Dank KI starke Bildmotive im Handumdrehen
Schlaue Systeme (3) Professionell bearbeitete Fotos und knackige Texte sind das A und O in der kreativen Berufswelt. Wird dabei künstliche Intelligenz eingesetzt? Wir haben bei den drei Backnanger Werbetechnikern und -agenturen Kreafaktur, Papa Tom und Werbewerk nachgefragt.
Von Florian Muhl
Backnang. Seitdem es Fotos gibt, also seit fast 200 Jahren, werden diese für professionelle Zwecke auch nachbearbeitet. Mit der Verbreitung des Computers in den 70er- und 80er-Jahren als Arbeitsgerät veränderte sich die Bildbearbeitung komplett. Mittels spezieller Software erfolgten Retuschen digital. Mittlerweile unterstützt künstliche Intelligenz (KI) die Kreativen beim Bearbeiten und Generieren von Bildern, aber auch beim Schreiben von Texten. Auch in Backnang? Wir haben bei drei Werbeagenturen beziehungsweise -technikern nachgefragt.
Werbewerk „Ich habe mich in den letzten Jahren mit KI beschäftigt, weil ich ein technisch sehr versierter Mensch bin“, sagt Kai Effinger. Der 33-Jährige arbeitet erst seit knapp drei Monaten bei der Firma Werbewerk Brunner, bei der er als Mediengestalter und Grafiker eingestiegen war. Bei dem Technologie-Start-up in Stuttgart, in dem Effinger zuvor gearbeitet hatte, wurde mit künstlicher Intelligenz im Bereich der Robotik gearbeitet. Bei seinem jetzigen Arbeitgeber wurde KI noch nie eingesetzt. Er hakte nach: „Lasst es uns ausprobieren. Wir kriegen da einfach coole Sachen hin.“
Beispielsweise Texte. „Das ist eine der gängigen Möglichkeiten, die KI einzubringen, meist mit Chat-GPT.“ Aber der wesentliche Einsatzbereich sei die Bildbearbeitung. „Retusche, Erweiterung, Ergänzung – da gibt es sehr gute Tools. Früher konnte man Aufgaben teilweise gar nicht lösen oder nur mit sehr großem Zeitaufwand und krassem Know-how“, erläutert Effinger. Photoshop und Midjourney oder auch Dall-E seien die meistverbreiteten Programme. Per Texteingabe könne man damit Bilder generieren.
Die Stiere sind gekauft, die Landschaft ist zum großen Teil KI-generiert
Kai Effinger nennt ein Beispiel aus der Praxis. Hans-Peter Merkle, Chef der Backnanger Firma Natursteine Merkle, kam zu Werbewerk mit dem Wunsch: Wir haben hier einen Laster, macht uns da was Cooles drauf, vielleicht was mit einem Stier. Wenige Wochen später war der Auflieger fertig, den der Kunde begeistert abgeholt hat. Der 33-jährige Grafiker erklärt, wie er vorgegangen ist: „Die Stiere sind gekaufte Bilder von Adobe Stock. Um die KI-generierte Landschaft zu erstellen, gebe ich bei Midjourney ein: Ich will eine Wüstenlandschaft mit Bergen im Hintergrund und im Vordergrund mit Steinen in einem leicht düsteren und cineastischen Bildlook. Dann kriegt man eine Grundlage, auf der man dann weiter arbeiten kann, und dann baut man sich Stück für Stück noch weiter voran.“
Dieses Beispiel sei ein Anwendungsfall, der ihm unheimlich viel Arbeit abnehme. „Da reduziere ich den Arbeitsaufwand von einer halben Stunde auf fünf Minuten“, sagt Effinger. Aber er warnt vor zu großer Euphorie: „Weil das Thema noch so neu ist, haben viele Leute im Kopf, dass KI Arbeit ersetzt. So ist es ja aber nicht.“ Die künstliche Intelligenz lasse ihn seinen Arbeitsalltag zwar effizienter gestalten. Aber Nacharbeit sei trotzdem noch genügend da.
„Durch die KI kann man wirklich einzigartige Werke schaffen, die es nirgendwo sonst wieder gibt“, schwärmt Effinger. Mit einem Blick in die Zukunft sagt der 33-Jährige: „Was allein Chat-GPT in naher Zukunft können wird, ist schon erschreckend. Da ist das, was wir hier noch machen, Kindergarten. Egal wie fortgeschritten das Thema schon ist, das ist erst der Anfang.“
Kreafaktur „Ich hab den Eindruck, dass es KI schon ewig gibt. Heute hat man nur einen Begriff dafür erfunden“, meint Tobias Grabmeier. „Nur die Technik wurde so viel besser, dass es jetzt den Namen künstliche Intelligenz verdient. Die KI ist intelligenter geworden“, so der Geschäftsführer und Inhaber der Kreafaktur Reklamefabrik weiter. „Die Bedeutung der KI wurde eigentlich in den letzten Monaten und im letzten Jahr richtig relevant für die Branche“, pflichtet Christoph Eberle bei. Er leitet seit Anfang dieses Jahres die Kreafaktur-Agentur.
„Wir nutzen die KI hier bedingt. Was ich auf gar keinen Fall möchte ist, dass sie hier eingesetzt wird als Ersatz für Kreativität“, betont Eberle. „Die Ideen sollen schon im eigenen Kopf entstehen und die KI sehe ich eher als Hilfestellung im Prozess, Beispiel Inspirationen.“ Er gebe der KI eine Idee vor und diese sprudele dann weitere Möglichkeiten aus, die der Grafiker dann wiederum ausarbeiten müsse. „Sie vereinfacht gewisse Prozesse und erleichtert gewisse Arbeitsschritte, die vor Jahren oder vor Monaten noch mehrere Stunden gedauert haben.“
„Eigentlich war das unser erster richtiger Bildauftrag“, schildert Grabmeier die ersten Erfahrungen mit einer KI-gestützten Bildgenerierung. Einer der größten Caravanhändler Deutschlands in Rendsburg hatte den Wunsch, dass ein Marvel-Design einen seiner Kastenwagen ziert. Ein externer Zeichner erstellte das Motiv frei Hand, benötigte dafür aber um die 40 Stunden. Erneut den Zeichner für einen zweiten Kastenwagen zu beauftragen, war aus Sicht der Agentur unwirtschaftlich. So setzte Eberle die KI ein. „Wir haben die einzelnen Figuren geprompt und so lange probiert, bis Midjourney uns die perfekte Pose der Charaktere dargestellt hat. Dann wurden diese so zusammengeschnitten, dass es das gewünschte Szenenbild ergibt.“
„Für mich ist das Faszinierende, dass wir noch ganz am Anfang stehen von dem Thema KI“, sagt Eberle. „Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich mich darauf freue oder nicht, was da in Zukunft auf uns zukommt“, bekennt der Agenturleiter. Und Geschäftsführer Grabmeier räumt ein: „Die KI ist ein Fluch und Segen zugleich. Wohin das führt? Ich habe keine Angst vor der KI selbst, ich habe Angst vor den Typen, die so was programmieren können. Die werden irgendwann mal die Macht erlangen.“
Papa Tom Wir haben die KI schon im Einsatz, aber sehr, sehr vereinzelt“, bekennt Thomas Korell. Er ist einer der beiden Geschäftsführer der Werbeagentur Papa Tom, die er zusammen mit Pascal Palmieri vor neun Jahren gegründet hat. „Wir sind gerade in einer Phase, wo man jeden Tag mit neuen Tools konfrontiert wird“, sagt Korell und stellt klar: „Wir haben aber nicht die Mentalität, dass wir jetzt jede Sau, die durchs Dorf getrieben wird, sofort aufgreifen und ganz laut schreien, dass wir jetzt die KI-Experten sind.“ Ganze Texte über Chat-GPT schreiben zu lassen wäre zwar möglich, aber dafür sei ihr Qualitätsanspruch noch zu hoch, betonen die beiden Geschäftsführer.
In einem Fall sei schon ein Bild für einen Kunden generiert worden, mit einem guten Ergebnis. „Aber man muss schon dran arbeiten und man muss lernen, wie man Dinge formuliert und wie man die KI befüttert“, erläutert Korell seine ersten Erfahrungen. Er glaubt, dass KI noch viel verändern wird. „Einfachere Arbeiten wie Fließtexte und Produktbeschreibungen schreiben oder auch Suchmaschinenoptimierung wird die KI mit Sicherheit in ein paar Jahren besser können, weil sie mehr Daten zur Verfügung hat.“ Aber was sie nie ersetzen können wird, sei das menschliche Gehirn und das, was einen Menschen ausmache, die Empathie, das Zuhören, den anderen verstehen, was er eigentlich meine, nicht was er sage. Palmieri ergänzt: „...dieses Fühlen, das Zwischen-den-Zeilen-lesen-Können“. Und Korell sagt: „Eine KI kann natürlich analysieren, was man eintippt, aber sieht nicht, wie man es eintippt. Ist es mit einer Unsicherheit oder ist es mit einer Bestimmtheit? Wichtig ist, den Kontext zu verstehen.“
Serie In unserer Serie „Schlaue Systeme“ zeigen wir, wo künstliche Intelligenz in unserer Region bereits zum Einsatz kommt. Nutzen Sie KI im Beruf oder auch in der Schule, im Ehrenamt oder im Privatleben? Dann schicken Sie eine E-Mail mit dem Betreff „KI-Serie“ an redaktion@bkz.de.