„Gudrun Wilhelm, herzlich willkommen bei der FDP“
Die von der Partei ausgestoßene Liberale aus Kirchberg an der Murr erhält von der FDP-Bundesgeschäftsstelle in Berlin einen neuen Mitgliedsausweis.

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Gudrun Wilhelm erhält neuen Mitgliedsausweis aus Berlin.Archivfoto: A. Becher
Von Matthias Nothstein
KIRCHBERG AN DER MURR. Als Gudrun Wilhelm dieser Tage die Post sichtete, war die Freude groß: Die Kirchbergerin erhielt ihren FDP-Mitgliedsausweis samt Mitgliedsnummer und freundliche Begrüßungsworte vom Bundesgeschäftsführer Michael Zimmermann: „Sehr geehrte Frau Wilhelm, im Namen der gesamten FDP heiße ich Sie bei den Freien Demokraten herzlich willkommen. Eine lebendige Demokratie lebt von Menschen wie Ihnen – die sich bekennen und engagieren.“
Vielleicht reibt sich nun manch einer die Augen und rätselt: Nanu, ist das nicht jene Gudrun Wilhelm, die schon 1996 in die FDP eingetreten ist und seither den Ortsverband leitet? Jenen Ortsverband, der erst für Kirchberg, Aspach und Burgstall zuständig war, dann ab 1999 auch für Backnang und später sogar noch für Auenwald. Der sich seither Ortsverband Backnanger Bucht nennt und die Belange aller Liberalen im gesamten Murrgebiet behandelt. Ist das nicht jene Gudrun Wilhelm, die zweimal für die FDP Bundestagskandidatin und einmal Landtagskandidatin war? Jene Wilhelm, die für die FDP im Kreistag sitzt und bis 2019 in der Regionalversammlung saß? Die Gründerin des Vereins „Politik mit Frauen“?
Ja, um exakt diese Gudrun Wilhelm geht es. Hintergrund ist, dass die Liberalen die streitbare Kommunalpolitikerin nach der Kommunalwahl 2019 aus der Partei ausstoßen wollten, weil jene mit einer eigenen Liste bei der Regionalwahl angetreten war. Der Grund für diesen Schritt: Bei der Nominierungsversammlung war Wilhelm ihrer Ansicht nach „unfair ausgebootet“ worden.
Die Partei demonstrierte fortan Härte, schloss Wilhelm und weitere Mitstreiter von der FDP aus und forderte die Mitgliedsausweise zurück. Als Wilhelm von ihrem Rausschmiss erfuhr, schickte sie ihren Ausweis voller Zorn an den Kreisverband zurück. Kurz danach entschloss sie sich jedoch, für den Verbleib in der Partei zu kämpfen. In einem ersten Verfahren bestätigte das Landesschiedsgericht den Rauswurf. Wilhelm zog vors Bundesschiedsgericht. Dieses sollte eigentlich im Oktober eine Entscheidung treffen, doch wegen Corona wurde die Verhandlung auf unbestimmte Zeit verschoben.
Nun kam der neue Ausweis. Für Wilhelm ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Sie sieht darin die Entscheidung, in der Partei bleiben zu dürfen. Schließlich hatte das Bundesschiedsgericht im Oktober geschrieben: „Das Gericht ist nach wie vor bemüht, in angemessener Zeit Entscheidungen zu fällen, die dann auch dem innerparteilichen Rechtsfrieden dienen.“
Ob der neue Ausweis tatsächlich als Sieg Wilhelms gewertet werden kann, ist fraglich, hatte doch Wilhelm selbst gefordert, bis zu einer endgültigen Entscheidung den Ausweis wieder zurückzubekommen. In der Berliner Bundesgeschäftsstelle ist man unglücklich über den Vorfall. „Das ist megablöd gelaufen“, so der Kommentar einer Angestellten. Da wurde der Name Wilhelm auf Wiederaufnahme gesetzt, und dann lief die übliche Maschinerie samt Begrüßungsschreiben an.
Gestern erklärte die Pressesprecherin der Bundes-FDP, Bettina Lauer, gegenwärtig werde geprüft, wie das Verfahren trotz der Pandemie abgeschlossen werden könne. „Über die Mitgliedschaft der am Verfahren beteiligten Personen in der FDP ist damit noch nicht abschließend (...) entschieden. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die erstinstanzliche Entscheidung des Landesschiedsgerichts keine Rechtskraft. Die betroffenen Personen sind folglich bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesschiedsgerichts weiterhin Mitglieder der FDP.“ Lauer weiter: „Wie es zur Versendung eines Begrüßungsschreibens kam, lässt sich nicht nachvollziehen.“ Eventuell wurde es bei einer Aktualisierung der Mitgliederdatenbank fälschlicherweise automatisiert veranlasst. „Es steht in keinem Zusammenhang mit dem laufenden Schiedsgerichtsverfahren.“