Die Braut brauchte noch die Unterschrift der Eltern
Helga und Arthur Mayer feiern heute in Auenwald goldene Hochzeit und sagen von sich: „Es ist wie am ersten Tag zwischen uns.“

© Jörg Fiedler
Stoßen heute auf 50 Jahre Ehe an: Helga und Arthur Mayer. Foto: J. Fiedler
Von Renate Schweizer
AUENWALD. „Goldene Hochzeit? Wir? Sie müssen das verwechseln. Mayers gibt’s ja viele.“ Frau Mayer hat grade keine Zeit für die Zeitung. Sie räumt den Schrank im Computerzimmer aus, um ihn anschließend zu zerlegen, wegzuräumen und die Wand zu tapezieren. Doch ja, gibt sie dann zu, sie heißt Helga und ihr Mann heißt Arthur und 50 Jahre verheiratet sind sie auch am 5. Februar – ist es tatsächlich schon wieder so weit? Großes Gelächter am Telefon. Für Termine ist Arthur Mayer zuständig in der ehelichen Arbeitsteilung. „Ich wollte meine Frau überraschen zur goldenen Hochzeit“, sagt er. „Das haben Sie jetzt vermasselt.“
Nach diesem Auftakt wäre ja irgendwie zu erwarten gewesen, dass zwei in Malerkitteln und Jogginghose die Journalistin zum Interview empfangen, aber weit gefehlt: Frisch geföhnt und im dunklen Anzug mit roter Krawatte öffnet Arthur die Haustür und sie steht farblich abgestimmt in kühnem Rot und Lila mit Perlenkette und asymmetrisch geschnittener Bluse daneben. „Ich hab ihm die Haare selbst geschnitten – ist gut geworden, oder?!“, verkündet sie stolz. „Vor lauter Corona ist mir der Hochzeitstag vom Schirm gefallen“, erzählt sie lachend, „weil man ja doch nicht feiern kann in diesem Jahr und da dachte ich, wir können doch grade so gut das Computerzimmer renovieren.“ Renovieren, aufbauen, abbauen, umbauen, kochen, backen, klopfen, werkeln, was mit den Händen machen und nachher zufrieden betrachten, was man geschafft hat – das ist ihr Ding. Er ist stolz, was seine Frau alles hinkriegt „20 Kuchen zur Konfirmation, der kaputte Rollladen, 30 Meter Hecke auf die halbe Höhe setzen, Lampen anschließen“ – alles kein Problem für sie, die „begnadete Handwerkerin“. Er selbst, der Verwaltungsmann auf dem Innenministerium in Stuttgart, war ja nie da: „Von halb sechs in der Frühe bis halb sechs am Nachmittag war ich außer Haus“ – und bis zu seinem Feierabend hatte sie alles erledigt, was zu erledigen war, „da konnt ich nur staunen“. Nicht, dass Arthur Mayer privat nicht auch aktiv gewesen wäre: Fußball im TSV Oberbrüden, Gründungsmitglied und bis heute aktiv im Nabu Auenwald.
Wie sie zusammengefunden haben? Es ist eine schöne Geschichte und sie erzählen sie wie ein bewährtes Ehepaar: „Lass mich das erzählen“ – „Nein, es war doch ganz anders“ – „Du musst andersrum anfangen“ – es ist ein Vergnügen, ihnen zuzuhören. Es war wohl so: Als Helga, die damals noch Bürkle mit Nachnamen hieß, 15, 16 Jahre alt war, war sie in der Steinbacher Dorfgang. Panther-Club hießen die, „mit Mopedle und so“. Die Mutter schimpfte, da dürfe sie nicht mehr hin. „Also gut“, trotzte die Tochter, „dann mach ich halt Tanzkurs und such mir einen Mann zum Heiraten.“ Gesagt, getan: Mit 17 der Tanzkurs, mit 18 die Hochzeit. „Ich brauchte da noch die Unterschrift meiner Eltern, weil ich nicht volljährig war.“ Arthur hatte eben den 21. Geburtstag hinter sich, nach Rechtslage 1971 war er seit 26 Tagen volljährig, als sie heirateten. Und statt Mopedle gab es jetzt einen Fiat 850 Sport Coupé in Positano-Gelb.
„Ich wusste mit 15 schon, dass ich Kinder haben will“, erzählt Helga, und als Lehrling im Bettenhaus Windmüller gab sie ihr ganzes Lehrlingsgehalt gleich dort im Laden für Babyausstattung aus. Drei Kinder haben sie bekommen, „alle fünf Jahre eins“, drei Enkel haben sie heute und Geschichten ohne Ende: die vom dreimal verlorenen und wiedergefundenen Ehering, die vom Pfarrer Weippert, der sie traute (fünf Amtshandlungen über drei Generationen hinweg), die vom Landrat Schippert im Fiat, die vom Gartenhäusle, die vom Hund, der Kamillendampf inhalieren musste, die vom Baustopp, weil sie schwer krank wurde („Was hätte ich mit dem Haus noch sollen, wenn ich keine Frau mehr hab?“), die vom Umzug ins neue Haus, das schließlich doch gebaut werden konnte, weil sich ihre Krankheit als schwer, aber gutartig erwiesen hatte. „Es ist wie am ersten Tag zwischen uns“, sagen sie und man glaubt ihnen aufs Wort, „langweilig wird es uns nie – mit und ohne Corona nicht.“ Die Feier zum 50. Hochzeitstag wird nachgeholt, das versprechen sie sich gegenseitig. Aber erst, wenn das Computerzimmer fertig ist. Sie zitieren auswendig ihren Trauspruch: Der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden bis an den Tag Jesu Christi. (Philipper 1,6). Da kann ja eigentlich gar nichts mehr schiefgehen.