Ein Förderbescheid als Initialzündung für die IBA in Backnang
Ein Förderbescheid des Bunds über drei Millionen Euro soll in Backnang die Umsetzung erster Baumaßnahmen im Rahmen der IBA-Planungen anstoßen. Vieles hängt allerdings von der Kooperationsbereitschaft der vier Eigentümer ab, auf welche sich der Großteil der Flächen verteilt.
Von Kai Wieland
Backnang. Ob IBA-Festival, Kunstausstellungen oder Kulturveranstaltungen im Murrpott: Im Westen Backnangs zwischen Friedrichstraße und Murrtalviadukt ist in den vergangenen Monaten wieder Leben eingekehrt. Zwar trügt der Schein des Verfalls ohnehin ein Stück weit, denn die alten Fabrikbauten der einstigen Leder- und Textilindustrie sind keineswegs komplett ausgestorben. Zahlreiche größere und kleinere Gewerbebetriebe, Start-ups sowie Tanz- oder Kampfkunstschulen haben sich hier bei überschaubaren Mietpreisen niedergelassen. Als Aufenthalts- oder gar als Wohnort ist das Gebiet jedoch seit Langem ein blinder Fleck. „Da ist nichts, da geht man nicht hin“, bringt es Anja Kleist vom Stadtplanungsamt auf den Punkt.
Daran soll sich im Zuge der IBA 2027 (siehe Infotext) allerdings einiges ändern. Die Belebung des Quartiers durch das IBA-Festival mit kulturellem Rahmenprogramm im vergangenen Sommer soll nur ein Vorbote gewesen sein für eine ganzheitliche Neugestaltung und Aufwertung des Areals (wir berichteten). Trotz dieser Anstrengungen wissen laut unserem BKZ-Bürgerbarometer allerdings nur 44,1 Prozent der hiesigen Bevölkerung von den Plänen rund um die IBA. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass es bislang nur wenig Konkretes – soll heißen umgesetzte Baumaßnahmen – zu sehen gibt.
Der Förderzeitraum ist begrenzt
Für einen ersten Schub soll nun ein Förderbescheid über drei Millionen Euro sorgen, welchen Oberbürgermeister Maximilian Friedrich im Technik-Forum von Elisabeth Kaiser, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, in Empfang nehmen durfte. „Das Projekt hat viele Aspekte mit Vorzeigecharakter und dient daher als Vorbild der Stadtentwicklung, weswegen wir es im Rahmen des Programms Nationale Projekte des Städtebaus fördern wollen“, so Kaiser. Bereits im Jahr 2022 war das Projekt für das Programm ausgewählt worden, welches einen Förderzeitraum von fünf Jahren vorsieht. Den Umstand, dass der Förderbescheid erst knapp zwei Jahre später in Backnang einging, merkte Friedrich bei aller Dankbarkeit kritisch an. „Wir hoffen im Sinne eines unbürokratischen Handelns, dass der Förderzeitraum entsprechend um zwei Jahre verlängert wird. Es wäre doch schade, wenn nicht alle Mittel abgerufen werden könnten.“ Zu derartigen Zusagen ließ sich die Staatssekretärin allerdings nicht hinreißen. „Über die angesprochenen Förderzeiträume kann ich leider, da es haushaltstechnisch schwierig ist, keine positiven Nachrichten mitbringen.“ Zwar sei es im Sinne des Bunds und insbesondere des Bundesbauministeriums, dass Fördermittel auch auf den Weg gebracht würden, doch sei man immer an die Möglichkeiten des Bundeshaushalts gebunden. „Wir sind aber stets bemüht“, betonte Kaiser.
Weitere Themen
Drei Millionen Euro sind natürlich nur ein Bruchteil dessen, was an Kosten für die Umgestaltung des gesamten Quartiers anfallen wird. Den größten Brocken wird allerdings nicht die Stadt selbst stemmen. „Die Förderung wird uns vor allem als Initialzündung dienen“, erklärte Friedrich. „Wir als Stadt Backnang sind dort nur mit bescheidenen Flächen vertreten.“ Im Wesentlichen seien es vier Familien, welche in dem betreffenden Areal mit unterschiedlichen Flächen in Anzahl und Größe vertreten seien. „Es war uns ganz wichtig, dass die Eigentümer zu jedem Zeitpunkt hinter dem Projekt stehen“, erklärte Anja Kleist, die im Technik-Forum den im März vom Gemeinderat verabschiedeten Rahmenplan für das Quartier vorstellte. „Er ist eine deutliche Weiterentwicklung gegenüber dem Wettbewerb.“ So sei man davon abgerückt, in jedem der Bereiche einen Hochpunkt einzuplanen. „Sie waren sowohl in der Bevölkerung als auch in der Verwaltung umstritten“, verriet Kleist. Stattdessen sei nur auf dem Citycampus nördlich der Wilhelmstraße unter Ausnutzung der vorhandenen Topografie ein mehrgeschossiger Mobility Hub vorgesehen, welcher einen Großteil der Stellplatzbedarfe aus dem Quartier abdecke. „Die Stellplatznutzung dient als Sockelbauwerk, darauf aufbauend sind Wohnnutzungen und gegebenenfalls Gewerbe geplant.“ Der Rahmenplan sieht ein Wohnhochhaus mit zwölf Wohngeschossen vor, inklusive Parksockel umfasse das Gebäude dann 15 Geschosse, so Kleist. Hinter diesem neuen Rahmenplan stehe nicht nur der Gemeinderat, sondern auch seitens der Eigentümer gebe es ein klares Bekenntnis, diesen Weg zu gehen – sofern es die komplexen Rahmenbedingungen etwa im Hinblick auf den Hochwasserschutz zulassen.
Sichtbar werden soll zunächst die Umgestaltung des Hodum-Areals
Es wird eine Aufgabe für die kommenden Jahrzehnte sein, das Quartier Backnang-West neu zu gestalten. Aus diesem Grund habe man sich seitens der Stadt auf eine konzeptionelle Maßnahme, nämlich ein Stoffkreislaufmanagementsystem, und auf drei bauliche Maßnahmen fokussiert, die bis zur IBA im Jahr 2027 abgeschlossen sein sollen. Sichtbar werden sollen für die Backnanger Bevölkerung zunächst die Umgestaltung des Hodum-Areals, die Schaffung einer Murrpromenade und das Bauprojekt Fabrikstraße 45, für welches die Planungen am weitesten fortgeschritten sind. Der Eigentümer, die Grundstücksgemeinschaft Carl Kaess, hat bereits ein Werkstattverfahren durchgeführt und den Entwurf eines Berliner Architekturbüros ausgewählt (wir berichteten). Bei Hodum hingegen sei man noch am Anfang, zunächst einmal gehe es nur um eine Bestandserhaltsanierung und eine Dachsanierung. „Auch dieses Projekt sehen wir aber bis 2027 realisiert“, erklärte Kleist. Gerade weil das Hodum-Areal den Quartierseingang bilde, sei eine Aufwertung wichtig. „Da muss dann auch die Promenade entsprechend realisiert werden.“ Diese schließlich hat sich die Stadt selbst auf die Fahne geschrieben, wofür allerdings zunächst große Parkflächen von der Firma Tesat erworben werden müssen, auf denen die Anlage entstehen soll. Hier zeigte sich Kleist aber optimistisch, schließlich habe sich auch Tesat hinter diesen Rahmenplan gestellt. „Wir müssen eben alternative Parkplätze anbieten, dann trägt der Eigentümer es auch mit“, sagte Kleist. Diese sollen vor allem durch zentrale Mobility Hubs geschaffen werden.
Dafür sowie für diverse weitere vorbereitende Maßnahmen, etwa die Ertüchtigung eines Regenüberlaufbeckens, sollen die Fördergelder vorrangig verwendet werden. „Für den gesamten Park reicht es natürlich bei Weitem nicht“, so Kleist.
Internationale Bauausstellung 2027 Die IBA’27 in der Region Stuttgart beschäftigt sich mit der Zukunft des Bauens und Zusammenlebens in starken Wirtschaftsregionen. „Unsere Kernhypothese lautet, dass die Trennung von Arbeit und Wohnen im 21. Jahrhundert nicht mehr nötig ist“, so Intendant Andreas Hofer. Insgesamt umfasst die Ausstellung 26 offizielle IBA-Projekte in und um Stuttgart sowie zahlreiche weitere Bauvorhaben im weniger eng verbundenen sogenannten IBA-Netz, darunter das Wohnprojekt im Blütengarten in Backnang (wir berichteten).
Quartier Backnang-West Im rund 17 Hektar großen Projektgebiet, welches vor allem die Flächen der einstigen Leder- und Textilindustrie entlang der Fabrikstraße zwischen Murrtalviadukt und Friedrichstraße einschließt, sollen drei Bereiche entstehen: der „Citycampus“ mit Werkhöfen und grünen Plätzen, die „Wohnfabrik“ und das zentral gelegene „Stadtwerk“ mit gemeinschaftlichen und öffentlichen Institutionen. Die Murr solle dabei wieder ins städtische Bewusstsein gerückt werden, ähnlich wie es schon in der Oberen Walke der Fall sei, so Maximilian Friedrich. Perspektivisch sollen dadurch 1500 Arbeitsplätze und Wohnraum für 1300 Menschen geschaffen werden. Das Projekt Backnang-West wurde 2019 mit Bürgerbeteiligungsverfahren und Expertenworkshops begonnen, seit 2020 ist es ein offizielles IBA-Projekt.