Großerlach und Grab setzen sich gegen das Land durch

50 Jahre Gemeindereform: Erich Schunter, Bürgermeister von Großerlach und Grab, stellte gegenüber den Behörden klar, dass beide Orte eine Gemeinde bilden wollen.

Mit Schildern an der Ortsdurchfahrt machten die Großerlacher deutlich, was sie von den Plänen des Landes halten. Foto: BKZ-Archiv

Mit Schildern an der Ortsdurchfahrt machten die Großerlacher deutlich, was sie von den Plänen des Landes halten. Foto: BKZ-Archiv

Von Elisabeth Klaper

Großerlach. Die Zielplanung der Landesbehörden für die Gemeindereform stand manchmal im Gegensatz zu den Wünschen der Bevölkerung in den betroffenen Kommunen. So war es auch in Grab und Großerlach: Das Land hatte vorgesehen, dass Grab nach Murrhardt eingemeindet wird. Großerlach und einige andere kleine Gemeinden in der Umgebung sollten hingegen zusammen mit Mainhardt eine neue größere Gemeinde bilden und dem Großkreis Schwäbisch Hall zugeordnet werden, erinnert sich Zeitzeuge Albert Wohlfarth, ehemaliger Ortsvorsteher von Grab. „Aber die Großerlacher Bürger lehnten dies ab, sie wollten im künftigen Rems-Murr-Kreis bleiben. Denn sie hatten große Bedenken, dass die Interessen und Bedürfnisse kleiner Gemeinden im Randgebiet des Großkreises Hall kaum berücksichtigt und wahrgenommen werden“, verdeutlicht Wohlfarth.

Zwar habe es Verhandlungen zwischen den Gemeindeverwaltungen und -räten von Großerlach und Mainhardt gegeben, die jedoch ergebnislos blieben. Erich Schunter (1920 bis 1988), der gleichzeitig Bürgermeister von Großerlach und von Grab war, stellte gegenüber den Behörden klar, dass beide Orte eine Gemeinde bilden wollten. Und von Anfang an sollte Grab einen Ortschaftsrat bekommen, der über Landeszuschüsse für bestimmte Zwecke verfügen konnte, etwa zum Ausbau der Versorgungsinfrastruktur in allen Gemeindeteilen. „Im Lauf des Reformprozesses gab es auch die Überlegung, Großerlach nach Sulzbach an der Murr einzugemeinden. Doch Bürgermeister Schunter setzte letztendlich seine Wunschvorstellung durch, dass Grab nach Großerlach eingemeindet wird und diese Kommune selbstständig bleibt. Die Mehrheit der Einwohner befürwortete dies und unterstützte ihn“, resümiert der Zeitzeuge.

Allerdings setzte sich im Frühjahr 1971 auch die Stadt Murrhardt für die Eingemeindung von Grab mit damals rund 600 Einwohnern ein. Bis 1848 hatte der Ort zu Murrhardt gehört und war weiterhin „wirtschaftlich, schulisch und kulturell“ mit Murrhardt verbunden. Die Graber Bürger „sollen nicht den Eindruck gewinnen, dass Murrhardt diese Gemeinde nicht aufnehmen will oder vernachlässigen würde“, stellte Helmut Götz laut Gemeinderatsprotokoll klar. Bei einer Eingemeindung von Grab sei mit Finanzmehrzuweisungen von 170000 DM zu rechnen, über die konkrete Art der Investitionen wäre noch zu beraten. Bei einer Aussprache mit dem Gemeinderat Grab versicherten die Mitglieder des Murrhardter Verwaltungsausschusses, dass die Entwicklung von Grab ebenso gefördert werde wie die der künftigen Stadtbezirke Fornsbach und Kirchenkirnberg. Doch die Graber Räte äußerten große Vorbehalte gegen eine Eingemeindung: Sie befürchteten, die Interessen und Bedürfnisse der Graber Bürger würden in Murrhardt nicht angemessen berücksichtigt und die Entwicklung des Ortes beeinträchtigt.

Behörden stimmten dem gewünschten Doppelnamen Großerlach-Grab nicht zu

Auch Bürgermeister Schunter sah die Gefahr, dass die örtlichen Interessen nicht mehr hinreichend wahrgenommen werden, und in Großerlach regte sich Widerstand gegen einen Wechsel in den Nachbarkreis unter dem Motto: Auf keinen Fall zum Großkreis Hall. „So blieb als Alternative die Eingliederung von Grab per Eingemeindungsvertrag nach Großerlach“, berichtet dessen heutiger Bürgermeister Christoph Jäger. Allerdings „wollte die Mehrheit der Graber Bürger nach Murrhardt, da dorthin die meisten Geschäftsbeziehungen bestanden und viele Pendler dort arbeiteten“, erzählt Albert Wohlfarth. Aber: „Das hat nicht geklappt, weil Erich Schunter ‚Doppelbürgermeister‘ von Grab und Großerlach war und weiterhin selbstständig beide Gemeinden leiten wollte“, erklärt der Zeitzeuge. Schunters Ehefrau, die gelernte Hebamme und Gemeindeschwester war, unterstützte ihren Mann dabei und beeinflusste die Einwohner von Grab, damit sie für die Eingemeindung nach Großerlach stimmten.

Dagegen organisierte eine Mehrheit der Bürger der Graber Teilorte Trauzenbach und Frankenweiler, der laut Wohlfarth bis Anfang der 1930er-Jahre zu Murrhardt gehörte, eine Unterschriftensammlung. „Damit beantragten sie beim Landratsamt, nach Murrhardt eingemeindet zu werden. Das Landratsamt lehnte dies jedoch ab mit der Begründung, dann wäre die Gesamtgemeinde Großerlach zu klein.“ Die Einwohner von Trauzenbach und Frankenweiler seien darüber zwar enttäuscht gewesen, letztendlich habe sich die Mehrheit der Graber Bürger bei der Abstimmung aber für die Eingemeindung ausgesprochen: „So sind wir mit Großerlach verheiratet worden“, resümiert Albert Wohlfarth.„Bei der Eingliederung von Grab nach Großerlach handelte es sich nicht um einen gleichberechtigten Zusammenschluss beider Gemeinden“, stellt Bürgermeister Christoph Jäger klar. „Laut Eingliederungsvertrag und den diesbezüglichen Erlassen des Landratsamts, Regierungspräsidiums und Innenministeriums war es eine Eingemeindung der Gemeinde Grab in die Gemeinde Großerlach gemäß der Gemeindeordnung.“ Weiter stimmten die Behörden dem gewünschten Doppelnamen Großerlach-Grab nicht zu. Denn die damalige Rechtslage besagte, dass die neue Kommune den Namen der größeren Gemeinde trägt. Folglich blieb es beim offiziellen Gemeindenamen Großerlach und das neue Gemeindewappen wurde unter diesem Namen genehmigt und eingetragen.

„Mag es auch gegenteilige Meinungen geben, so bin ich der Überzeugung, dass für beide damalige Gemeinden und ihre Ortsteile die Verbindung der einzig richtige Weg war. Allein schon aufgrund der topografischen Lage wäre eine Eingliederung Großerlachs in die Gemeinde Sulzbach und Grabs in die Stadt Murrhardt nur eine Notlösung gewesen“, verdeutlicht Christoph Jäger. „Eine Ortschaftsverfassung hätte es in beiden Fällen nicht gegeben, und das Gewicht der Ortsteile bei kommunalpolitischen Entscheidungen wäre insbesondere für Grab gegen null gegangen. Bürgermeister Erich Schunter erkannte, dass es keine Alternative zur Eingliederung gab, und setzte diese auch gegen gemeindeinterne Widerstände auf beiden Seiten durch.“

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Erstellt:
4. September 2021, 16:00 Uhr

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