Essen und Trinken

Ernährungsreport: Es darf "auch etwas weniger süß schmecken"

Bei Lebensmitteln werden den Konsumenten Tierwohl, Regionalität und das EU-Bio-Siegel wichtiger, so das Bundeslandwirtschaftsministerium. Der Minister warnt vor zunehmend aggressiven Debatten.

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir stellt den Ernährungsreport 2024 vor.

© Kay Nietfeld/dpa

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir stellt den Ernährungsreport 2024 vor.

Von Von Carsten Hoffmann und Christian Rothenberg, dpa

Berlin - Die Konsumenten in Deutschland wollen bei Lebensmitteln weniger Zucker und mehr Transparenz über Inhaltsstoffe und Herstellung - vor allem aber guten Geschmack. Dabei achten Käufer nach Darstellung des Bundeslandwirtschaftsministeriums stärker als in früheren Jahren auf Tierwohl, Regionalität und das EU-Bio-Siegel. Das ist das Ergebnis des neuen Ernährungsreports "Deutschland, wie es isst", den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir jüngst in Berlin vorstellte.

Der Grünen-Politiker warnte vor kulturkämpferischen Debatten und einem zunehmend aggressiven Ton im Streit ums Essen. "Der größte wachsende Bereich ist nicht vegetarisch-vegan, sondern das sind die sogenannten Flexitarier, die einfach entweder temporär Vegetarier sind oder sagen, ich reduziere meinen Fleischkonsum und esse bewusst Fleisch und achte dann vielleicht im Idealfall auch darauf, wo das Fleisch herkommt", sagte Özdemir. "Und das ist ein riesiger Markt."

Beim Zucker wünschen sich nur sechs Prozent keine Veränderung

Bei vielen Lebensmitteln darf es laut Report, der seit 2015 jährlich erscheint, "auch etwas weniger süß schmecken": Mehr als vier Fünftel der Befragten (85 Prozent) befürworten demnach, wenn Fertiglebensmitteln weniger Zucker zugesetzt wird. Für sieben Prozent sollte die fehlende Süße durch Süßungsmittel – die fast oder ganz kalorienfrei sind – ausgeglichen werden. Sechs Prozent wünschen keine Veränderungen.

"Wir wissen, dass zum Beispiel Softdrinks der exakt selben Marke in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Rezepturen und Zuckeranteile haben und die verkaufen dort nicht schlechter", sagte Özdemir. "Ich glaube jetzt nicht, dass die Geschmacksnerven der Bundesbürger ganz anders sind, beispielsweise wie die in Großbritannien."

Özdemir: Bürger brauchen keine Belehrungen

Der Wunsch nach mehr Transparenz müsse beachtet werden, betonte er. "Unsere Bürgerinnen und Bürger entscheiden selbst, wie sie sich ernähren, da braucht es von niemandem Belehrungen oder Vorschriften." Die Menschen wollten "echte Wahlfreiheit, das unterstützen wir – und zwar anhand von validen Daten".

Für den Ernährungsreport befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Mai 2024 rund 1.000 Menschen in Deutschland ab 14 Jahren. Nach Angaben des Ministeriums achten fast doppelt so viele Menschen wie noch 2015 beim Einkauf auf das Tierwohllabel: Ihre Zahl habe sich von 36 Prozent auf 65 Prozent erhöht. Beim EU-Bio-Siegel stieg der Anteil im gleichen Zeitraum von 47 auf 59 Prozent. Mit 39 Prozent kaufen auch deutlich mehr Menschen öfter vegetarische oder vegane Alternativen zu tierischen Produkten. 2020 lag dieser Wert bei 29 Prozent.

Es muss vor allem schmecken

Für 99 Prozent der Befragten ist der Geschmack – wie auch in den Vorjahren – sehr wichtig oder wichtig. Das gilt für alle Altersgruppen und für Männer und Frauen gleichermaßen. An zweiter Stelle steht, dass das Essen gesund ist. Dies ist 91 Prozent (sehr) wichtig. Frauen legen mit 97 Prozent mehr Wert darauf als Männer (85 Prozent).

Rund drei Viertel der Befragten (77 Prozent) achten darauf, dass Produkte aus ihrer Region kommen, Ältere mehr als Jüngere. Bei den über 60-Jährigen legen 85 Prozent Wert auf Regionalität. Bei den 14- bis 29-Jährigen sind es 60 Prozent.

Allerdings sind Kaufentscheidung auch vom Geld abhängig. Die jüngste Altersgruppe der unter 30-Jährigen ist dabei im Vergleich preisbewusster: Für 71 Prozent trifft es voll und ganz oder eher zu, dass sie beim Einkauf auf den Preis achten. Bei den über 60-Jährigen sagen dies 51 Prozent. Hohe Zustimmungswerte zu Zielen wie Nachhaltigkeit und Tierwohl zeigen sich grundsätzlich nicht im gleichen Maße an der Einkaufstheke.

Der Report befasst sich auch mit Erwartungen an die Politik. 88 Prozent stimmen der Aussage voll und ganz oder eher zu, die Politik solle sich mehr für eine artgerechte Tierhaltung einsetzen. 75 Prozent meinen, dass es für den Klimaschutz wichtig sei, dass weniger Fleisch konsumiert wird. 50 Prozent sind der Ansicht, dass in Restaurants und Kantinen zu wenige Gerichte mit oder aus Bio-Lebensmitteln angeboten werden. 

Umfrage: Marktanteil von als gesund geltenden Lebensmitteln wird zunehmen

Laut einer repräsentativen Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC wird das Thema Ernährung und Gesundheit bei den Konsumenten weiter an Bedeutung gewinnen. Immer mehr Menschen setzen demnach auf einen bewussten, gesunden Lebensstil, der sich auch durch ausgewogenes Essen auszeichnet. "Im Bereich der Lebensmittel wird der Marktanteil von Produkten, die als gesund gelten, bis 2030 weiter zunehmen", sagte der Handels- und Konsumexperte von PwC, Christian Wulff. 

Bis 2030 vollzieht sich laut Wulff ein Generationenwechsel in Deutschland: Die geburtenstarke Generation der Babyboomer verlasse den Arbeitsmarkt, während die Generation Z ins Berufsleben eintrete. Damit setzten sich beim Konsum andere Präferenzen durch, etwa in Bezug auf Nachhaltigkeit. Aktuell geben laut Umfrage vier von zehn Befragten an, künftig bewusster einzukaufen, um die Folgen ihres Konsums auf den Klimawandel zu verringern.

Für den Ernährungsreport befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa rund 1.000 Menschen in Deutschland.

© Kay Nietfeld/dpa

Für den Ernährungsreport befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa rund 1.000 Menschen in Deutschland.

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Erstellt:
24. September 2024, 11:23 Uhr
Aktualisiert:
24. September 2024, 14:27 Uhr

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