Der Chaostreff Backnang, ein Treffpunkt für Hacker und Tüftler
Mit dem Chaostreff Backnang gibt es seit Kurzem einen Verein, der einen Anlaufpunkt für technikinteressierte Bastler bieten will. Von 3-D-Druck und Messtechnik über Programmieren bis zur Umsetzung ganz spezieller Projekte: Der Verein will Austausch ermöglichen und Wissen vermitteln.
Von Kristin Doberer
Backnang. Ganz vorsichtig zieht Nick Hahn die Isolierung am Ende des Glasfaserkabels ab, heraus schaut ein etwa acht Mikrometer dünnes und kaum sichtbares Stück Glas. Mit viel Fingerspitzengefühl reinigt er es und schneidet es mit einem speziellen Gerät so ab, dass die Kante auch wirklich gerade ist. „Sonst kann der Splicer die Glasfaserkabel nicht verbinden“, erklärt Patrick Schwarz, einer von drei Vorständen des Backnanger Chaostreffs, den nächsten Schritt beim Spleißvorgang von Glasfaserkabeln. Zwei Glasfasern werden dann in das Spleißgerät gelegt, das sie übergangslos miteinander verschmelzen lässt. Diesen Vorgang, der immer dann nötig ist, wenn das schnelle Internet angeschlossen werden soll, haben die Mitglieder des neu gegründeten Chaostreffs Backnang am Samstag Interessierten gezeigt. Zum „Tag des offenen Hackspace“ nämlich wollte sich der neue Verein den Backnangern vorstellen. Dabei ist der neue Verein auch sonst immer offen für Interessierte, erklären die Vorsitzenden Nick Hahn, Patrick Schwarz und Miriam Haas. Der Chaostreff Backnang kommt seit 2021 jeden dritten Sonntag in der Bar „das Wohnzimmer“ zusammen, um zu tüfteln und sich auszutauschen. Vor allem soll er ein Anlaufpunkt für die Umsetzung technischer Projekte aller Art sein beziehungsweise für den Austausch technikinteressierter Menschen. „Ein Pop-up-Makerspace“, beschreibt es Patrick Schwarz.
Ein Mitglied legt zum Beispiel eine Gesichtsmaske aus Stoff auf den Tisch, die über Kabel mit einer Art Schaltmodul verbunden ist. Über eine selbst geschriebene App auf seinem Handy erwacht die Maske zum Leben, die Lichter dahinter gehen an und buchstabieren Chaostreff auf die Maske. „Die Idee kam während Corona“, erklärt der Bastler. Die Idee war, anderen trotzdem etwas mitteilen zu können, auch wenn das halbe Gesicht von einer Maske bedeckt ist. Es ist eines von verschiedenen Projekten, bei dem die Technikinteressierten des Chaostreffs unterstützt haben. „Oft sind das private Projekte, die man daheim mal begonnen hat, bei denen man aber allein nicht weiterkommt“, erklärt Miriam Haas. Auch sei man häufig in der Gesellschaft doch motivierter, ein begonnenes Projekt weiterzuverfolgen – und es mache schlicht Spaß, anderen bei ihren Projekten zu helfen. „Die soziale Komponente ist sehr wichtig“, betont auch Nick Hahn. Es entwickelten sich oft gute Freundschaften, man knüpfe Kontakte zu Menschen in ganz Deutschland.
Personalisierte Flaschenaufsätze aus dem 3-D-Drucker
Weitere Themen
Fast alle der aktuell über 30 Mitglieder sind auch beruflich in der Technikbranche unterwegs – viele im Bereich Informatik –, trotzdem beschäftigen sie sich gerne auch am Wochenende damit. „Die Informatik ist ja sehr vielfältig. Hier kann man sich auch mit Dingen beschäftigen, die man auf der der Arbeit nicht so macht“, sagt Patrick Schwarz. Dabei komme man auch mit ganz neuen Themen, Bereichen und Geräten in Kontakt. Neben dem 3-D-Drucker, mit dem zum Beispiel personalisierte Flaschenaufsätze hergestellt wurden, bringen die Mitglieder nämlich allerlei spannende – und zum Teil auch recht teure – Geräte mit zum Treffen. Zum Beispiel Messgeräte wie das Oszilloskop oder eben das Spleißgerät für Glasfaser. „Wir versuchen, möglichst viel Vielfalt reinzubringen“, betont Schwarz. Dementsprechend müsse man auch gar nicht programmieren können. „Eigentlich reicht ein Grundinteresse an Technik“, sagt Miriam Haas. Bei den monatlichen Treffen seien deshalb auch Nichtmitglieder willkommen. Und obwohl im Moment die männlichen Mitglieder deutlich überwiegen, seien Menschen jedes Geschlechts und Alters willkommen, so die Vorsitzenden.
Die Community, aus der der Verein entstanden ist, trifft sich bereits seit 2018 in Backnang. Viele von ihnen kommen von außerhalb, aus Stuttgart, Tübingen oder Aalen. Denn obwohl es auch in anderen Städten Chaostreffs gibt, habe jeder seinen eigenen Schwerpunkt. „Manche sind eher ein Stammtisch und sind sehr politisch.“ In Backnang gehe es aber mehr um die Arbeit an Geräten und Projekten. Zum Beispiel werden immer wieder auch kaputte Geräte repariert oder durch Upcycling einem neuen Nutzen zugeführt. Von Unternehmen aussortierte WLAN-Access-Points werden zum Beispiel so aufbereitet, dass sie für Freifunk noch einsetzbar sind. Erst war die Gruppe nämlich noch bei Freifunk dabei. Der Verein, der auf ehrenamtlicher Basis kostenlose WLAN-Netzwerke, zum Beispiel für Flüchtlingsunterkünfte, betreibt. „Dann kam der Wunsch nach einem eigenen Forum auf“, sagt Nick Hahn. Die lockere Gruppe ist seitdem gewachsen und obwohl Corona alles etwas ausgebremst hat, ist der Verein seit Februar nun offiziell eingetragen – und plant schon einiges. Beim Ferienprogramm der Stadt waren sie bereits im vergangenen Jahr aktiv, in Schulen und im Kreismedienzentrum wurden Workshops gegeben, im Mai ist eine Konferenz geplant, zu der Hacker aus ganz Deutschland kommen werden. „Wir wollen auch Wissen vermitteln“, sagt Schwarz. Und sie wollen in der Stadt etwas bekannter werden. Denn während der Chaostreff Backnang in der Community gut vernetzt und auf Netzwerktreffen deutschlandweit vertreten ist, sind die Mitglieder, die aus Backnang kommen, überschaubar.
Chaos Computer Club Der neue Verein fühlt sich dem Chaos Computer Club (CCC) verbunden, der größten europäischen Hackervereinigung.
Veranstaltung Vom 3. bis 5. Mai plant der Chaostreff zum zweiten Mal sein Hacking-Event „FSCK“ in Backnang. Das Kino Universum wird zum Treffpunkt für Workshops, Vorträge, Netzwerken und freies Hacking. Schon jetzt haben sich rund 120 Hacker aus ganz Deutschland angemeldet.
Kontakt Weitere Informationen zum Chaostreff gibt es unter https://ctbk.de/. Per E-Mail ist der Verein erreichbar unter info@hacknang.de. Persönlich können Interessierte jeden dritten Sonntag ab 15 Uhr in die Bar „das Wohnzimmer“ am Willy-Brandt-Platz 2 kommen.