Die Tiere, die mit den Ohren sehen

Mit dem BUND unterwegs im Weißachbiotop auf der Suche nach Backnanger Nachtschwärmern. Fledermausbestände gehen drastisch zurück.

Spezielle Fledermausführung für Familien mit Dirk Jerusalem. Fledermausdetektoren wandeln die Schreie der Tiere in eine hörbare Frequenz um. Ein Schlüsselbund hingegen macht Geräusche, die Fledermäuse nicht mögen. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Spezielle Fledermausführung für Familien mit Dirk Jerusalem. Fledermausdetektoren wandeln die Schreie der Tiere in eine hörbare Frequenz um. Ein Schlüsselbund hingegen macht Geräusche, die Fledermäuse nicht mögen. Foto: J. Fiedler

Von Wolfgang Gleich

Backnang. Zu einer Expedition, um im Weißachbiotop unter dem Eisenbahnviadukt nach den Tieren zu suchen, die mit den Ohren sehen, hatte der Ortsverband Backnanger Bucht des BUND eingeladen. Der Titel der Expedition lautete „Backnanger Batnight 2021“.

Treffpunkt war der Parkplatz am Jobcenter und los ging es abends um 19.30 Uhr, also genau zur rechten Zeit, zu der die Fledermäuse ihre Schlafplätze verlassen und zur nächtlichen Jagd ausschwärmen, erklärte Dirk Jerusalem, der örtliche Fledermausspezialist und -kenner des BUND in seiner Einführung. Insgesamt 13 Neugierige, darunter drei Kinder zwischen vier und sechs Jahren, lauschten den Ausführungen des Experten. Vor allem die Kinder erwiesen sich als besonders interessiert, informiert und engagiert. Die Gruppe hatte sich an diesem Abend Dirk Jerusalem anvertraut, um sich mit ihm im Weißachbiotop auf die Suche nach den Vögeln der Nacht zu machen, die seit jeher eine besondere Faszination auf den Menschen ausüben.

Die Fledermausbestände seien in den jüngsten 50 Jahren drastisch zurückgegangen, erfuhren die Exkursionsteilnehmer. Hauptgrund sei, dass die Tiere immer weniger Nahrung finden. Aufgrund der intensiven Landwirtschaft mit ihren ausgeräumten Flächen, des massiven Einsatzes von Pestiziden und Insektiziden selbst in Privatgärten werden Insekten, die Beutetiere der Fledermäuse, immer seltener. In den Wäldern, auf den Obstwiesen und in den zu Outdoor-Wohnzimmern getrimmten Gärten fehlten alte Bäume mit Hohlräumen, in denen sich Fledermäuse verstecken könnten, und durch die zunehmende Abdichtung von Hausfassaden und Dächern werden ihnen die Wohnräume, die sie zum Überleben und zur Aufzucht des Nachwuchses benötigen, genommen. Aufgrund der vielen Felswände und noch vorhandenen Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg würden die Fledermäuse in Backnang sogar überwintern. Alle in Deutschland vorkommenden etwa 30 Fledermausarten, betonte Jerusalem, seien nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Sie dürfen ohne behördliche Ausnahmegenehmigung weder getötet, gefangen oder erheblich gestört werden. Geschützt sind auch ihre Quartiere wie Baumhöhlen, Dachböden, Fassadenverkleidungen oder Zwischendächer. Es sei gut zu wissen, gab Jerusalem mit auf den Weg, dass Fledermäuse an Gebäuden keinen Schaden verursachen. Die schwarze Färbung an altem Dachgebälk, das über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg als Fledermausquartier diene, komme von dem Fett, mit dem die Tiere ihre Flügel pflegen. In Backnang seien vor allem vier Fledermausarten anzutreffen: Zwergfledermaus, Großer Abendsegler, Breitflügelfledermaus und Wasserfledermaus. Sie würden nachts jagen, der Große Abendsegler sei auch schon eine Stunde vor Sonnenuntergang am Himmel und teile sich das Jagdrevier mit Schwalben. Die Säugetiere würden ihre Beute im Flug fangen, im Gegensatz zu den vegetarischen, in Tropen vorkommenden Flughunden seien sie Fleischfresser.

Matschfeste Schuhe oder Gummistiefel, lange Hosen, warme Kleidung zum Überziehen hatte Jerusalem den Teilnehmern an der Expedition vorab angeraten, aus gutem Grund, wie sich schnell herausstellte. An der Weißach wurde es empfindlich kühl, kaum dass die Sonne untergegangen war, und im Biotop selbst stand nach den üppigen Niederschlägen dieses Sommers das Wasser. Doch die Exkursionsteilnehmer wurden für ihren Ausflug in die Dunkelheit belohnt. Kaum dass Jerusalems Fledermausdetektor anschlug, der die Schreie der Fledermäuse, mit deren Hilfe sie sich wie mit einem Echolot orientieren, in eine für Menschen hörbare Frequenz umwandelt, waren die eleganten Flieger auch schon zu beobachten: hoch oben am Himmel die beeindruckenden Breitfledermäuse mit einer Flügelspannweite von 32 bis 38 Zentimetern, die ein Gewicht zwischen 14 und 35 Gramm erreichen. Der Große Abendsegler mit seinen 40 Zentimetern Flügelspannweite und bis zu 40 Gramm Gewicht zog weite Kreise, während die nur 3 bis 4 Gramm schwere Zwergfledermaus pfeilschnell über die Köpfe huschte und die kaum größere und schwerere Wasserfledermaus knapp über Weißach und Murr huschte. Ein Erlebnis, waren sich die Teilnehmer einig, das auch nasse Füße und sogar das eine oder andere Abrutschen in eine Pfütze oder ein quer über den Weg verlaufendes Rinnsal wert war.

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Erstellt:
3. September 2021, 06:00 Uhr

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