Der verzweifelte Kampf um Strümpfelbach
50 Jahre Gemeindereform: Oppenweiler fürchtete bei der Gemeindereform um seine Selbstständigkeit. Die Strümpfelbacher wurden deshalb sehr stark umworben. Außerdem wurde der Ortsteil Dauernberg dem näheren Spiegelberg zugeordnet – gegen den Willen der Dauernberger.
Von Kristin Doberer
Oppenweiler. Fährt man durch die Königsberger Straße in Oppenweiler, fällt einem sofort ein Unterschied zu den umliegenden Straßen auf: Am Straßenrand können die Autos problemlos abgestellt werden, auch mit großem Gefährt kommt man entspannt durch die Straße. Denn: Die Königsberger Straße ist deutlich breiter. Zwei Meter breiter, um genau zu sein. „Die Straße wurde extra noch mal umgeplant“, erzählt Gerhard Kipf. Als junger Ingenieur hat er für die Gemeinde Oppenweiler am Bebauungsplan Bühlfeld III gearbeitet. Darin wurde die Königsberger Straße statt mit den normalen 5,50 Metern mit 7,50 Metern geplant. „Der Bürgermeister Zehender hat mich angerufen und meinte: ,Wir müssen die Straße unbedingt verbreitern.‘ Schließlich sollten die Strümpfelbacher bequem in ihre neue Heimat fahren können“, erinnert sich Kipf. Das Baugebiet wurde zur Zeit der Gemeindereform vor knapp 50 Jahren geplant, um die Gunst der Strümpfelbacher wurde hart gekämpft. Sowohl Backnang als auch Oppenweiler versuchten, die Strümpfelbacher von sich zu überzeugen.
Zugeständnisse und Verbindungen: um Strümpfelbach wurde gekämpft
Die Straße war aber lange nicht das einzige Zugeständnis, das Oppenweiler den Strümpfelbachern machte. So schickte der damalige Bürgermeister Zehender im April 1971 ein großzügiges Angebot an seinen Strümpfelbacher Amtskollegen Föll. Demnach war Oppenweiler bereit, die 1,23 Millionen Mark Mehrzuweisungen aus dem Finanzausgleich nur für Investitionen in Strümpfelbach zu verwenden. In dem Angebot versuchte Zehender auch mit der langjährigen gemeinsamen Geschichte zu überzeugen. Die Verbindungen zu Strümpfelbach seien damals schon sehr eng gewesen. Zwischen den Gemeinden gab es einen einheitlichen Kirchenbezirk, auch Kipf erinnert sich daran, gemeinsam mit Strümpfelbacher Jugendlichen konfirmiert worden zu sein. Außerdem hatte man eine gemeinsame Hauptschule, einen gemeinschaftlichen Anschluss an die Wasserversorgung und sowohl viele ärztliche als auch geschäftliche Verbindungen.
Doch alle Anstrengungen und Briefe waren vergebens. Bei einer Abstimmung entschieden sich die Strümpfelbacher klar für das größere Backnang. „Die Enttäuschung in Oppenweiler war danach schon groß, weil man so eng verbunden war und weil man natürlich auch um Strümpfelbach gekämpft hat“, erzählt Kipf. „Aber man hat das dann schon akzeptiert, Backnang hatte einfach eine größere Anziehungskraft.“ Er erinnert sich, dass eine Rolle für die klare Entscheidung der Strümpfelbacher die Bauplatzpreise gespielt haben. Einen Bauplatz in der Großen Kreisstadt Backnang habe man schlicht teurer verkaufen können als in der kleinen Kommune Oppenweiler.
Die damals geplante direkte Verbindungsstraße von Oppenweiler nach Strümpfelbach wurde übrigens nie gebaut. Auch wenn sie mit dem Bebauungsplan Bühlfeld III angedacht war, „damit die Strümpfelbacher mal entspannter zu ihrer neuen Heimat fahren können und nicht über die B14 müssen“. Nach der Entscheidung für Backnang wurde diese Straße aber nicht gebaut. Dafür können sich die Anwohner der Königsberger Straße aber zumindest auch heute noch über die ungewöhnlich breite Straße freuen.
Oppenweiler konnte nach der Gemeindereform also keine zusätzlichen Einwohner vorweisen, das eigentliche Ziel der Gemeindereform war es aber, Kommunen von mindestens 5000 bis 8000 Einwohnern zu bilden. Wie stand es nach der Entscheidung also um die Selbstständigkeit der Gemeinde? „Der Druck von Backnang, sich zu erweitern, war weg, als Strümpfelbach zu der Stadt gekommen ist. Damit war auch die Befürchtung, dass Backnang sich Richtung Oppenweiler erweitern muss, weg“, erinnert sich Kipf. Weitere Bestrebungen andere Ortschaften einzugemeinden habe es in Oppenweiler nicht gegeben. Es sei klar gewesen, dass das Lautertal sich nach Sulzbach an der Murr orientieren wird und viele Ortschaften rund um Oppenweiler seien schon vor der Gemeindereform zu Teilorten geworden.
Innenministerium ignoriert klaren Wunsch der Dauernberger
Nachdem Strümpfelbach sich Backnang angeschlossen hatte, gab es bei der Gemeindereform nur eine tatsächliche Veränderung für Oppenweiler, allerdings erst im Jahr 1977: Der Ortsteil Dauernberg wurde nach Spiegelberg umgegliedert. Und das gegen den ausdrücklichen Willen der Einwohner von Dauernberg. Denn am 24. Oktober 1976 haben die Bürger Dauernbergs darüber abgestimmt, ob sie lieber bei dem etwa 1,2 Kilometer entfernten Spiegelberg eingemeindet werden oder bei Oppenweiler bleiben wollen. Letzteres ist zwar mit fünf Kilometern Entfernung deutlich weiter weg, doch trotzdem war die Entscheidung der Dauernberger klar: Von den 33 Bürgern, die abgestimmt haben, waren lediglich acht für eine Angliederung an Spiegelberg.
Obwohl der Bürgerwille deutlich für den Verbleib bei Oppenweiler war, hat das Innenministerium Baden-Württembergs die Umgliederung nach Spiegelberg verordnet. Das Ministerium war der Meinung, die Umgliederung sei „aus Gründen des öffentlichen Wohls erforderlich, da die sozio-ökonomischen Verflechtungen und die topografische Lage des Ortsteils dies erfordern“, wie die Backnanger Kreiszeitung am 10. Dezember 1976 schreibt.
Deshalb könne das Ministerium dem Ergebnis der Bürgeranhörung nicht entsprechen. Für die Dauernberger sei es enttäuschend gewesen, dass der Bürgerwille im Ministerium ignoriert wird, erzählt Kipf. „Aber die Verbindungen nach Dauernberg sind heute trotzdem noch da.“ Lange hatten die Bewohner des kleinen Ortsteils nicht Zeit zu trauern, denn der Beschluss des Ministeriums trat bereits drei Wochen später zum 1. Januar 1977 in Kraft.