle sind zu Gast im Baumhaus von Jochen Wahl und lassen es sich dort gut gehen. „Wenn es euch da gefällt, dann kommt doch“, sagt der Tierfreund. Einmal pro Woche klettert er hinauf zu der hölzernen Konstruktion, die er am Ortsrand von Lutzenberg hoch oben in die Baumwipfel gebaut hat. Er füllt Sonnenblumenkerne und Nüsse in die zwölf Futterstellen, die von den Vögeln gut angenommen werden und an denen sich auch gerne mal Eichhörnchen bedienen. „Die Bude ist gerammelt voll“, freut sich Wahl, der für das Tierfutter mehrere Hundert Euro im Monat ausgibt. Aber das ist ihm die Sache wert, die Tiere liegen ihm am Herzen.
Und er gibt ihnen nicht nur zu fressen, sondern hat auch Nistkästen für Vögel und andere Waldbewohner in luftiger Höhe geschaffen. Über die Wintermonate halten Siebenschläfer hier ihren Winterschlaf, auch Mäuse und Fledermäuse hat Jochen Wahl schon beobachtet. Aber jetzt muss er um das Projekt bangen, in das er so viel Zeit, Geld und Arbeit gesteckt hat. Als er das Baumhaus 2014 in monatelanger Arbeit errichtete, war er der Ansicht, es handle sich um ein verfahrensfreies Vorhaben nach Paragraf 50 Absatz 1 der Landesbauordnung. Nachdem ein Unbekannter Anzeige erstattet hatte, wurde Wahl vom Baurechtsamt Backnang angeschrieben und beantragte dort eine nachträgliche Genehmigung.
Im Gemeinderat von Althütte wurden zwar Sicherheitsbedenken geäußert, zudem war Bürgermeister Reinhold Sczuka der Ansicht, das Vorhaben wäre sehr wohl genehmigungspflichtig gewesen. Bürgermeister und Gemeinderat waren sich aber einig: Wenn die zuständigen Behörden grünes Licht geben, wollen sie dem Projekt nicht im Wege stehen.
Mit Bescheid vom 10. April 2017 lehnte die Stadt Backnang den nachträglichen Bauantrag jedoch ab und ordnete die vollständige Beseitigung des Baumhauses an. „Der Außenbereich soll grundsätzlich frei gehalten werden, so sieht es das Gesetz vor. Ausnahmen gibt es nur für land- und forstwirtschaftlich genutzte Gebäude. Das Baumhaus wurde aber von uns als Gebäude zur Freizeitnutzung eingestuft“, teilt Helmut Wagner, der Leiter des Backnanger Baurechtsamts, auf Anfrage mit.
Jochen Wahl legte beim Regierungspräsidium Stuttgart Widerspruch ein, der im Juni 2018 mit folgender Begründung zurückgewiesen wurde: Das Baumhaus stelle eine „wesensfremde Bebauung“ dar und beeinträchtige dadurch „die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert“.
Deshalb sei es unzulässig. Außerdem haben das Amt für Umweltschutz und das Forstamt beim Landratsamt eine Stellungnahme abgegeben. Darin werden Bedenken gegen das Bauwerk geäußert, da es in einem Waldbiotop, in einem FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat) und in einem Landschaftsschutzgebiet liegt. Es ist von einer Nutzungsänderung des Waldes und einem beeinträchtigten Naturgenuss die Rede.
Um zu verhindern, dass Unbefugte in das Baumhaus klettern, sich in Gefahr bringen und die Tiere stören, hat Wahl ein Schild aufgestellt, das das Hochsteigen verbietet und darauf hinweist, dass die Anlage videoüberwacht ist.
Dabei ist es gar nicht so einfach, sich über die Seilzüge in die Höhe zu ziehen. „Man muss wissen, wie das funktioniert. Eigentlich kommt man nicht rein“, sagt der Besitzer. „Manchmal probieren es ein paar Jungs, aber die geben schnell wieder auf.“ An kritischen Tagen wie Silvester, am 1. Mai oder Halloween schiebt er Wache auf seinem Baumhaus, um zu verhindern, dass es durch eine Silvesterrakete oder einen dummen Streich beschädigt wird.
Inzwischen hat Jochen Wahl beim Verwaltungsgericht in Stuttgart gegen den Bescheid des Backnanger Baurechtsamts geklagt. Für die Argumentation der Behörden hat er kein Verständnis. „Die sollen das durchwinken und fertig“, findet er, „es geht doch nicht um mich, es geht um die Vögel und Siebenschläfer.“
Er will sich sein Herzensprojekt nicht so einfach nehmen lassen und ist zur Not bereit, den Weg durch die Instanzen zu gehen. „Da bleib ich dran, ich werde alle Rechtsmittel einlegen. Zur Not gehe ich bis zum Papst.“