Gewalt gegen Polizisten und Ersthelfer nimmt zu

Immer öfter werden Beamte angegriffen – Polizeipräsident klagt über „Respektlosigkeit und Aggressionsbereitschaft“

Gewalt gegen Polizisten und Ersthelfer nimmt zu

© abr68 - stock.adobe.com

Von Lorena Greppo

BACKNANG/AALEN. Die Anzahl der Straftaten im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums (PP) Aalen sinkt seit 2015 konstant, dennoch schlägt sich das nicht im Sicherheitsgefühl der Menschen wieder. „Die Diskrepanz zwischen subjektiver und objektiver Sicherheit wird immer größer“, hat auch Polizeipräsident Roland Eisele wahrgenommen, „obwohl es dafür keine Grundlage gibt“. Das Gefühl der Bedrohtheit hänge seines Erachtens auch mit überregionalen Nachrichten zusammen, aus denen etwas abgeleitet werde. Was aber auch Eisele Sorgen bereitet, ist die Entwicklung der Opferzahlen. „Das wird ein immer bedeutenderes Thema“, weiß er, denn die Zahlen steigen seit Jahren an. Wurden 2017 noch 7793 Menschen zum Opfer von Gewalt- und Sexualdelikten, Nötigung, Bedrohung, Freiheitsberaubung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, so waren es 2018 bereits 7965. Nahezu 70 Prozent der knapp 8000 Menschen seien Opfer von Körperverletzungsdelikten. „1626 Personen sind innerhalb ihrer Ehe, Partnerschaft oder Familie zum Opfer geworden“, präzisiert der Polizeipräsident. Es sei „beachtlich, was im sozialen Nahraum los ist“.

Darauf habe man bereits reagiert, nicht nur bei der Polizei, sondern auch auf Behörden: „Opferschutz findet immer stärkere Beachtung in der Öffentlichkeit, das ist gut so“, erklärt Eisele. Für die Beamten der Polizei selbst habe das einen sehr hohen Stellenwert, denn auch sie werden immer öfter selbst zu Opfern, erklärt Eisele. Auch die Entwicklung der Gewaltstraftaten gegen Polizeibeamte weist nämlich steigende Zahlen auf. „Leider leider geht die Treppe aufwärts“, konstatiert Eisele mit Blick auf die Fallzahlen. 2017 waren noch 287 Beamte davon betroffen, 2018 waren es 320 – das ist ein Plus von 11,5 Prozent. Dieser Stand markiert ein Fünf-Jahres-Hoch. Allein der Rems-Murr-Kreis weist eine erfreuliche Entwicklung auf: Während im Ostalbkreis fast 50 Prozent mehr Fälle registriert wurden und im Kreis Schwäbisch Hall 28 Prozent mehr, so sank die Zahl der Gewaltstraftaten gegen Polizeibeamte im Rems-Murr-Kreis um 17 Prozent auf 121. Die negative Entwicklung ist jedoch im ganzen Land zu verzeichnen, die Zunahme der Fälle betrug hier 10,1 Prozent. „Diese Fallzahlen dokumentieren eindrucksvoll die zunehmende Respektlosigkeit und die Aggressionsbereitschaft gegen Uniformträger.“

Die Statistik zeige, dass Widerstand gegen eingesetzte Polizeibeamte leider zum Dauerphänomen geworden ist. Fallzunahme korrespondiert mit der Zahl der Opfer unter den Polizeibeamten. 2018 waren dies 717 Polizeibeamte , im Vorjahr waren es 514. „Das kann man so nicht hinnehmen“, findet Eisele. Im Bereich des PP Aalen sei deshalb schon 2016 ein Maßnahmenplan erstellt worden, um die eigenen Beamten fitter zu machen, resistenter und ihnen mehr Möglichkeiten an die Hand zu geben, Provokationen zu begegnen. Im ersten Schritt gehe es darum, Konflikte zu vermeiden. Sollte dies nicht möglich sein, werde in einem zweiten Schritt aber gezeigt, wie man konsequent einschreitet. Zudem wolle man die Kollegen rechtlich und mit Rat und Tat unterstützen, so der Polizeipräsident.

Body-Cams sollen bald zum Einsatz kommen

Zudem hoffe er, dass bald schon die Body-Cams im Streifendienst eingesetzt werden können. Pressesprecher Holger Bienert präzisiert: „Wir streben an, die Body-Cams im Mai im Einsatz zu haben.“ Für Eisele ist das ein Meilenstein: „Es schreckt ab, wenn da plötzlich das Lämpchen leuchtet und die Kollegen den Vorfall aufzeichnen.“ Die Erfahrung zeige, dass dieses Mittel deutlich zur Aggressionsminderung beitrage. „Davon versprechen wir uns also noch einmal zusätzlichen Schutz für die Beamten.“

Die Gewalt richte sich aber nicht allein gegen Polizeibeamte, auch Helfer der Feuerwehr und des Rettungsdienstes würden zunehmend angegriffen. „Das ist völlig widersinnig“, findet Eisele. Landesweit seien im vergangenen Jahr 139 solcher Fälle erfasst worden, bei denen Helfer während des Einsatzes Opfer von Gewaltdelikten wurden. Das PP Aalen verzeichnete acht solcher Fälle. Als Beispiel nennt Eisele einen Fall vom Dezember des vergangenen Jahres, als in Schwäbisch Gmünd die Besatzung eines Rettungswagens sowie eine Notärztin, als sie eine betrunkene Person versorgten, durch deren ebenfalls alkoholisierten Begleiter massiv an den Rettungsmaßnahmen gehindert und in der weiteren Folge auch durch einen gezielten Faustschlag angegriffen wurden. Bei einer anderen Gelegenheit hätten sich die Helfer gar nicht erst aus dem Rettungswagen herausgetraut, weil einige Menschen sie massiv bedrohten und am Wagen rüttelten. Die Folge solcher Vorkommnisse ist, so Eisele, dass sich viele Helfer bei Einsätzen zunehmend unwohl fühlten. „Und das sind viele, viele Ehrenamtliche, die sich für den Dienst an der Gemeinschaft zur Verfügung stellen und den Kopf hinhalten.“ Dass gerade sie dann angegriffen werden, bewege auch die Verantwortlichen im PP Aalen. Dieses zunehmende Problem habe viel mit einer Verhaltensveränderung in der Gesellschaft zu tun, mit veränderten Wertvorstellungen, findet Eisele. Deswegen sei das Thema ein wesentlicher Bestandteil von Präventionsveranstaltungen, beispielsweise an Schulen. „Da müssen wir alle miteinander an einem Strang ziehen“, fordert der Polizeipräsident.

Zum Artikel

Erstellt:
15. April 2019, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen