Diskussion um sauberen ÖPNV
Gemäß einer EU-Richtlinie muss der Busverkehr künftig zu einem bestimmten Prozentsatz mit sauberen und emissionsfreien Fahrzeugen betrieben werden. Im Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistags wurden nun die Regularien für die Ausschreibung festgelegt.
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. Mit so viel Gegenwind, wie sie ihn in der Sitzung bekamen, hatten die Vertreter der Kreisverwaltung wohl nicht gerechnet. Mit Markus Dannemann (Freie Wähler) sitzt im Gremium aber einer, der von Fach ist. Schließlich führt der Weinstadter ein eigenes Omnibusunternehmen. Und der Beschlussvorschlag der Verwaltung passte dem Kreisrat gar nicht. Doch worum ging es überhaupt?
EU-weit sollen die Busflotten im ÖPNV auf emissionsfreie Antriebe umgestellt werden. Das besagt die EU-Richtlinie Clean Vehicle Directive (CVD) von 2019. Diese wurde 2021 im Bundesgesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge umgesetzt. Konkret bedeutet das: Bei Ausschreibungen der Linienbündel bis Ende 2025 müssen mindestens 45 Prozent der Busse sauber sein, ab 2026 bis Ende 2030 erhöht sich die Quote auf 65 Prozent. Damit nicht genug, jeweils die Hälfte der sauberen Busse muss sogar emissionsfrei sein (mehr dazu im Infotext). Das trifft auch den Rems-Murr-Kreis, der sich aktuell mitten im Ausschreibungsverfahren für die Linienbündel befindet. In der jüngsten Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses des Kreistags wurde darüber beraten.
Bei zwei Linienbündeln wird auf Wasserstoff gesetzt
Eine Besonderheit gibt es dahingehend im Rems-Murr-Kreis: In Waiblingen ist schließlich der Bau und Betrieb einer Wasserstofftankstelle geplant (wir berichteten). Seit Juli läuft das Ausschreibungsverfahren hierfür. „Die Zeichen deuten darauf hin, dass wir mit Wasserstoff eine Zukunftstechnologie fördern“, konstatierte Landrat Richard Sigel. Bis spätestens 31. Juli 2025 müsse die Tankstelle gebaut sein, erläuterte Hanna Steiner, Leiterin des Amts für öffentlichen Personennahverkehr. Denn dann soll der Betrieb der Linienbündel 1 (Fellbach/Kernen) und 2 (Unteres Remstal) mit Wasserstoffbussen starten. In diesen Bündeln sind folglich fast alle Busse der Regelleistung (ausgenommen sind Verstärkerbusse und Kleinbusse) emissionsfrei.
In allen elf anderen Bündeln soll die Quote gemäß CVD angewandt werden, so Steiner. „Die Herausforderung ist riesengroß“, räumte Sigel ein. Allerdings schlug die Verwaltung vor, die Ausschreibung technologieoffen zu halten. So können die Busunternehmen selbst entscheiden, welche Art von sauberen und emissionsfreien Bussen sie zum Einsatz bringen. Auch im ländlichen Bereich des Rems-Murr-Kreises sieht der Landrat viel Potenzial. „Wir sind mit Unternehmen im Gespräch, die große Dachflächen haben“, berichtete er. Das eröffne Möglichkeiten. Und auch eine Ausweitung der Wasserstoffbusse könne er sich vorstellen.
„Wir haben dann hier eine massive Übererfüllung der Quote“, wetterte Markus Dannemann nach dem Vortrag der Amtsleiterin. Das sei der Fall wenn zwei Bündel schließlich fast gänzlich emissionsfrei betrieben werden und die anderen die Quote ebenfalls erfüllen. Zudem bemängelte er, dass sich der Zuschnitt der Linienbündel ab 2026 ändere, was besonders auf den Bereich Unteres Remstal große Auswirkungen habe. „Da werden zwei starke Linien weggenommen und nur eine starke kommt dazu“, führte Dannemann aus. Das wiederum habe zu Folge, dass weniger Busse benötigt werden. Gerade auf diesen Linien sollen aber die Wasserstoffbusse fahren. „Dann hat der Unternehmer einen Haufen kaum benutzter Wasserstoffbusse übrig, für die es keine Abnehmer gibt.“
Hanna Steiner hielt dagegen, dass das Landesmobilitätsgesetz in Baden-Württemberg noch nicht verabschiedet ist und womöglich eine Verschärfung der Quoten beinhaltet. Insofern sei die Übererfüllung nicht verkehrt. Zumal, so Steiner, diese nicht extrem ausfalle. Was die Aufteilung der Linienbündel angeht, sagt der Erste Landesbeamte Peter Zaar, habe man diese mit dem VVS ausgearbeitet. Solcherlei Dinge seien berücksichtigt worden. „Man kann die Busse auch leasen“, merkte er darüber hinaus an.
Im Gremium hatten Dannemanns Einlassungen aber Zweifel gesät. Raimon Ahrens (Freie Wähler) schlug deshalb vor, den Bedarf bei den Linienbündeln noch einmal aufzuarbeiten und den Beschluss auf die nächste Sitzung des Gremiums zu verschieben. Auch Markus Dannemann selbst fand: „Es ist noch zu früh für eine Abstimmung.“ Das wiederum kam bei der Kreisverwaltung nicht gut an. „Wir brauchen den Beschluss eigentlich schon gestern“, sagt Hanna Steiner. Denn das Ausschreibungsverfahren sei schließlich schon angestoßen. Folglich wurde der Beschluss bei drei Gegenstimmen und zehn Enthaltungen gefasst. Nach einer Anregung von Nadine Gothe (Grüne) gilt die Technologieoffenheit bei den Linienbündeln 3 bis 13 vorerst nur bis zum Jahresende 2025.
Unterscheidung Die EU-Richtlinie fordert einen bestimmten Prozentsatz sauberer Busse, jeweils die Hälfte davon muss sogar emissionsfrei sein.
Saubere Busse Bei einem sauberen Bus kommen alternative Kraftstoffe zum Einsatz. Darunter fallen nachhaltige Biokraftstoffe (etwa aus Raps), synthetische Kraftstoffe (sogenannte E-Fuels), Erdgas (einschließlich Biomethan), Flüssiggas, Plug-in-Hybride, Elektrizität und Wasserstoff.
Emissionsfreie Busse Als emissionsfrei gilt ein Bus, wenn er entweder ohne Verbrennungsmotor auskommt (etwa mit einer Wasserstoffbrennstoffzelle oder elektrischem Antrieb in Form von Batterien oder Oberleitungen) oder einen Verbrennungsmotor vorweist, dessen Verbrauch weniger als ein Gramm CO2 pro Kilowattstunde oder pro Kilometer vorweist.