Entscheidung über Wohncontainer in Auenwald vertagt
Weiterhin steht nicht fest, wo in Auenwald eine Flüchtlingsunterkunft erstellt wird. Rund 300 Zuschauer verfolgen in der Auenwaldhalle die Sitzung des Gemeinderats. Das Gremium stimmt für die Absetzung des Tagesordnungspunkts, und nur knapp gegen einen Bürgerentscheid.
Von Florian Muhl
Auenwald. Sechs Mann Security. Das macht Eindruck. Trauben von Menschen zwängen sich durch die Eingangstür der Auenwaldhalle. Die aufgestellten Stühle reichen nicht. Es wird nachbestuhlt. Am Ende sind es rund 300 Bürgerinnen und Bürger, die am Montagabend gespannt sind, wie der Gemeinderat beim Tagesordnungspunkt „Unterbringung von Flüchtlingen“ entscheiden wird. Der Beschlussvorschlag der Verwaltung sieht vor, dass der Gemeinderat dem geplanten Grundstück am südlichen Ortsrand von Mittelbrüden als Standort für Wohncontainer für Obdachlose und Flüchtlinge zustimmt.
Die Anwohnerin aus Mittelbrüden hat über ihren Rechtsanwalt Gunnar Stuhlmann angekündigt, „mit allen rechtlichen Mitteln“ gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft kämpfen und vorgehen zu wollen. Auf ihrem Grundstück hat sie ein Transparent aufgestellt, auf dem es heißt: „Flüchtlings-Container – nicht hier!“ Zudem sind in der Gemeinde Plakate gleicher Aufmachung und ähnlichen Inhalts an Straßenlaternen in den Brüden-Orten aufgehängt worden, insgesamt wohl 25, allerdings ohne Angabe des Verfassers. Wegen der fehlenden Genehmigung hat sie die Gemeindeverwaltung rasch wieder abhängen lassen.
Flurstück beim Gewerbegebiet liegt 300 Meter vom Wohngebiet entfernt
Auf den genannten Plakaten gab es auch einen Hinweis auf die Gemeinderatssitzung. Ob aus diesem Grund die Halle voll besetzt war? Die eventuell erwarteten Tumulte bleiben zum Glück aus, die Security muss nicht einschreiten. Aber eine Entscheidung über den geplanten Standort in Mittelbrüden fällt auch an diesem Tag nicht. Als erste Rednerin aus der Reihe des Gemeinderats meldet sich Barbara Hirzel zu Wort. Die Fraktionsvorsitzende der Bürgerlichen Wählervereinigung (BWA) verliest eine gemeinsame Stellungnahme der BWA, der Neuen Liste (NLA) und der Freien Wählervereinigung (FWA). Sie verdeutlicht, dass das betreffende Flurstück in Mittelbrüden direkt an ein Gewerbegebiet angrenzend und zirka 300 Meter vom nächsten Wohngebiet entfernt liegt. „Diese Konstellation ist einmalig in Auenwald“, sagt Barbara Hirzel.
Weiterhin hat die dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge in Auenwald die oberste Priorität für den Gemeinderat, erklärt die Sprecherin. Demnach sind bereits 198 Flüchtlinge in 28 gemeindeeigenen und durch die Gemeinde angemieteten Objekten untergebracht. „Damit wir dieses System weiterhin aufrechterhalten können, bitten wir die Bevölkerung, auch zukünftig Wohnraum zur Verfügung zu stellen“ appelliert Barbara Hirzel an die Bürger, so wie es Bürgermeister Kai-Uwe Ernst zuvor auch in seinem Vorwort gemacht hat.
Nur ein Teil der Bürgerschaft ist betroffen
„Um die gesetzlichen Bedingungen erfüllen zu können, muss die Unterbringung in öffentlichen Gebäuden wie zum Beispiel Turnhallen vermieden werden“, heißt es in der Stellungnahme der drei Fraktionen. Und weiter: „Somit müssen wir uns als letzte Option für einen Standort für die Aufstellung von Wohncontainern entscheiden.“ Um „eine größtmögliche Transparenz zu erreichen“, stellt Barbara Hirzel im Namen der BWA, NLA und FWA den Antrag, den Punkt „Unterbringung von Flüchtlingen“ von der Tagesordnung abzusetzen. Weiter beantragt sie, dass die Entscheidung über den Standort Mittelbrüden über einen Bürgerentscheid getroffen werden soll, und zwar am 9. Juni gemeinsam mit der Kommunalwahl. „Der Bürgerentscheid soll wie folgt formuliert sein: Auf dem Flurstück 502/2 Jägerstraße in Auenwald-Mittelbrüden sollen Unterkünfte zur vorübergehenden Unterbringung von Obdachlosen und Flüchtlingen errichtet werden“, so Barbara Hirzel. Die Bürger hätten dann die Möglichkeit, mit Ja oder Nein abzustimmen.
Weitere Themen
Bei vier Gegenstimmen der Mitglieder der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWA) stimmt der Gemeinderat dafür, den Beschlussvorschlag von der Tagesordnung abzusetzen. Vor der Abstimmung über den beantragten Bürgerentscheid meldet sich noch Tanja Aberle zu Wort. Zwar ist die Bürgerbeteiligung in Form eines Bürgerentscheids ein legitimes Mittel, so die UWA-Sprecherin. Aber in diesem Fall sei dieser nicht geeignet, weil es kein Thema ist, das alle Bürger betreffen würde, sondern vom Standort in Mittelbrüden sei nur ein kleiner Teil der Bürgerschaft unmittelbar betroffen. Bürger aus beispielsweise Lippoldsweiler würden anders abstimmen als die aus Mittelbrüden.
Eine Stimme fehlt für den Bürgerentscheid
Nicole Birkenbusch, Sprecherin der NLA, verteidigte den Antrag, einen Bürgerentscheid durchzuführen. Es gehe schließlich um ein Thema, das in der Gemeinde alle angehe. Das Motto „mehr Demokratie“ sei gerade in aller Munde, also warum nicht auch in Auenwald alle Bürger mitnehmen und befragen. Als es schließlich zur Abstimmung kommt, votieren die 12 anwesenden Räte der BWA, NLA und FWA für den Bürgerentscheid, und die 4 UWA-Räte dagegen, während sich der Bürgermeister seiner Stimme enthält. Ein FWA-Rat und eine NLA-Rätin fehlen an diesem Tag. Damit ist der Antrag abgelehnt, denn um den Vorschlag anzunehmen, hätte es einer Zweidrittelzustimmung bedurft, also 13 Stimmen.
Zu Beginn der Sitzung hatte Kai-Uwe Ernst die Zuschauer an das Gemeindemotto „Vielfalt. Zammahalt. Auenwald“ erinnert. „Es ist uns ein großes Anliegen, dass die Menschen, die hier ankommen, sich schnellstmöglich integrieren und somit Teil unsere Gesellschaft werden können“, so der Bürgermeister. An diesem Tag gehe es darum, dass der Gemeinderat über die baurechtliche Nutzung des Flurstücks in Mittelbrüden entscheidet. „Wir möchten dieses Flurstück als weiteren dezentralen Standort für die vorübergehende Unterbringung von Flüchtlingen nutzen.“ Weil aber über die weitere Planung erst später entschieden werde, könne er noch keine Aussage zur Belegungskapazität des Platzes treffen. „Was ich Ihnen aber sagen kann, ist, dass wir diese auf keinen Fall ausreizen werden“, versprach der Vorsitzende.
Bezüglich der Ängste und Sorgen von Bürgern sagte er: „Wir nehmen Ihre Bedenken sehr ernst, es ist uns aber auch wichtig darauf hinzuweisen, dass niemand vorverurteilt werden sollte. Die geschilderten Ängste haben sich in den vergangenen Jahren, wo bereits Hunderte Menschen in Auenwald Zuflucht gefunden haben, bisher nicht bestätigt.“ Es gebe auch durchaus positive Rückmeldungen. „Viele haben Verständnis für die Situation und sehen den Standort als eine gute Lösung, um die dezentrale Unterbringung auch weiterhin aufrechtzuerhalten“, so Bürgermeister Kai-Uwe Ernst. Und abschließend: „Nur zusammen können wir die vielfältigen Aufgaben meistern.“
Von Florian Muhl
Die Gemeinde Auenwald ist sowohl rechtlich als auch moralisch verpflichtet, Flüchtlingen zu helfen, wie jede andere Kommune auch. Die vorübergehende Aufnahme dieser Menschen ist eine Pflichtaufgabe. Darauf wies Bürgermeister Kai-Uwe Ernst hin, der weiterhin auf die dezentrale Unterbringung setzt. Das ist genau die richtige Politik. Die Gemeindeverwaltung sowie der DRK-Integrationsdienst und der Arbeitskreis Asyl haben da schon viel erreicht, letztlich mithilfe zahlreicher Bürger, die ihren Wohnraum zur Verfügung stellen. Wenn – wie bereits angekündigt – weitere Flüchtlinge zugewiesen werden, müssen wohl Hallen besetzt oder Wohncontainer aufgestellt werden.
Dezentrale Unterbringung bedeutet aber auch, dass es Unterkünfte in allen Ortsteilen geben wird. Auch in Mittelbrüden. Den Standort am Rand eines Gewerbegebiets als den am besten geeigneten ausfindig zu machen, dazu hat der Gemeinderat viele Wochen gebraucht. In knapp drei Monaten alle Bürger per Entscheid abstimmen zu lassen, ist der falsche Weg. Wozu wurden die Gemeinderäte gewählt? Um Wünsche und Nöte aller Bürger zu vertreten. Und jetzt wollen die Volksvertreter ihre Verantwortung auf die Bürger abwälzen? Das ist nicht in Ordnung. So geht letztlich auch viel Zeit flöten. Zeit, die die Gemeinde gar nicht hat.
f.muhl@bkz.de
„Wir haben seit jeher sämtliche Flüchtlinge dezentral in Auenwald untergebracht und das wollen wir auch weiterhin.“
Kai-Uwe Ernst, Bürgermeister von Auenwald