Das bisschenHaushalt
Kochen, putzen, Kinder betreuen: Schäuble ermahnt die Männer – aber auch Frauen müssen was tun
Stuttgart „Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann – das bisschen Haushalt kann so schlimm nicht sein.“ Der Schlager von Johanna von Koczian traf 1977 einen Nerv: 31 Wochen war das Lied in den deutschen Charts platziert. Und heute, 42 Jahre später? Da hat sich in Deutschland viel verändert. Aber nicht genug, mahnte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble am Donnerstag.
Kochen, putzen, Kinder betreuen – das sei auch heute noch überwiegend Aufgabe der Frauen. Die Männer müssten an diesen Umstand „gelegentlich mit Nachdruck erinnert werden“, sagte Schäuble. Das „bisschen Wäsche“, von dem Johanna von Koczian gesungen hat, ist jedoch nicht die einzige Baustelle, wenn es in Deutschland um Gleichberechtigung geht.
Vor 100 Jahren durften Frauen hierzulande zum ersten Mal wählen. 37 weibliche Abgeordnete wurden 1919 in die Weimarer Nationalversammlung gewählt – das waren fast neun Prozent der Parlamentarier. Heute sind im Bundestag knapp 31 Prozent Frauen. Im Landtag von Baden-Württemberg liegt der Frauenanteil bei gerade mal einem Viertel. Und diese Liste ließe sich noch lange weiterführen, denn auch in der Kommunalpolitik, in Unternehmen und in Vereinen geben noch immer in den meisten Fällen Männer den Ton an.
Bei diesen Zahlen ist es einfach, nach Quoten zu rufen und zu fordern, dass in Parlamenten etwa gleich viele Sitze an Frauen und Männer vergeben werden müssen. Vermutlich würden diese Instrumente in vielen Fällen tatsächlich dazu führen, dass Frauen so repräsentiert werden, wie es ihnen zusteht. Doch Beförderungen aufgrund des Geschlechts haben immer auch einen Beigeschmack. Und wer ehrlich argumentiert, weiß auch, dass man sich Respekt nicht damit verdient, aufgrund von Zahlenspielen ausgewählt zu werden, sondern nur mit Leistung. Vor allem aber würden solche Vorgaben am Ende nichts am grundsätzlichen Problem ändern. Denn das beginnt oft schon in den eigenen vier Wänden, und da bringt die Quote eben auch nicht den Müll vors Haus.
Natürlich müssen die Hürden, die es für Frauen immer noch gibt, niedergerissen werden. Und natürlich müssen die Ewiggestrigen endlich eingestehen, dass sie falsch liegen, wenn sie sagen: Hier oder dort haben Frauen nichts verloren. Dies lernen sie jedoch dann am besten, wenn Frauen sich erst einmal selbst an die Nase fassen. Gerade junge und gut ausgebildete Frauen haben heute die Wahl, es anders zu machen als ihre Mütter und Großmütter. Und doch wählen sie nur all zu oft die gleiche klassische Rollenverteilung. Das fängt oft schon mit dem bisschen Haushalt an. Spätestens aber, wenn Kinder ins Spiel kommen, übernehmen die meisten Frauen ganz selbstverständlich den Job zu Hause – freiwillig und ohne Diskussion.
Das gleiche gilt oft auch für die Karriere. Die Bedingungen sind zwar noch lange nicht ideal, aber in etlichen Bereichen wird inzwischen viel dafür getan, dass Frauen – und auch Männer – Beruf und Familie besser vereinbaren können. In diesen Fällen müssen Frauen zugreifen – selbst wenn es unbequem ist.
Der Weg zur Gleichberechtigung ist nicht einfach: heute nicht und vor 100 Jahren war er es noch viel weniger. Der Kampf dafür lohnt sich jedoch. Das gilt fürs Frauen-Wahlrecht genauso wie für die eigenen vier Wände. Denn wer einmal erlebt hat, wie es ist, in einer wirklich gleichberechtigen Partnerschaft zu leben, der weiß: Das bisschen Haushalt kann so schlimm nun wirklich nicht sein.
eva.hammel@stuttgarter-nachrichten.de