Heinz Franke gibt Vereinsvorsitz ab

Als Hansdampf in allen Backnanger Gassen ist Heinz Franke bekannt. Doch nun gibt der 74-Jährige eines seiner vielen Ehrenämter ab. Nach 35 Jahren tritt er als Vorsitzender des Vereins Kinder- und Jugendhilfe zurück. Was er in dieser Zeit aufgebaut hat, erfüllt ihn mit Stolz.

Das Famfutur ist auf Initiative von Heinz Franke entstanden. Der Verein Kinder- und Jugendhilfe betreibt hier eine Kita und viele weitere Angebote für Familien.Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Das Famfutur ist auf Initiative von Heinz Franke entstanden. Der Verein Kinder- und Jugendhilfe betreibt hier eine Kita und viele weitere Angebote für Familien.Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. „Als ich hier angefangen habe, hatten wir drei Halbtagskräfte, einen Zivi, einen VW-Bus und eine gemietete Dreizimmerwohnung.“ Während Heinz Franke das erzählt, sitzt er vor seiner Kaffeetasse im Familienzentrum Famfutur. Der schicke Neubau, der 2014 eingeweiht wurde, beherbergt unter anderem die fünfgruppige Kita Kunterbunt, den Tafelladen und das soziale Warenhaus Sowas, das Begegnungscafé Cadu, verschiedene Seminarräume sowie Büros und Besprechungszimmer für die zahlreichen Beratungsangebote des Vereins Kinder- und Jugendhilfe Backnang. Dass es das alles auch ohne Heinz Franke geben würde, darf man bezweifeln. Wer sonst hätte wohl den Mut gehabt, als ehrenamtlicher Vorsitzender ein 6,3 Millionen Euro teures Bauprojekt zu verantworten und einen kleinen Verein in ein mittelständisches Unternehmen zu verwandeln?

„Man muss dafür schon entsprechend gestrickt sein“, räumt Franke ein. Der 74-Jährige gehört zu den Menschen, die mit dem Erreichten selten zufrieden sind. Wenn er den Bedarf für weitere Hilfsangebote sah, dann wollte er diese auch realisieren. Seine berufliche Expertise als Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands und seine guten Kontakte in die Verwaltungen kamen ihm dabei zugute. So konnte er die Angebote des Vereins Kinder- und Jugendhilfe seit seiner Wahl zum Vorsitzenden im Jahr 1988 kontinuierlich ausbauen.

Zeitungsartikel war Auslöser für die Gründung des Tafelladens

Angefangen hat es mit Betreuungsgruppen für Kinder aus schwierigen Verhältnissen, bald kamen auch Ganztagesangebote und Ferienfreizeiten hinzu. Dank dieser Unterstützung sei es schon damals gelungen, dass einige Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern höhere Schulabschlüsse schafften, erzählt Franke. Für ihn und sein Team war das eine tolle Bestätigung.

Allerdings stellten sie auch fest, dass sie längst nicht alle Jugendlichen erreichten. So begann der Verein wenig später mit der mobilen Jugendarbeit: „Unsere Sozialarbeiter waren bis in die Nacht hinein an den Plätzen unterwegs, wo sich Jugendliche treffen“, erinnert sich Franke. Dabei war die Arbeit der Streetworker Anfang der 1990er-Jahre durchaus umstritten. Manche unterstellten ihnen sogar, sie seien als „Spitzel der Polizei“ unterwegs.

Der Verein baute seine Angebote immer weiter aus

Im Lauf der Jahre kamen auch immer mehr Angebote hinzu, die nicht nur Personen aus prekären Verhältnissen ansprachen. „Wir haben festgestellt, dass es Probleme und Konflikte nicht nur in sozial benachteiligten Familien gibt“, erzählt Franke. Deshalb startete der Verein zum Beispiel mit der Schwangerschaftskonfliktberatung, die Voraussetzung für eine straffreie Abtreibung ist. Eigentlich hatte Franke dieses Angebot beim Kreisdiakonieverband ansiedeln wollen. Als der Oberkirchenrat das jedoch verhinderte, holte er die Beratungsstelle kurzerhand nach Backnang.

Ein weiteres wichtiges Angebot wurde die Vermittlungsstelle für Tageseltern. Wobei der Verein zu den Ersten im Land gehörte, die eine Betreuung durch Tagesmütter nicht nur in deren Privatwohnungen, sondern auch in eigenen Räumen anboten.

Typisch für Heinz Franke ist, dass er auch vor völlig neuen und unbekannten Aufgaben nicht zurückschreckt. Ein Zeitungsartikel über einen Tafelladen in Berlin brachte ihn 1995 auf die Idee, ein solches Angebot auch in Backnang zu etablieren. Sofort machte er sich an die Arbeit und noch im selben Jahr eröffnete in der Aspacher Straße das erste Geschäft, in dem gespendete Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs zu günstigen Preisen an Bedürftige abgegeben wurden.

Die Idee eines neuen Familienzentrums

Mit den Aufgaben wuchs auch der Raumbedarf: Ursprünglich wollte Franke in der Gerberstraße, wo der Verein seit 1992 seinen Sitz hatte, zwei Nachbargebäude dazukaufen und umbauen. Doch die wurden beim Murr-Hochwasser 2011 so schwer beschädigt, dass sie abgerissen werden mussten. Auf der Suche nach Alternativen stieß er schließlich auf das ehemalige Bauhofgelände an der Theodor-Körner-Straße. Die Idee, dort ein neues Familienzentrum zu bauen, ließ Franke nicht mehr los, obwohl es auch Zweifler gab. „Ich habe mir nicht überall Freunde gemacht“, weiß Heinz Franke. Manche hätten ihm vorgeworfen, er wolle sich mit diesem Projekt selbst profilieren. Doch wenn er heute das moderne Gebäude mit seinen vielfältigen Angeboten sieht, ist er froh, dass er beharrlich geblieben ist: „Ich bin schon ein bisschen stolz darauf, was wir erreicht haben.“

Nachlassende Kräfte und Dissens mit dem Verwaltungsrat

Dafür, dass er sich nun, zwei Jahre vor dem offiziellen Ende seiner Amtszeit, zurückzieht, nennt Heinz Franke mehrere Gründe. „Ich bin jetzt 74 und mein Akku ist schneller leer als früher“, erklärt er. Da er als Chef der SPD-Fraktion im Gemeinderat und Vorsitzender der Hospizstiftung Rems-Murr weitere zeitaufwendige Ämter habe, stoße er nun langsam an seine Grenzen.

Franke deutet aber auch an, dass es zuletzt einige Meinungsverschiedenheiten mit dem Verwaltungsrat gab, der etwa seine Pläne für eine Ausgliederung des Tafelladens in eine gemeinnützige GmbH nicht habe mittragen wollen. Für einen, der
35 Jahre lang seine Visionen verfolgt und verwirklicht hat, war es deshalb nur logisch, einen Schlussstrich zu ziehen. Denn für einen Posten als „Grüß-Gott-Onkel“ ist einer wie Heinz Franke ganz sicher der Falsche.

Verein Kinder- und Jugendhilfe

Gründung Der Verein Kinder- und Jugendhilfe Backnang wurde 1970 gegründet. Entstanden ist er aus einer Initiative kirchlich engagierter Personen, die sich um Kinder kümmerten, die mit ihren Familien unter katastrophalen Bedingungen in der städtischen Obdachlosensiedlung in Neuschöntal lebten. Auch nach der Schließung dieser Einrichtung im Jahr 1977 setzte der Verein seine Arbeit für benachteiligte Kinder fort.

Angebote Heute bietet der Verein im Familienzentrum Famfutur ein umfangreiches Beratungs- und Dienstleistungsangebot für Familien an. Er ist auch Träger des Tafelladens und des sozialen Warenhauses Sowas. Der Verein beschäftigt heute rund 125 Personen und hatte 2022 eine Bilanzsumme von 5,7 Millionen Euro.

Vorsitzende Gründerin Ursula Hegelmaier führte den Verein als erste Vorsitzende bis 1980. Es folgten Pfarrer Helmut Albert Müller und Heinz Teichmann als Vorsitzende. Ab 1988 stand Heinz Franke an der Spitze des Vereins. Mit seinem Ausscheiden endet auch die Zeit der ehrenamtlichen Vorsitzenden. Künftig bilden die pädagogische Leiterin Karin Thoma und der Verwaltungsleiter Jürgen Olma den hauptamtlichen Vorstand des Vereins. Kontrolliert wird dieser von einem sechsköpfigen Verwaltungsrat.

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Erstellt:
12. Oktober 2023, 06:00 Uhr

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