„Eine Liebesheirat war es nicht“

50 Jahre Gemeindereform: Der Zusammenschluss der Gemeinden Großaspach, Kleinaspach, Rietenau und Allmersbach am Weinberg war aufgrund bestehender Verflechtungen sinnvoll und nur wenig umstritten – auch wenn andere Konstellationen anfangs im Raum standen.

Die weiterführende Schule in Großaspach – hier in der Bauphase – verband die vier Gemeinden schon vor dem Zusammenschluss und war daher ein entscheidender Faktor in den Verhandlungen. Foto: BKZ-Archiv

Die weiterführende Schule in Großaspach – hier in der Bauphase – verband die vier Gemeinden schon vor dem Zusammenschluss und war daher ein entscheidender Faktor in den Verhandlungen. Foto: BKZ-Archiv

Von Lorena Greppo

Aspach. „Jeder vernünftige Mensch muss von Anfang an gewusst haben, dass der Zusammenschluss eigentlich alternativlos war“, ist Jürgen Gäbisch auch fast 50 Jahre später noch überzeugt. Der ehemalige Kämmerer der damals noch selbstständigen Gemeinde Großaspach erlebte hautnah mit, wie 1972 die Gemeinde Aspach gegründet wurde. Die Richtung sei schnell klar gewesen, ein Zusammenschluss der vier Gemeinden Großaspach, Kleinaspach, Rietenau und Allmersbach am Weinberg sollte her. „Eine Liebesheirat war es nicht“, macht der heute 77-Jährige klar. „Aber manchen Ehen soll der rationale Bezug ja eher bekommen sein als der emotionale“, fügt er humorvoll an. Immerhin seien die Widerstände gegen eine Fusion auch überschaubar geblieben. „Animositäten waren schon da“, räumt Gäbisch ein. „Die Rietenauer konnten mit den Kleinaspachern nicht.“ An der Abstimmung über den Zusammenschluss sei der Großteil der Bevölkerung jedoch nur mäßig interessiert gewesen: Die Bürgeranhörung vom Januar 1972 fand in Großaspach einen mit einer Beteiligung von 30 Prozent eher schwachen Zuspruch, berichtete der ehemalige Kämmerer. Für den Zusammenschluss kam dort allerdings ein klares Votum von 92 Prozent der Stimmen zustande.

War dieser Zusammenschluss der vier Kommunen tatsächlich alternativlos? Eine Eingemeindung sei jedenfalls nicht in Betracht gezogen worden, schließlich hatten die drei kleineren Kommunen zusammen ebenso viele Einwohner wie Großaspach. Und auch andere Konstellationen seien zwar besprochen worden, jedoch nie ernsthaft infrage gekommen, so Gäbisch. Die Gemeinde Kleinaspach verhandelte mit der benachbarten Gemeinde Oberstenfeld – „vielleicht wollten sie damit Druck ausüben“ –, Rietenau dachte über einen Weg mit Backnang nach. Auch eine Dreierlösung ohne Großaspach wurde erwogen.

„Eine große Rolle spielte bei den Verhandlungen auch der neue Gemeindename“, erklärt Gäbisch. Für die Gemeinde Rietenau sei es ein wichtiges Anliegen gewesen, den eigenen Ortsnamen unterzubringen und damit entsprechende Bestrebungen zur Wiederbelebung als Kureinrichtung zu unterstützen. Die drei übrigen Gemeinden jedoch favorisierten den Namen „Aspach“. Nachdem das Innenministerium entsprechend dem Mehrheitswillen keine Zustimmung zu einem Doppelnamen gab, sollte es dabei bleiben. Am 30. Januar 1972 wurde die Vereinbarung von den Bürgermeistern unterschrieben und am Tag darauf vom Landratsamt genehmigt.

Entscheidend für den Zusammenschluss der vier Gemeinden waren vor allem die vielen Verflechtungen, die bereits im Vorfeld der Gemeindereform bestanden hatten. Da gab es zum einen die Vereinbarung zwischen den Gemeinden Großaspach und Rietenau über die Wasserversorgung, zählt Gäbisch auf, den Abwasserzweckverband Klöpferbachtal mit den Verbandsgemeinden Großaspach, Rietenau und Allmersbach am Weinberg und allen voran die gemeinsame Vereinbarung über den Bau und Betrieb einer Hauptschule in Großaspach. Auch sei es – wie so oft – um die Finanzen gegangen, berichtet der langjährige Kämmerer. „Keiner hatte Geld“, erzählt er. Allerdings musste die Schule, auf die damals schon Kinder aus allen vier Gemeinden gingen, erweitert werden. Die Forderung der Großaspacher habe daher gelautet: Ihr zahlt mit! Über den Schulentwicklungsplan wurde dann eine Vereinbarung getroffen, welche 1970 um Abschluss kam. Abgesehen davon habe es keine größeren Einrichtungen gegeben, die gemeinsam genutzt wurden, berichtet Gäbisch.

Die vier Rathäuser der Teilorte wurden in den 70er-Jahren nach und nach aufgegeben, auch weil die Nachfrage nach Sprechstunden rasch abgenommen habe. Die Idee, auf einer Freifläche eine neue Ortsmitte zu schaffen, wurde verworfen, das Aspacher Rathaus in Großaspach verortet.

Die Bürgermeister der vier Gemeinden kandidierten nicht in Aspach

Konnte man so überhaupt als Gemeinde Aspach zusammenwachsen? Der 77-Jährige beantwortet die Frage dennoch mit einem klaren Ja. „Alle haben versucht, das Beste für die Gemeinschaft zu erreichen.“ Viel habe man hierbei dem ersten Bürgermeister der neuen Gemeinde, Heinz Layher, zu verdanken gehabt. „Er hat integrierend gewirkt“, lobt Gäbisch. Dabei sei es wichtig gewesen, dass der erste Aspacher Bürgermeister kein Amtsinhaber aus einer der vier Gemeinden war. Von Anfang an sei klar gewesen, dass sie im Falle einer Kandidatur keine besondere Unterstützung erhalten sollten. „Man sah darin insoweit eine Chance auf einen unvoreingenommenen Neubeginn“, so Gäbisch. In der Stellenausschreibung für die Bürgermeisterwahl wurde ein Hinweis auf die Bewerbung von einem der bisherigen Amtsinhaber mehrheitlich abgelehnt. Die Bürgermeister Hans Grass (Großaspach und Allmersbach) und Paul Stegmeyer (Rietenau) gingen in die Privatwirtschaft, Günther Hamann (Kleinaspach) wurde Bürgermeister in einer anderen Gemeinde.

Zur Stärkung örtlicher Bezüge wurde in der Anfangszeit die unechte Teilortswahl ausgeweitet, in späteren Jahren wurde sie jedoch abgeschafft – „ein Zeichen des gelungenen örtlichen und menschlichen Zusammenwachsens“, findet der Aspacher. Ein weiteres Zeichen einer gesellschaftlichen Einheit schuf Grafikdesigner Hellmut G. Bomm, zu dessen Spezialgebiet schon damals die Heraldik zählte und der damit beauftragt worden war, ein Wappen für die neu geschaffene Gemeinde zu erstellen. Die grün-weiße beziehungsweise grün-silberne Farbgebung lehnt an die Ursprungsgemeinden an, Motive sind die Weintraube und das Espenblatt, von deren Baum sich der Ortsname ableitet – „ein gelungenes Werk“, findet Gäbisch.

Im Rückblick stellt der Aspacher, der selbst noch bis 2008 Kämmerer in der Gemeinde war, zusammenfassend fest: „Es wäre nicht anders gegangen.“ Die Neuorganisation der Verwaltung sei schrittweise erfolgreich geschehen. Zwar gelte gerade im Hinblick auf die Finanzen: „Aus vier Armen wird kein Reicher“, als selbstständige Gemeinden wären Großaspach, Kleinaspach, Rietenau und Allmersbach am Weinberg mit den Herausforderungen der heutigen Zeit nicht fertig geworden.

Foto: privat

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„Animositäten waren schon da. Die Rietenauer konnten mit den Kleinaspachern nicht.“

Jürgen Gäbisch, langjähriger Kämmerer der Gemeinde Aspach

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Erstellt:
7. August 2021, 06:00 Uhr

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