Ein Steinbrecher sorgt für Wirbel in Lippoldsweiler
In Lippoldsweiler will die Firma Tierra Noble in einer Halle eine Anlage zur Erdaufbereitung erstellen. Zum Einsatz soll auch eine Maschine zum Brechen von Betonteilen kommen. Anwohner befürchten Lärm, Staub und Verkehr. Der Technische Ausschuss hat die Baumaßnahme abgelehnt.
Von Florian Muhl
Auenwald. In Lippoldsweiler ist der Streit um eine geplante Baumaßnahme offen ausgebrochen. Auf einem ehemaligen Firmengelände der Firma Wendler (Däfernstraße 13) möchte die Firma Tierra Noble die Nutzung ändern. Ihr Projekt sieht laut Gemeindeverwaltung unter anderem vor, Betonabbruch zu brechen und zu recyceln sowie Erdmaterial zu sieben. Die Verwaltung schlug jetzt im Technischen Ausschuss vor, das Bauvorhaben abzulehnen. Diesem Vorschlag stimmte das Gremium bei zwei Gegenstimmen (UWA) zu. Rund 170 Bürgerinnen und Bürger waren zu der Sitzung in die Auenwaldhalle gekommen, viele davon wegen dieses Tagesordnungspunktes.
Die Sichtweise der Unternehmer Hinter dem geplanten Projekt stecken die beiden Partner Benjamin Rader und Alexander Rümke. Rader ist Geschäftsführer der Firma Tierra Noble GmbH, kurz Tino. Rümke ist Garten- und Landschaftsbauer und hat seinen Betrieb auf einem Nachbargrundstück.
Das Unternehmen wird sich nach eigenen Angaben auf das nachhaltige Recycling von Erde und Bauschutt spezialisieren und dabei auf umweltschonende Verfahren sowie erneuerbare Energien setzen. Die neue Anlage soll mit einer großflächigen Fotovoltaikanlage ausgestattet werden. Zudem soll aus dem gesammelten Holzabfall Fernwärme erzeugt werden, die Anwohnern angeboten werden könnte. „Wir möchten nicht nur einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten, sondern auch die lokale Gemeinschaft und Kooperation in der Region Auenwald unterstützen“, so Benjamin Rader. „Wir sind stolz darauf, einen positiven Beitrag zum Umweltschutz und zur Entwicklung unserer Gemeinde zu leisten“, sagt der Geschäftsführer.
Alexander Rümke versichert bei einem Vor-Ort-Gespräch, dass als Rohmaterial kein Hausabbruchmaterial verwendet wird: „Nein, hauptsächlich Erdbau und Gartenbau.“ Der Lkw-Verkehr nehme im Vergleich zum Vorbesitzer nicht zu, sondern halbiere sich sogar. Die Brummis fahren in die hintere Halle und werden nur dort ent- und beladen. Und die Steinbrechmaschine in der Halle wird laut Rümke nur 20 Minuten am Tag laufen. Für diese werde noch eine Benebelungsanlage installiert, die verhindere, dass überhaupt Staub aus der Maschine kommt. Bezüglich des Lärms sagt der Garten- und Landschaftsbauer: „Wenn der Backenbrecher läuft, können Sie daneben stehen und sich unterhalten.“
Die Firma Tierra Noble hat ein Schallgutachten bei der Firma Soundplan in Backnang in Auftrag gegeben. „Das Fazit des Gutachters ist, dass der Lärm nicht über unsere Grundstücksgrenzen hinaus geht. Der Lärm kommt also an dem Wohngebiet gar nicht an“, sagt Alexander Rümke. Auch eine massive Wand, 60 Zentimeter dick, die in der hinteren Halle über die ganze Höhe und Hallenlänge noch gebaut werden soll, verhindere die Ausbreitung des Schalls. Die Unternehmer sind jederzeit bereit, vor Ort Fragen zu beantworten und die eingesetzten Maschinen vorzuführen.
Die Sichtweise der Gemeinde „Wir haben Bedenken hinsichtlich des geplanten Teils der Halle, der für die Betonverwertung und das Sieben von Erdmaterial in Halle 3 vorgesehen ist“, heißt es in der Sitzungsvorlage. Der Grund: das eingeschränkte Gewerbegebiet. Es seien Nutzungen mit der Einschränkung zulässig, das Wohnen nicht wesentlich zu stören. Aber die geplante „Nutzung würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erheblichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Lebensqualität unserer Gemeinde führen“, so die Verwaltung. Und weiter: „Die Lärmbelästigung, die durch den Betrieb einer Betonverwertungsanlage entstehen würde, könnte die Ruhe und Erholung unserer Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen.“ Zudem bestünden Bedenken hinsichtlich möglicher Umweltverschmutzung und Gesundheitsrisiken, die mit einer solchen Anlage einhergehen könnten. „Eine solche Anlage in einem eingeschränkten Gewerbegebiet passt nicht in dieses Gebiet und hat unserer Ansicht nach dort auch nichts verloren“, sagte Bauamtsleiter Pierre Mayer in der Sitzung des Technischen Ausschusses.
Die Gutachten, die der Bauherr über die Emissions- und Immissionswerte vorgelegt hat, sind nach Ansicht der Verwaltung unzureichend und unvollständig.
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Die Sichtweise der Anwohner Neben der völlig ungeeigneten Verkehrsverhältnisse für eine regelmäßige und hochfrequentierte Anlieferung der Recyclingmaterialien soll nun eine Umwandlung des Grundstückes in ein reines Industriegebiet beantragt werden, um die Einschränkungen in Sachen Lärm und so weiter im Rahmen eines Mischgebiets auszuhebeln.
„Das Unternehmen ist umgeben von Wohngebäuden und die Wegstrecken zum Unternehmen werden regelmäßig durch Kinder und Jugendliche auf dem Weg von und zur Schule frequentiert, mal abgesehen davon, dass die Verkehrsverhältnisse in der Däfernstraße heute schon sehr beengt sind und es außer einer Verengung keinerlei gesicherte Querungen der Straße gibt“, schreibt ein Anwohner. Und es gebe viele Kinder im Wohngebiet. Weiterhin gibt es seitens der Anlieger erhebliche Bedenken in Sachen Feinstaubbelastung und Lärm.
Der eigentliche Stein des Anstoßes ist die geplante Recyclinganlage, bei der ein Backenbrecher im Halleninneren betrieben werden soll, der ein Maximalgeräusch von 105 Dezibel (dB) erzeugt. „Dies entspricht einem Wert, der zwischen dem Geräusch eines Presslufthammers und dem eines Rockkonzerts in der Nähe der Lautsprecher entspricht“, so der Anwohner. Und weiter: „Die dafür vorgesehene Halle verfügt über keine spezifische Geräuschdämmung, sodass seitens der Anwohner erhebliche Bedenken bestehen, dass die in einem Mischgebiet geltenden 60 dB eingehalten werden und das über einen Zeitraum von 6 bis 22 Uhr, in dem der Betrieb zulässig wäre.“ Darüber hinaus ist mit einer erheblichen zusätzlichen Lärmbelästigung durch die Anlieferung und Abholung der zu verarbeitenden Stoffe zu rechnen, befürchten die Anlieger.
Ein Anwohner habe gehört, dass die hinter dem Unternehmen stehenden Investoren wohl alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen wollen, um die Veränderung zu erzwingen. Weiterhin kursiere das Gerücht, dass die Firma Tierra Noble die Wandlung des Mischgebiets in ein Industriegebiet anstrebe, was zur Folge hätte, dass ein ganzjähriger 24-Stunden-Betrieb möglich wäre, befürchten die Anwohner.
Die Anwohnerinnen und Anwohner haben Sorge, dass bei diesem Bauvorhaben schon jetzt Fakten geschaffen werden und dass man mit Hinweis auf neue Arbeitsplätze und sonstigen Argumenten versuchen wird, eine Genehmigung zu erzwingen.
Fragen in der Bürgerfragestunde Welche Konsequenzen hat das Ablehnen der Gemeinde und wie geht’s weiter, wollte ein Fragesteller aus dem Publikum wissen. „Die Stadt Backnang als Baurechtsbehörde ist die nächst höhere Instanz, der werden wir jetzt unsere Entscheidung mitteilen und die entscheidet über das weitere Verfahren oder Vorgehen“, so die Antwort von Bürgermeister Ernst. „Was passiert, wenn sich die Firma Tino darüber hinwegsetzt und trotzdem anfängt zu schreddern?“, lautete die Frage einer Anwohnerin. Bürgermeister Kai-Uwe Ernst dazu: „Dann werden wir das entsprechend bei der Baurechtsbehörde anzeigen, bei der Stadt Backnang.“
Von Florian Muhl
Nein, einen Betonbrecher hätte ich auch nicht gern vor der Haustür. Der macht Lärm und der macht Staub. Und die ganzen Lkw. Die machen noch mehr Lärm und Staub.
Aber ist das wirklich so? Die beiden Betreiber der Anlage sagen Nein. Es wird kein Lärm Richtung Wohngebiet dringen. Alles findet in der Halle statt. Der Brecher läuft nur 20 Minuten am Tag, ansonsten ist die Siebanlage in Betrieb, die leiser ist. Staub soll laut Betreiber durch eine Vernebelungsanlage verhindert werden. Und es wird versichert, dass weniger Lkw unterwegs sind, als zuvor. Solange sie die gesetzlichen Vorgaben einhalten, sollten die Jungunternehmer wenigsten die Chance erhalten, die Anlage einmal im Betrieb vorzuführen.
f.muhl@bkz.de