Die Lage für die Gastronomie im Raum Backnang spitzt sich zu

Erst die Coronapandemie, dann die Inflation und die Energiekrise, zu alledem der Fachkräftemangel: Die Restaurantbetreiberinnen und -betreiber im Rems-Murr-Kreis haben gleich mit mehreren Krisenherden zu kämpfen. Für manche geht es mittlerweile um die Existenz.

Andreas Huber von der Unterweissacher Gaststätte Tälesbräu musste die Preise auf der Speisekarte bereits anpassen. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Andreas Huber von der Unterweissacher Gaststätte Tälesbräu musste die Preise auf der Speisekarte bereits anpassen. Foto: Alexander Becher

Von Melanie Maier

Rems-Murr. Die Gastronomie gehört zu den Bereichen, in denen sich Krisen traditionell am schnellsten bemerkbar machen. „Denn wo fangen die Leute an zu sparen? Bei Kulturveranstaltungen und beim Essengehen“, erklärt Michael Matzke, der erste Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Rems-Murr. Aktuell hat die Gastronomie mit gleich mehreren Krisenherden auf einmal zu kämpfen: Da sind die Auswirkungen der Coronapandemie, von der sich die meisten Betriebe noch nicht wirklich erholen konnten, die Inflation und die Energiekrise, wegen denen viele Gäste ausbleiben, die sich zugleich aber auf die Einkaufs- und Betriebskosten auswirken, und nicht zuletzt der Fachkräftemangel, der den Restaurantbetreiberinnen und -betreibern das Leben zusätzlich erschwert. Denn während der Lockdowns haben sich viele Beschäftigte einen anderen Job gesucht und wollen nicht mehr in die Branche zurück.

Wegen der Inflation müssen viele Betriebe ihre Preise erhöhen

Kurz zusammengefasst: Es sind äußerst schwierige Zeiten für die Gastronomie. Für manche sind sie sogar existenzbedrohend. Eine Restaurantbetreiberin aus der Gegend sagt, sie habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Ihren Namen möchte sie lieber nicht in der Zeitung lesen – aus Angst, dass weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abspringen. Der Fachkräftemangel ist das, was sie gerade am meisten beschäftigt. Die Pandemie war für sie nur die Spitze des Eisbergs. „Die Personalsituation ist am schwierigsten“, betont sie. „Arbeit wäre genug da. Aber ich kann nicht langfristig planen, weil ich irgendwann nicht mehr in der Lage bin, die vielen Ausfälle aufzufangen.“

Wegen der Inflation musste sie bereits die Preise auf ihrer Speisekarte anheben – wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen. Ob Gäste deswegen wegbleiben? Sie weiß es nicht. Wie sich die Energiekrise auswirken würde, könne man erst am Ende des Jahres sagen, meint sie. Dem stimmt Dehoga-Chef Matzke zu: „Das wird sich in einem halben Jahr oder Jahr zeigen, wenn die ersten Rechnungen eintrudeln.“

Eine Folge der gestiegenen Waren- und Energiekosten könnte jedoch sein, dass die Restaurantbetreiberinnen und -betreiber ihre Öffnungszeiten reduzieren oder auch mehr Ruhetage in der Woche einführen, um Kosten zu sparen, prognostiziert Matzke. Die Situation in der Branche sei nach wie vor sehr angespannt. „Wir kämpfen. Und wir bitten um Verständnis bei den Gästen, dass es zu Einschränkungen kommen kann, die manchen nicht gefallen.“ Denn auch die Umsatzzahlen von vor der Pandemie seien noch nicht wieder erreicht worden, so Matzke. Die Umsätze im zurückliegenden Oktober blieben, bereinigt um die Inflation, um 12,5 Prozent hinter denen von Oktober 2019 zurück – trotz teilweise kräftiger Preissteigerungen auf den Speisekarten.

Im vergangenen Jahr gab es sehr viele Gartenwirtschaftstage

Kai Heinrich, Betreiber des Gasthauses Lamm in Althütte-Waldenweiler, musste die Preise ebenfalls schon anheben. „Die Lebensmittelkosten sind alle gestiegen“, erklärt er. „Und es kommen immer noch fast wöchentlich irgendwelche Erhöhungen. Wir versuchen, möglichst gut einzukaufen und auf Angebote einzugehen. Unsere Preise werden wir dieses Jahr trotzdem nochmals anheben müssen.“ Vom Gästeaufkommen her sei 2022 ein gutes Jahr für das Lamm gewesen, berichtet Heinrich. „Das hängt bei uns auf dem ‚Berg‘ auch viel vom Wetter ab. Wenn im Sommer bei gutem Wetter der Garten geöffnet ist, sind die Plätze schnell belegt. Und wir hatten im letzten Jahr ja sehr viele Gartenwirtschaftstage.“

Auch sein Betrieb habe sich im Sommer wirtschaftlich ein bisschen freistrampeln können, berichtet Wolfgang Ziegler, der Chef des Cafés Tante Emma in Backnang. „Aber die Reserve, die wir in den Sommermonaten normalerweise für den Winter aufbauen, die fehlt dieses Jahr.“ Die Pandemie wirke noch immer nach. „Durch Corona hat sich alles geändert“, sagt Ziegler. „Das letzte Jahr war ganz schwer planbar.“ Die Wochenenden zum Beispiel waren weniger gut besucht, dafür kamen unter der Woche mehr Leute zum Essen. Schwierigkeiten hatte Ziegler 2022 auch dabei, genug Aushilfen für den Sommerbetrieb zu finden.

Eine Preisanpassung der Angebote auf der Speisekarte wird wohl in absehbarer Zeit folgen. „Wegen der Inflation und weil die Lieferanten, die ihre Ware bisher immer umsonst ausgeliefert haben, jetzt alle eine Anfahrtspauschale berechnen“, erklärt Ziegler. Nichtsdestotrotz sei er verhalten positiv eingestellt, was das Jahr 2023 betrifft, sagt er: „Das Café Tante Emma gibt’s schon seit 1997 und bisher haben wir alle Krisen überstanden.“

Viele Gäste blieben im Winter auch wegen Corona lieber daheim

Etwas weniger optimistisch zeigt sich Andreas Huber von der Weissacher Brauerei und Gaststätte Tälesbräu. „Uns gibt’s jetzt seit fünf Jahren. Von denen haben wir vier im Krisenmodus verbracht“, erklärt der Braumeister. Rücklagen habe man deshalb noch so gut wie keine aufbauen können. „Der Bierbereich wächst zum Glück“, sagt er. Doch die Gastronomie bereite ihm seit dem Beginn der Coronapandemie, also seit drei Jahren, Sorgen.

Einen Lichtblick gab es im Sommer: „Im August hatten wir noch volle Hütte“, sagt Huber. „Im September und Oktober sind dann schon weniger Leute gekommen – und auch weniger lang sitzen geblieben.“ Man merke, meint er, dass die Menschen wegen der Energiekrise und der Inflation selbst sparen müssen. Im Winter seien auch viele Gäste wegen Corona noch vorsichtig gewesen und hätten volle Innenräume gemieden. Um Weihnachten herum habe das Geschäft wieder etwas angezogen. „Nachhaltig geändert hat es sich aber nicht“, sagt er. Die Preise auf der Speisekarte haben die Betreiber deshalb schon erhöhen müssen. „Wir sind gerade am Überlegen, ob wir nicht noch einmal anziehen müssen“, berichtet Huber. „Von unseren Lieferanten haben wir jetzt wieder die Mitteilung bekommen, dass die Preise erhöht werden.“ Irgendwie müsse man das abfangen, sagt er. „Aber das macht’s natürlich auch nicht leichter, mehr Gäste reinzuziehen.“

Das ganz große Problem ist der Mangel an Personal

Im Murrhardter Restaurant Eiche sind die Preise bisher noch nicht erhöht worden, aber ob das nicht bald doch komme, das könne sie nicht sagen, so Dagmar Ziegler. Sie arbeitet als Servicekraft in dem im Juli eröffneten Restaurant, war aber auch schon vorher für ihrem Chef Andreas Walz im Brauhaus in Sulzbach an der Murr tätig. „Das ganz große Problem ist wirklich der Mangel an Personal – sei es an Köchen, an Aushilfen oder im Service“, sagt Ziegler. Seit etwa einem halben Jahr würden sie in der Eiche in Unterbesetzung arbeiten. „Wir suchen verzweifelt.“

Dass die Bezahlung und auch die späten Arbeitszeiten abschrecken, weiß Ziegler selbst sehr gut. Genauso präsent ist ihr aber, dass ihr Chef nicht einfach pauschal vier Euro mehr in der Stunde bezahlen kann. „Die Gaststätte ist nicht jeden Tag von morgens bis abends voll. Wir müssen die Zeiten abfangen, in denen weniger los ist“, sagt Ziegler, die selbst 30 Jahre lang ein Lokal geführt hat und die Nöte ihres Vorgesetzten gut nachvollziehen kann.

Zwei Hoffnungsschimmer hat Dehoga-Chef Michael Matzke immerhin auf Lager: Zum einen sei die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie bis Ende 2023 verlängert worden. Und zum anderen seien die Ausbildungszahlen 2022 wieder gestiegen. „Die Folgen werden sich zwar erst in ein paar Jahren bemerkbar machen“, räumt Matzke ein, „aber es ist ein kleiner Ansatz.“

Zum Artikel

Erstellt:
9. Januar 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen