Für ein gutes Miteinander

Weissacher Kreisjugendring-Projekt „Lichtmuster“ endet – Handabdrücke bleiben an öffentlichen Orten erhalten

Das Projekt „Lichtmuster“ des Kreisjugendrings in der Gemeinde Weissach im Tal endet. Während der dreijährigen Laufzeit gab es zahlreiche Veranstaltungen und Aktionen, um die Willkommenskultur zu fördern und zu einem guten Miteinander zu kommen. Handabdrücke, die als Zeichen der Solidarität gedruckt wurden, bleiben an 15 öffentlich zugänglichen Standorten erhalten.

Angelika Roth vom Kreisjugendring und der Weissacher Fabian Baur zeigen eine der 15 Tafeln mit Handabdrücken, die an verschiedenen öffentlich zugänglichen Orten in Weissach im Tal angebracht werden sollen, unter anderem im Eingangsbereich des Rathauses in Unterweissach. Foto: J. Fiedler

Angelika Roth vom Kreisjugendring und der Weissacher Fabian Baur zeigen eine der 15 Tafeln mit Handabdrücken, die an verschiedenen öffentlich zugänglichen Orten in Weissach im Tal angebracht werden sollen, unter anderem im Eingangsbereich des Rathauses in Unterweissach. Foto: J. Fiedler

Von Armin Fechter

WEISSACH IM TAL. Als das Haus in der Welzheimer Straße, das als Flüchtlingsunterkunft dienen sollte, im Sommer 2015 in Flammen aufging, löste dies einen Schock aus. Bundesweit rückte die Gemeinde ins Blickfeld, weil sie wohl Ziel eines Brandanschlags geworden war. Viele stempelten Weissach nun als „braune Kommune“ ab. Die Gemeinde sah ihren Ruf in Gefahr und wehrte sich. Rasch wurde entschieden, das Haus wieder aufzubauen. Bewegende Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit wurden gesetzt: 500 Weissacher kamen zu einer Mahnwache, eine Menschenkette aus Jugendlichen formierte sich vom Bildungszentrum bis zur Brandruine – für eine weltoffene Gemeinde. Und in der Gemeindehalle gab es ein Festival unter dem Motto „Weissach bekennt Farbe“.

Aus dieser Situation heraus wurde das Projekt „Lichtmuster“ geboren. Es sollte das friedliche Miteinander stärken und Lichtmuster der Willkommenskultur für bleibeberechtigte Flüchtlinge schaffen. Gefördert wurde das Projekt vom Landesministerium für Integration, dessen Aufgaben später dem Innen- und dem Sozialministerium zugeordnet wurden. Offizieller Projektstart: 1. April 2016.

Eine zentrale Rolle in dem ganzen Vorhaben spielte der „ovale Tisch“, den der Kreisjugendring zusammen mit den relevanten Akteuren in der Gemeinde einrichtete. „Oval“ steht dabei für offen, vielfältig, anders, lebendig. Der ovale Tisch diente zum einen der Vernetzung untereinander, zum anderen sollten damit Multiplikatoren erreicht werden.

„Wir haben breite Schichten der Bevölkerung erreicht“

Marita Trautner, die Geschäftsführerin des Kreisjugendrings, die das Projekt zusammen mit Angelika Roth betreute, ist überzeugt: „Wir haben breite Schichten der Bevölkerung erreicht.“ In Zahlen sei dies zwar nicht messbar, doch darauf kommt es nach den Worten von Angelika Roth nicht an. Wichtig sei vielmehr, was das Projekt mit den Menschen macht. „Das Miteinander“, sagt sie, „ist ein Prozess, eine Entwicklung.“ Zum Einstieg ging es, wie Trautner erläutert, darum, Sensibilität für das Thema Willkommenskultur zu schaffen und sich vertieft mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Zudem sollten die ehrenamtlichen Akteure im Netzwerk die gebotene Wertschätzung erfahren. Wie Angelika Roth hinzufügt, trifft sich das Netzwerk auch nach Ablauf des Projekts weiter.

Zur Breitenwirkung beigetragen haben dann die vielfältigen Aktionen und Veranstaltungen, die während der dreijährigen Projektdauer stattfanden. Erste Akzente – nach der Vorstellung im Gemeinderat, einer Informationsveranstaltung und dem ersten Vernetzungstreffen – setzten die „Weissacher Lichtblicke“ im November 2016. Die Aktionswoche, die in Kooperation mit Vereinen, Kirchen und engagierten Gruppen stattfand, bot verschiedene kulturelle Programme und Workshops und schloss auch das Thema Diskriminierung von Minderheiten ein. Eine Andacht erinnerte an die Reichspogromnacht im November 1938.

Nachhaltigen Anlass zum Nachdenken schuf im Jahr darauf die Ausstellung „Willkommenskultur in Flammen“ mit einem Werk von Fabian Baur, der in Cottenweiler die Kunstwerkstatt Die Klammer betreibt. Die Präsentation wurde nach dem Auftakt im Weissacher Rathaus bis Frühjahr 2018 noch an weiteren Stationen im Bildungszentrum sowie in Allmersbach im Tal, Althütte und Auenwald gezeigt. Zudem war das Theater Lokstoff zu Gast. Es spielte in einem zwölf Meter langen, zum Theaterraum ausgebauten Schiffscontainer neben der Gemeindehalle das Stück „Pass.Worte“, in dem es um ein Fluchtschicksal ging.

„Wir haben eine gute Mischung aus leichteren und schwereren Themen hingekriegt“, blickt Angelika Roth zurück. So gab es auch Tanzworkshops, bei denen die Begegnung mit Geflüchteten ermöglicht wurde. Große Resonanz erzielte das Friedenskulturfest am Brüdenbach, das die Naturparkführerinnen Michaela Genthner und Petra Klinger organisierten und bei dem verschiedene Vereine, Institutionen und Gruppen mitwirkten. Eine Friedensbank wurde dort gestaltet und in Zusammenarbeit mit einer Vorbereitungsklasse aus dem Bildungszentrum eine Porträtausstellung kreiert. Ferner hielt der Syrer Seif Arsalan im Herbst im Bize eine viel beachtete Lesung. In diesem Jahr gab es schließlich zweimal eine „Dorfreise“ durch Unterweissach, wiederum mit Michaela Genthner und Petra Klinger, bei der die Teilnehmer den Ort auf neue Weise kennenlernen konnten.

Und was bleibt – neben der unmittelbaren Wirkung auf das Miteinander – nach alledem? Teile der Willkommenskultur-Ausstellung übernimmt, wie Angelika Roth berichtet, das Heimatmuseum in seine Bestände. Die Handabdrücke von Bürgern, die bei einer Gedenkveranstaltung ein Jahr nach dem Brand als Zeichen der Solidarität auf eine Tür des zerstörten Hauses gedruckt wurden, hat Fabian Baur abgezogen und auf 25 mal 25 Zentimeter große Epoxidharztafeln übertragen. Sie sollen an öffentlich zugänglichen Orten in der Gemeinde angebracht werden und zum Innehalten einladen. Erklärungen soll es dazu keine geben – jeder Betrachter kann seine eigenen Assoziationen entwickeln. Wie im Leben: Jeder reagiert auf seine Art auf Begegnungen – auch mit Geflüchteten.

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Erstellt:
30. März 2019, 06:00 Uhr

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