Bioland steht für eine Solidargemeinschaft
Unter dem Bioland-Label erzeugen, verarbeiten und verkaufen Landwirte aus der Region ihre Produkte. Den Bioland-Richtlinen müssen sie zu 100 Prozent folgen, dazu gehören die Begrenzung von Pflanzenschutzmitteln und der Einsatz für Biodiversität oder Tierwohl.
Von Simone Schneider-Seebeck
Burgstetten/Kirchberg an der Murr. Bio boomt. Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz für Lebensmittel in Bioqualität knapp 15 Milliarden Euro, im Vorjahr betrug die Zuwachsrate aufgrund der Coronapandemie überdurchschnittliche 22 Prozent. Neben dem EU-Öko-Label gibt es auch private Biosiegel. Sicher mit am bekanntesten sind Demeter und Bioland. Letzterer wurde schon vor 50 Jahren gegründet, mittlerweile gehören dem Bioland-Verband über 8500 Mitglieder an.
Einer davon ist Robert Trautwein aus Kirchberg an der Murr. In den 1970er-Jahren ging es dem gelernten Maurer gesundheitlich schlecht. Doch so leicht ließ sich der Kirchberger nicht unterkriegen, er suchte nach einem Kuraufenthalt Hilfe bei einem homöopathisch tätigen Arzt. Bei diesem hat er viel über das Thema Ernährung erfahren. Trautwein und seine Frau stellten ihre Ernährung um, es kamen vermehrt Demeter-Produkte auf den Tisch, Schweinefleisch wurde aus dem Speiseplan gestrichen. Nach einigen Monaten fühlte er sich bereits besser. Und dass sich seine Arbeitskollegen über die Rohkostsalate lustig machten, die er bei der Vesperpause auspackte, war ihm vollkommen egal. Seine Gelenke dankten es ihm. Von seinen Eltern hatte Robert Trautwein eine kleine Nebenerwerbslandwirtschaft übernommen und begann nun, sich intensiv mit biologischer Landwirtschaft zu beschäftigen. Nach einem Bioland-Einführungskurs in Bad Boll entschied er sich für ein Leben als Bioland-Landwirt. Der Hof und die Anbauflächen wurden Schritt für Schritt erweitert, „der Betrieb ist die folgenden 20 bis 25 Jahre laufend gewachsen“, erinnert sich Trautwein. Seine Produkte bietet Trautwein im eigenen Hofladen und auf dem Wochenmarkt in Marbach am Neckar an.
Die Bioland-Richtlinien entsprechen
den persönlichen Überzeugungen
Für Ottmar Dänzer gab es eigentlich keine Initialzündung, sein Interesse für den Bioanbau hat sich über die Jahre hinweg entwickelt. Schon früh hat es ihm die Landwirtschaft angetan, viel Wissen über verschiedene Anbaumethoden konnte er sich über einen Auslandsaufenthalt in den USA und einige Praktika hierzulande aneignen. Seine vielfältigen Erfahrungen und seine persönlichen Überzeugungen gipfelten schließlich in Richtung ökologischer Landbau. Vor allem die Verwendung von Spritzmitteln sieht er als kritisch an: „Warum soll ich irgendwo Gift hinspritzen, wenn ich es später essen möchte?“
Wann genau er beschlossen hat, auf ökologische Landwirtschaft umzusteigen, kann er gar nicht mehr sagen. „Das ist eigentlich nichts, worüber man viel nachdenken muss“, findet er, für ihn sei es einfach naheliegend gewesen. Dänzer spezialisierte sich auf den Gemüseanbau. Seit gut über drei Jahrzehnten sind seine Erzeugnisse zudem Bioland-zertifiziert; diese Richtlinien entsprechen auch seiner Überzeugung. Für den Direktvertrieb baute er seinen Hofladen auf. Und dieser läuft gut, seit letztem Jahr ist der Zuspruch noch größer. Auf dem Waiblinger Wochenmarkt ist er ebenfalls vertreten.
Etwa 27 Hektar groß ist der Betrieb von Beate Häußermann-Voltz und Helmut Voltz. „Wir sind ein relativ intensiver Betrieb, weil wir eigentlich alles, was wir erzeugen, veredeln und zum großen Teil auch ab Hof vermarkten“, sagt Helmut Voltz. Er baut Dinkel und Weizen an, der direkt an eine Winnender Bäckerei geliefert wird, für die Eier gibt es einige feste Abnehmer, das eigene Gemüse und die Kartoffeln sind nur für den Direktvertrieb im kleinen Hofladen vorgesehen. Ein paar Streuobstwiesen mit Mostobst gehören auch noch dazu. Das Federvieh hat es dem Landwirt besonders angetan, seit zwei Jahren zieht er neben den Legehennen sogenannte „Bruderhähne“ als Weidegockel auf. Auf der Weide stehen von Frühjahr bis Herbst etwa 40 Limpurger Rinder, „die älteste Rinderrasse Baden-Württembergs“, wie Voltz weiß. Er selbst ist aus Franken „eingewandert“, wie er schmunzelnd verrät, den Hof hat seine Frau, mit einer Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin und Landwirtin, mit in die Ehe gebracht.
Schnell war beiden klar, dass der Betrieb mit seiner kleinen Größe und seiner Vielseitigkeit in Richtung ökologische Landwirtschaft umgestellt werden sollte. Genauso klar war es für beide, dass man sich als Biohof einem Verband anschließen will. „Der Verband ist eine gute Möglichkeit, sich untereinander zu organisieren, das bildet ein Gegengewicht zum Handel“, gefällt Helmut Voltz besonders daran.
Vor allem schätzt er die Solidarität unter den Bauern, erst kürzlich habe man gemeinsam mit Kollegen aus dem Rems-Murr-Kreis die 25-jährige Zugehörigkeit zu Bioland groß auf dem Hof gefeiert. „Das ist eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten, mit denen man sich austauschen kann.“ Zudem bietet Bioland für zahlreiche Themenbereiche fundierte Beratung und ein „extrem gutes Fortbildungsangebot“. Diese Solidarität untereinander, davon ist der Landwirt überzeugt, gäbe es nicht, wenn nur jeder für sich nach den EU-Öko-Linien arbeiten würde.
Richtlinien Auf der Homepage listet Bioland seine Richtlinien auf, die für zertifizierte Erzeugnisse gelten. So müssen beispielsweise Betriebe die Bioland-Richtlinien zu 100 Prozent einhalten, im Gegensatz dazu dürfen nach der EU-Öko-Verordnung auf ein und demselben Betrieb ökologische und konventionelle Landwirtschaft betrieben werden.
Tierwohl Doch geht es bei Bioland nicht nur um streng begrenzten Dünger- oder Pflanzenschutzmittelverbrauch, es gelten auch Richtlinien zur Biodiversität oder zum Tierwohl.
Zusatzstoffe In verarbeiteten Produkten sind wesentlich weniger Zusatz- und Hilfsstoffe zulässig als nach der EU-Öko-Verordnung. Weiterführende Informationen unter: www.bioland.de