Gesundheitssystem unter Druck

Viele befürchten eine schlechtere medizinische Versorgung. Das stellt die Politik vor große Aufgaben.

Von Werner Ludwig

Immer mehr Menschen klagen über Probleme, zeitnah einen Termin beim Arzt zu bekommen oder überhaupt eine Praxis zu finden, die noch Patienten annimmt. „Vielleicht kommen wir ja dran, wenn unsere Kinder selber mit dem Medizinstudium fertig sind“, schrieb vor einiger Zeit eine verbitterte Leserin, die einen neuen Kinderarzt für ihren Nachwuchs suchte und eine Absage nach der anderen kassierte.

Eine wachsende Unzufriedenheit mit der Gesundheitsversorgung kommt auch im aktuellen BaWü-Check der Tageszeitungen im Land zum Ausdruck. Absolut betrachtet liegen Erreichbarkeit und Qualität der Versorgung in Baden-Württemberg und dem Rest der Bundesrepublik nach wie vor auf einem hohen Niveau. Doch für die Einschätzung vieler Bürger ist weniger der aktuelle Zustand entscheidend, als vielmehr die Richtung, in die sich die Dinge bewegen.

Und hier gibt es in der Tat bedenkliche Trends. So sind allein im Südwesten fast 1000 Hausarztsitze unbesetzt – deutlich mehr als noch vor einigen Jahren. Insbesondere in ländlichen Regionen hat die Kassenärztliche Vereinigung Probleme, genügend Leute zu finden, die als niedergelassene Ärzte arbeiten wollen. Die größte Lücke klafft bei den Hausärzten – also genau bei jenen Medizinern, die für die wohnortnahe Versorgung eine zentrale Rolle spielen. Die Ergebnisse des BaWü-Checks spiegeln auch das ausgeprägte Stadt-Land-Gefälle in der ambulanten Versorgung wider. Politik und ärztliche Selbstverwaltung haben das Problem schon länger erkannt. Doch auch Förderprogramme für Landärzte wie sie etwa das Land Baden-Württemberg aufgelegt hat, konnten die Entwicklung allenfalls bremsen.

Neuer Hoffnungsträger vieler Gesundheitspolitiker ist die Telemedizin. Sie soll gerade in ländlichen Gegenden helfen, die flächendeckende Versorgung aufrecht zu erhalten – etwa durch Videosprechstunden oder die Möglichkeit, bei komplizierten Eingriffen per Videoschalte Experten hinzuzuziehen. Doch auch für eine Videosprechstunde braucht ein Arzt Zeit – und kann derweil keine anderen Patienten betreuen. Der Ärztemangel lässt sich damit also kaum lindern. Aber zumindest jene Patienten, die gut mit moderner Kommunikationstechnik klarkommen, könnten sich in manchen Fällen weite Wege ersparen.

Eine richtig gemachte Digitalisierung könnte helfen, Ärzte und Praxispersonal von Bürokratie und Verwaltungsroutine zu entlasten. Deutschland hinkt hier im internationalen Vergleich weit hinterher. Immerhin werden mit dem E-Rezept und der elektronischen Patientenakte erste Schritte in diese Richtung unternommen.

Angesichts des demografischen Wandels werden die Gesundheitskosten und damit auch die Beiträge zur Krankenversicherung in den kommenden Jahren spürbar steigen. Um diesen Anstieg zumindest halbwegs in Zaum zu halten, muss unser Gesundheitssystem effizienter werden. Bezogen auf die Wirtschaftsleistung geben wenige Länder mehr Geld für Gesundheit aus als Deutschland. Gemessen an der Lebenserwartung sind die Ergebnisse im europäischen Vergleich aber nur Mittelmaß, wie Gesundheitsökonomen zu Recht kritisieren.

Aus den genannten Gründen ist das Ziel der Bundesregierung grundsätzlich richtig, durch eine Krankenhausreform kompliziertere Behandlungen und Eingriffe in spezialisierten Zentren zu konzentrieren. Allerdings darf die Politik dabei den ländlichen Raum nicht aus den Augen verlieren und muss dort etwa den Aufbau Medizinischer Versorgungszentren fördern. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass nicht jeder Routineeingriff im Krankenhaus vorgenommen werden muss.

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Erstellt:
17. September 2024, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
18. September 2024, 21:51 Uhr

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