Geothermie: die unendliche Energie aus dem Boden

Energiewende vor der Haustür (12) Das Unternehmen Balluff setzt bei seinem Neubau in den Lerchenäckern bei der Wärmeversorgung und Klimatisierung seiner Räume auf Geothermie. Die Backnanger Firma Karasto hat seit 2008 mit dieser Technik gute Erfahrungen gemacht.

Die Probebohrung auf dem Bauplatz der Firma Balluff hat erbracht, dass Geothermie an dieser Stelle sinnvoll ist. Nun folgen 14 weitere Bohrungen. Foto: Dirk Veeser

Die Probebohrung auf dem Bauplatz der Firma Balluff hat erbracht, dass Geothermie an dieser Stelle sinnvoll ist. Nun folgen 14 weitere Bohrungen. Foto: Dirk Veeser

Von Matthias Nothstein

Backnang/Aspach. Der Aufwand für eine Geothermiewärmepumpe ist auf den ersten Blick groß, müssen doch zuerst Bohrlöcher von mindestens 40 Metern bis hin zu mehr als 100 Metern in die Tiefe getrieben werden. Doch der Aufwand lohnt sich. Vor allem dann, wenn es um große Nutzflächen geht und die Anlage nicht nur zu Heizzwecken eingesetzt wird, sondern auch zur Klimatisierung und Kühlung im Sommer. Das Unternehmen Balluff, das demnächst im interkommunalen Gewerbegebiet Lerchenäcker mehrere Ersatzbauten für die zu klein geratene Betriebsfläche in Oppenweiler erstellt, setzt aus ebendiesen Gründen auf die Energie aus dem Untergrund. In den vergangenen Wochen hat die Firma Baugrund Süd aus Bad Wurzach im Auftrag von Balluff eine Probebohrung von 90 Metern gemacht, um den Untergrund des Baulands zu erkunden. Die Kosten von rund 20.000 Euro schrecken den Backnanger Unternehmer Dirk Veeser, der das Neubauprojekt für Balluff betreut, nicht ab. Die Gesamtkosten für die vermutlich 15 benötigten Bohrlöcher nennt Veeser nicht, obwohl die Kosten ziemlich genau vorab berechnet werden können. Aber er verteidigt die relativ hohe Investition am Anfang: „Es ist so, als ob man das Heizöl oder Gas oder Pellets für die nächsten 20 Jahre auf einen Schlag einkauft.“ Die Betriebskosten in den nächsten Jahren sind dafür minimal.

Bei dem Balluff-Projekt geht es darum, im Endstadium 5.000 Quadratmeter Nutzfläche zu versorgen, und zwar mit Wärme und Kühlung gleichermaßen. Veeser: „Vor 20 Jahren war die Kühlung und Klimatisierung noch kein so wichtiges Thema. Aber die Bedürfnisse haben sich durch den Klimawandel verändert.“

Durch die Bohrung in 90 Meter Tiefe beträgt die Temperatur im Gestein konstant zehn bis zwölf Grad Celsius. Im Gegensatz zu einer Luft-Luft-Wärmepumpe, die bei einer Außentemperatur von minus zehn Grad nicht effizient arbeiten und eine Zusatzheizung benötigen würde, klappt dies mit Geothermie bestens. Und weil durch die Klimatisierung der Räume im Sommer Wärme nach unten geleitet wird, kann sich der Boden „schneller regenerieren“, er speichert also Wärme, was der Anlage im Herbst und Winter wieder zugute kommt. Unterstützt wird die Anlage von einer Fotovoltaikanlage auf den Dächern der Neubauten mit etwa 70 Kilowatt in der Spitze, sodass das Energiemanagement unterm Strich sogar energieneutral arbeiten kann.

Im Untergrund herrschen konstant zwischen zehn und zwölf Grad Celsius

Die Ergebnisse der Probebohrung sind so ausgefallen, wie Balluff sich das gewünscht hat. Nach einer Ruhephase von 20 Tagen nach der Bohrung ist die Sonde 72 Stunden lang in Betrieb genommen worden. Seit der Auswertung dieses Probebetriebs steht fest: Geothermie erbringt an dieser Stelle brauchbare Ergebnisse. Jetzt werden die restlichen 14 Löcher gemäß der Bohrfeldplanung in den ermittelten Abständen gebohrt. Pro Bohrung ist ein Tag eingeplant. Ganz wichtig ist hierbei die Qualität des Bohrunternehmens, damit ein Desaster wie zum Beispiel in Staufen im Breisgau ausbleibt. Veeser: „Für Bohrungen benötigt man ein Profiunternehmen. Das Bohren an sich ist zwar einfach, aber das Verschließen der Bohrlöcher beim Zurückziehen des Bohrgestänges ist heikel.“ Der Bohrer frisst sich auf seinem Weg nach unten durch verschiedene Gesteinsschichten, durch Sand, Kies und Ton. Jeder Meter muss analysiert und später mit dem jeweils passenden Füllmaterial wieder verschlossen werden.

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Carola Reese, die Geschäftsführerin und Inhaberin der Firma Karasto in den Lerchenäckern, ist von der Technik ebenfalls überzeugt. Sie hat bereits 2008 in die Geothermie investiert und acht Bohrungen in mehr als 100 Metern Tiefe in Auftrag gegeben. Seither werden die Wärme- und Kühldecken in der Verwaltung darüber betrieben. „Wir haben jetzt ein sehr angenehmes Raumklima“, sagt Reese. In einigen Fertigungsbereichen muss sie zwar mit Öl zuheizen, aber das war aufgrund der Anlagengröße immer so geplant. Nicht geplant war allerdings, dass der Ölanteil so groß ausfallen würde, „die Effizienz der Wärmepumpen war etwas ernüchternd“. Das hängt aber auch mit dem damaligen Stand der Technik zusammen. Heute arbeiten die Wärmepumpen effizienter, weshalb Reese plant, auch den aktuellen Neubau mit einer Wärmepumpe auszustatten. Dieses Mal jedoch soll eine Fußbodenheizung eingebaut werden und diese mit einer Luft-Luft-Wärmepumpe geheizt werden. Reese hat die Entscheidung gegen eine weitere Tiefenbohrung nicht getroffen, weil sie Geothermie nicht für sinnvoll hält, sondern weil in diesem konkreten Fall einige andere Faktoren dagegengesprochen haben. Reese: „Die Örtlichkeit muss passen.“ Zudem hat sie keine passende Firma für die Bohrung gefunden. Die Firmen sind seit der Zeitenwende zum Teil auf Jahre hin mit Aufträgen ausgelastet.

Markus Theilacker beheizt sein Einfamilienhaus seit dessen Fertigstellung 2002 mit Geothermie. Der zertifizierte Wärmepumpeninstallateur war einer der Ersten im Raum Backnang, die auf diese Technik setzten, und gab drei Bohrungen mit 60 Meter Tiefe in Auftrag. Knapp 9.000 Euro musste er damals dafür bezahlen. „Ich würde es jederzeit wieder machen, weil diese Heizung damals für mich günstiger war als eine Ölheizung“, so der Kleinaspacher. Seine Investition fiel deshalb so gering aus, weil die restliche Anlage ein Pilotprojekt der Firma Dimplex war. Was den Handwerker begeistert, ist die Tatsache, dass seit der Inbetriebnahme der Anlage die Betriebskosten günstig sind und alles tipptopp läuft. „Ich habe nie eine Reparatur gehabt und alles läuft vollautomatisch.“

Als Theilacker vor 22 Jahren sein Haus baute, ließ er einen zweizügigen Kamin einbauen, weil er sich damals selbst nicht ganz sicher war, ob die Technik funktioniert. Doch die Bedenken waren völlig umsonst. Seinen Kachelofen nutzt er zwar hin und wieder, aber nur der wohligen Wärme wegen. Prinzipiell könnte der Kachelofen die Anlage unterstützen, aber dies war in all den Jahren nie vonnöten. Und die Rückversicherung, den zweiten Kaminzug für eine andere Heizungsart verwenden zu können, falls das Projekt Wärmepumpe nicht klappt, war vollends unnötig. Theilacker kündigt an: „Diesen zweiten Kaminschacht nutze ich jetzt, um die Leitungen meiner geplanten Fotovoltaikanlage vom Dach in den Keller zu führen. Und mit dem selbst produzierten Strom wird die ganze Anlage dann noch effizienter, als sie eh schon ist.“

Dirk Veeser hat in den Lerchenäckern selbst eine Halle gebaut und im Vorfeld sämtliche Energiequellen geprüft. Hackschnitzel, Eisspeicher, Luft-Luft-Wärmepumpen, Gas und Öl, „ich habe alles durchgeackert“. Sein Fazit: „Geothermie ist die Technik, die dem Optimum am nächsten kommt.“ Demnächst steht der zweite Hallenbau an. Dann ist für ihn Geothermie ganz klar auch eine Option.

Im Altkreis Backnang haben 219 Bauherren eine Erlaubnis erhalten

Geothermie Grundsätzlich ist bei der Gewinnung der geothermischen Energie zwischen zwei Bereichen zu unterscheiden: der oberflächennahen und der tiefen Geothermie. Die Grenze liegt bei einer Tiefe von 400 Metern. Das Landratsamt ist für die Zulassung der oberflächennahen Geothermie, das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau beim Regierungspräsidium Freiburg für die tiefe Geothermie zuständig.

Sonden Die bekannteste Technologie bei der oberflächennahen Geothermie ist die Nutzung mittels Erdwärmesonden. Daneben sind je nach standortspezifischen Gegebenheiten aber auch noch Erdwärmekollektoren und Grundwasserwärmepumpen möglich.

Genehmigung Eine wasserrechtliche Erlaubnis ist bei jeder Bohrung für eine Erdwärmesonde oder einen Brunnen für eine Grundwasserwärmepumpe erforderlich. Bei Erdwärmekollektoren ist eine Zulassung nur dann erforderlich, wenn in das Grundwasser eingegriffen wird. Für die oberflächennahe Geothermie ist das jeweilige Landratsamt als untere Wasserbehörde zuständig.

Auflagen Die Auflagen hängen vom jeweiligen Einzelfall ab. Grundsätzlich sind die allgemein anerkannten Regel der Technik zu beachten, die auch in den entsprechenden Leitfäden beschrieben sind. Für Erdwärmesonden sind diese beim Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau sowie beim Umweltministerium Baden-Württemberg zu finden. Außerdem können Vorabinformationen im Informationssystem für oberflächennahe Geothermie für Baden-Württemberg eingeholt werden.

Erlaubnis Im Altkreis Backnang wurden 219 Erlaubnisse erteilt. Davon entfallen 51 Erlaubnisse auf das Stadtgebiet Backnang. Die Gesamtzahl an eingebrachten Sonden liegt jedoch deutlich höher, da in einer Entscheidung oftmals das Einbringen mehrerer Sonden auf einem Grundstück zugelassen wurde.

Desaster In Staufen im Breisgau haben Geothermiebohrungen dazu geführt, dass sich Teile des Stadtkerns seit 2007 anheben. Grund: Eine Anhydritschicht wurde durchbohrt und falsch abgedichtet. Seither wurden Risse in mehr als 250 Häusern verzeichnet, 127 Häuser wurden stark beschädigt.

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Erstellt:
15. Juni 2024, 11:30 Uhr

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