Ein Gewinn für die ambulante Versorgung in Backnang
Die bisherige orthopädisch-chirurgische Praxisgemeinschaft im Backnanger Gesundheitszentrum ist nun ein medizinisches Versorgungszentrum. Die neue Struktur soll die ambulante Medizin stärken und eine engere Verzahnung mit der stationären Versorgung ermöglichen.
Von Kai Wieland
Backnang. „Da hat sich viel getan seit den Anfängen, als man beim Röntgen noch mit Chemiegeruch und Dunkelkammer zu tun hatte“, erzählt der Orthopäde und Unfallchirurg Franco Tarantini während eines Praxisrundgangs mit Blick auf die mittlerweile überwiegend eingesetzte digitale Röntgentechnologie. Anlass der kleinen Tour ist die Vorstellung des neuen medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) für Orthopädie und Chirurgie der Rems-Murr-Kliniken und des Rems-Murr-Kreises, welches im April die bisherige orthopädisch-chirurgische Praxisgemeinschaft von Klaus Reinecke und Franco Tarantini nahtlos abgelöst hat.
Patienten der seit 2013 im Gesundheitszentrum ansässigen Praxis werden sich in den neuen Räumlichkeiten indessen schnell zurechtfinden – sie sind nämlich unverändert. Überhaupt sollen die Menschen abgesehen von einigen neuen Gesichtern in der Belegschaft und dem Fehlen von Klaus Reinecke, der sich in den Ruhestand verabschiedet hat, von den Umstellungen wenig mitbekommen. Am Leistungsspektrum jedenfalls soll sich nichts ändern, im Gegenteil. „Es wird wachsen, vor allem in der Tiefe“, verspricht Tarantini.
Ein Bekenntnis für den Standort
Nach dem 2023 gegründeten MVZ für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Pränataldiagnostik in Winnenden ist es die zweite Einrichtung dieser Art (siehe Infotext), welches die Rems-Murr-Kliniken und der Kreis gemeinsam ins Leben gerufen haben. Sowohl Landrat Richard Sigel als auch der Backnanger Oberbürgermeister Maximilian Friedrich begrüßen den Schritt. Gerade jetzt, da der Stachel durch die angekündigte Schließung der Notfallpraxis tief sitzt, sei es ein wichtiges Signal. „Es ist ein klares Bekenntnis zum Standort“, so Friedrich.
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Ambulante Medizin auf hohem Niveau sowie eine engere Verzahnung mit der stationären Versorgung lauten die Versprechen, welche das MVZ für Backnang bereithalten soll. Letzteres ist durchaus auch personell zu verstehen: Mit der Oberärztin Maren Benkowitsch, Oberarzt Nikolay Dimitrov und Ahmed Elsakka erhält die Backnanger Einrichtung Verstärkung von drei Klinikärzten. Während diese abwechselnd in Backnang vor Ort sind, wird Franco Tarantini in gewohnt vollem Umfang – „110 Prozent“ – für seine Patienten da sein.
Auch Zentral-OP in Winnenden wird entlastet
Joachim Singer, Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Rems-Murr-Klinikum Winnenden, hob die Vorteile hervor, welche die Einrichtung des MVZ auch für sein eigenes Haus bietet: „Für die Menschen in der Region Backnang werden die Wege kürzer, wenn wir die OP-Möglichkeiten hier nutzen, aber gleichzeitig wird auch der Zentral-OP entlastet.“ Darüber hinaus gewinne das Klinikum als Ausbildungsort an Zugkraft, wenn den jungen Ärzten auch Einblicke in den ambulanten Bereich eröffnet werden könnten.
Bei aller Freude über die neue Einrichtung konnte Richard Sigel doch nicht umhin, auch etwas Wasser in den Wein zu gießen: „Wir hier allein können nicht der Schlüssel für die medizinische Versorgung im Rems-Murr-Kreis sein.“ Maximilian Friedrich schloss sich an: „Wir müssen auch an die strukturellen, bürokratischen Themen ran“, forderte er mit Blick auf Berlin und wies auf die am Montag anstehende Sitzung des Kreistags hin. Dort soll es dann um eine Resolution gegen die geplanten Schließungen der Notfallpraxen in Backnang und Schorndorf gehen.
Modell Das Bundesministerium für Gesundheit definiert medizinische Versorgungszentren als eigenständige Leistungserbringer, in denen mehrere ambulant tätige Ärzte unter einem Dach zusammenarbeiten. Im Gegensatz zu den klassischen Formen, bei denen die Praxisinhaber die ärztliche Tätigkeit persönlich ausüben, zeichnen sich MVZ durch eine Trennung der Inhaberschaft von der Behandlungstätigkeit aus.
Attraktivität Insbesondere junge Medizinerinnen und Mediziner bevorzugen mittlerweile oftmals eine Tätigkeit in einem Angestelltenverhältnis. Aus diesem Grund stellen MVZ eine attraktive Form der Berufsausübung dar, zumal hier mitunter flexiblere Arbeitszeitmodelle möglich sind.
Träger MVZ können von zugelassenen Ärzten und zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen, von bestimmten gemeinnützigen Trägern und von anerkannten Praxisnetzen gegründet werden. Darüber hinaus besteht auch für Kommunen die Möglichkeit, MVZ zu gründen und damit aktiv die Versorgung in der Region zu verbessern. Die Leitung eines MVZ muss hingegen in der Hand eines Arztes oder einer Ärztin liegen, der in dem MVZ selbst tätig und in medizinischen Fragen weisungsfrei ist.