Bus lässt Schüler an Haltestelle stehen
Nach Stopps in Sulzbach und Oppenweiler finden Strümpfelbacher Kinder morgens keinen Platz mehr im rappelvollen Bus der Linie 390. Stadträtin Siglinde Lohrmann fordert zum wiederholten Mal den Einsatz von mehr Bussen. Der Landkreis kündigt eine Fahrgastzählung an.
Von Matthias Nothstein
Backnang. In einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig ließ, monierte Siglinde Lohrmann jüngst im Gemeinderat, dass in Strümpfelbach Schulkinder vom Bus nicht mitgenommen werden. Regelmäßig, vor allem mittwochs, sei der Bus aus Richtung Murrhardt, Sulzbach an der Murr, Oppenweiler bereits so voll, dass die Busfahrer an der Haltestelle vor der Gaststätte Germania nicht mehr alle Kinder an Bord nehmen könnten. Die SPD-Stadträtin forderte nun in resolutem Unterton an die Adresse der Stadtverwaltung gerichtet: „Bis nächsten Mittwoch muss der Zustand geändert sein.“ Die Sozialdemokratin erinnerte daran, dass sie das leidige Thema bereits mehrfach und schon seit mehreren Jahren angesprochen habe, ohne dass sich etwas geändert habe. Nun sei ihr Geduldsfaden am Ende. Immer wieder würde sie von Eltern betroffener Kinder angesprochen, angerufen oder über WhatsApp kontaktiert werden.
Kinder erhalten den Ratschlag, einen Bus früher zu nehmen
Lohrmann erläuterte nochmals das Problem. Es handelt sich um den Bus der Linie 390 Murrhardt–Backnang, der in Strümpfelbach um 7.05 Uhr abfährt. Oft schon hätten die betroffenen Kinder beziehungsweise Eltern den Ratschlag erhalten, sie könnten ja einen Bus früher nehmen. Dieser fährt in Strümpfelbach um 6.50 Uhr los. Der Unterricht an den weiterführenden Schulen – die meisten Schüler haben die Schickhardt-Realschule oder das Max-Born-Gymnasium als Ziel – beginnt jedoch erst um 7.45 Uhr. Es sei den Kindern nicht zuzumuten, dass sie den Bus eine Stunde vorher nehmen und dann in Backnang warten müssten. Lohrmann: „Es ärgert mich, dass nichts passiert. Das liegt nicht an der Stadt, das weiß ich, die kann auch nichts dafür.“ Und so zielt ihre Kritik eher in Richtung Landratsamt beziehungsweise des Busunternehmens OVR (Omnibusverkehr Rouff), dessen Busse auf der betroffenen Linie fahren.
In einer schriftlichen Stellungnahme hieß es aus dem Rathaus gestern: „Die Stadt Backnang weiß um die Problemlage und Dringlichkeit hinsichtlich der Schülerbeförderung von Strümpfelbach nach Backnang. Die Zuständigkeit für den öffentlichen Personennahverkehr und die Einrichtung eines zusätzlichen Schulbusses liegt allerdings beim Landkreis. Die städtische Schulverwaltung steht darum in Kontakt mit dem Landkreis und setzt sich mit Nachdruck für eine zeitnahe Lösung ein.“
Die Pressesprecherin des Landratsamts, Leonie Graf, teilt gestern ebenso schriftlich mit: „Die Thematik ist auch bereits bei unserem ÖPNV-Amt aufgekommen.“ Graf spricht von drei bis fünf Personen, die nicht mitgenommen werden könnten, und schreibt: „Wir sind an dem Thema dran. Wir gehen aktuell davon aus, dass es sich hier um ein Verteilungsproblem handelt.“ So berichtet sie, dass um 6.50 Uhr ein Zug in Murrhardt abfährt. Sie kommt zum Fazit: „Würden die Schüler aus Murrhardt, Oppenweiler und Sulzbach den Zug nehmen, wäre der Bus ab 6.42 Uhr entlastet und die Strümpfelbacher könnten mitgenommen werden. Die Schüler nehmen aber lieber den Bus, der dann in Strümpfelbach zu voll ist.“ Zu diesem Lösungsvorschlag hat Lohrmann eine klare Meinung: „Das ist Blödsinn.“ Niemand könne den Schülern talaufwärts vorschreiben, welches Verkehrsmittel sie nehmen müssten. Schließlich hätten vermutlich alle gute Gründe, weshalb sie sich für den Bus und gegen die Bahn entscheiden würden. Und wenn es nur die Nähe zur Haltestelle ist. Für Lohrmann gibt es nur eine Lösung: „Die OVR muss zu dieser Zeit zwei Busse fahren lassen.“ Die Stadträtin erklärte, sie habe von etlichen Eltern gehört, die E-Mails an das Busunternehmen, die Stadt und den Landkreis geschrieben, aber noch nie eine Antwort erhalten hätten.
Das Ärgernis ist laut Lohrmann vor allem in den vergangenen drei Wochen immer mittwochs aufgetreten. Zuvor habe es im Bus wohl mehr Platz gegeben, weil auch manch ein Erwachsener noch im Urlaub war oder manch ein Schulkind mit dem Fahrrad zur Schule gefahren ist. Seit die Temperaturen sinken, sind die Busse wieder proppenvoll. So wurden auch gestern nicht alle Kinder mitgenommen. Ein Vater berichtete, man hätte sein Kind vermutlich sogar noch in den Bus „stopfen können“, aber der Bus sei so voll gewesen, dass er sein Kind lieber mit dem Auto zu Schule gefahren habe.
Die Busse sind trotz Corona mit über 100 Passagieren besetzt
Lohrmann wettert weiter: „Die Busse sind in Coronazeiten mit über 100 Menschen besetzt. Die Kinder stehen dicht an dicht mit anderen Passagieren. Irgendwann hilft die Maske nichts mehr. Und wenn sie dann aussteigen, sollen sie Abstand halten zu ihren Schulkameraden. Das verstehe, wer will.“
Die Sprecherin des Landratsamts erklärt hingegen abschließend: „Die OVR wird in Abstimmung mit unserem ÖPNV-Amt zeitnah die Ein- und Aussteiger der Bushaltestellen zwischen Murrhardt und Backnang zählen. Dann werden sich die OVR, das Landratsamt und der VVS zusammensetzen und nach einer Lösung suchen.“ Dazu sagt Lohrmann: „Mit einer Zählung ist das Problem auch nicht gelöst. Aber immerhin passiert jetzt einmal etwas.“ OVR-Geschäftsführer Marco Trovato bestätigte, die Zählung auf der gesamten Linie habe gestern schon begonnen. Sobald das Ergebnis vorliege, werde geprüft, welche Lösungen es für das Problem gebe. Trovato wies jedoch auch darauf hin, dass die Gesamtkapazität – also Zug und Bus zusammen – ausreichend wäre. Würden noch mehr Busse eingesetzt, obwohl die Züge nicht ausgelastet seien, ginge dies nur auf Kosten der Wirtschaftlichkeit. Zudem erinnerte er daran, dass heute schon ein Gelenkbus auf der Linie fährt, obwohl ursprünglich nur ein kleinerer Solobus vorgesehen war.
Als das Problem vor zwei Jahren schon einmal thematisiert wurde, redete sich die Stadtverwaltung damit heraus, dass sie „erst vor knapp einer Woche“ von den Problemen Kenntnis erhalten habe. Damals kündigte die Stadt an, sie werde auf den Landkreis, der für den Busverkehr die Verantwortung trage, und auf das Land, das die Verantwortung für den regionalen Schienenverkehr trage, „dahin gehend einwirken, baldmöglichst eine sachgerechte Lösung zu finden – entweder durch Vorverlegung einer Regionalbahn-Verbindung oder durch Einsatz eines Verstärkerbusses“. Am Missstand getan hat sich scheinbar nichts.