Von Steffen Grün

WEISSACH IM TAL. Wer Frank Mayer einen Besuch abstattet oder auch nur bei ihm daheim vorbeifährt, der weiß sofort, für welchen Verein dessen Herz schlägt. An einem Mast im Garten weht weithin sichtbar eine VfB-Fahne. Dass auf dem gegenüberliegenden Grundstück ein weiteres Exemplar flattert, ist aber Zufall und „nicht abgestimmt. Ich habe nur gehofft, dass er keine Bayern- oder Schalke-Fahne hisst“, sagt der 51-Jährige über den Nachbarn, der seine Liebe zu dem Fußball-Bundesligisten offenbar teilt.

Dass auch Frank Mayers Sammelleidenschaft mit Devotionalien rund um den Verein mit dem Brustring angefangen hat und von ihnen nach wie vor dominiert wird, ist dagegen nicht auf Anhieb zu erkennen. Im Treppenhaus, auf dem Weg von der Haus- zur Wohnungstür, sticht dem Besucher zunächst eine stattliche Zahl von Modell-Lkw ins Auge. Rund 200 Stück im Maßstab 1:87 sollen es sein, verrät der Hausherr, allen voran Schwertransporter wie etwa von der traditionsreichen Firma Kaelble aus Backnang. „Das ist ein relativ neues Hobby“, erläutert Frank Mayer: „Ich habe von einem Arbeitskollegen ein ganzes Konvolut zu einem fairen Preis bekommen.“ Den Jargon der ZDF- Trödel-Show Bares für Rares hat der Sammler aus Unterweissach drauf, der leicht entschuldigende Unterton hat eine bestimmte Adressatin. Der Deal mit seiner Frau lautet: Noch ein Regal, dann ist Schluss. Es sollen dekorative Elemente bleiben und keine störenden Faktoren werden, zumal sich Frank Mayer im Treppenhaus eine weitere Station für seine Errungenschaften gesichert hat. 24 Pins erinnern ihn an seine Besuche in Hard- Rock-Cafés – meist im Urlaub, in Kopenhagen und London bei VfB-Auswärtsspielen. Eine Kappe mit angehefteten VfB-Fanclub- Pins hat auch noch ihr Plätzchen gefunden, was deren Besitzer zur Feststellung bringt: „Ich sammle alles, meine Frau fast nix.“

Stolz auf den Schuhschrank, in dem einst die Böller von Silvio Meißner standen

Die kleine Einschränkung ist der gemeinsamen Tafel mit Magneten aus Urlaubsorten geschuldet, die das Paar daran erinnert und den Gästen im Flur der Wohnung verrät, wo die Mayers bereits überall waren. Wer beim weiteren Streifzug durch deren trautes Heim aber damit rechnet, in jedem Winkel auf die verschiedensten VfB-Utensilien zu stoßen, täuscht sich gewaltig. Sie sind nur in dezenter Form präsent, wie etwa ein Zinnbecher oder eine Meisterschale aus demselben Material in einer Vitrine. Auch ein Feuerkorb mit dem Vereinswappen, den ihm sein Bruder geschenkt hat, geht noch als neutrales, schmückendes Dekorationsteil durch.

„Da standen die Böller von Silvio Meißner drin“, sagt Frank Mayer und deutet auf einen Schuhschrank. Dieses Möbelstück habe er in Korb bei einer Frau mit demselben Nachnamen gekauft, ohne sich etwas dabei zu denken. Sie habe sich zufällig als Gattin des Ex-Profis herausgestellt, beteuert der VfB-Fan, ohne rot zu werden. Sollte das tatsächlich stimmen, dürfte es ihm aber schon gefallen haben, ausgerechnet das Schränkchen des beliebten Kämpfers im Stuttgarter Mittelfeld abgestaubt zu haben. Viele Dinge mit Bezug zu seinem Herzensverein, die der Vater einer Tochter im Laufe der Zeit angesammelt hat, sind derweil an verschiedenen Stellen im Haus verstaut und müssen zur Präsentation extra herausgekramt werden.

Zum Beispiel die VfB-Trikots, von denen Frank Mayer etwa fünfzig Stück sein Eigen nennt. Sein erstes? „Ein Langarmtrikot mit Südmilchwerbung“, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Es ist ein Klassiker aus den Achtzigern, in denen er als Bub zum Fan wurde, weil „beim Kreutzmann in Backnang ein VfB-Mannschaftsbild auslag, das man mitnehmen durfte“. Mit dem Onkel erlebte er bald die Stadionpremiere, die Stars hießen Hansi Müller, Hermann Ohlicher oder später Jürgen Klinsmann. Die Namen solcher Legenden hätte er sich eventuell auf eines seiner Trikots drucken lassen, doch diesen Trend gab’s damals noch nicht. Als es so weit war, entschied er sich „ganz bewusst“ gegen Namen auf seinem Rücken, „weil ich Fan des Vereins und nicht einzelner Spieler bin. Sie kommen und gehen.“

Bei Mayers Shirts handelt es sich mittlerweile nur noch um gekaufte Teile und nicht um solche, die er Spielern abgeluchst hat. Das Trikot von Nils Schmäler (beim VfB von 1988 bis 1992), das er als Dank für seinen Dienst am Fanstand beim Hallenturnier gekriegt hatte, war unter modischen Gesichtspunkten fragwürdig, hatte aber einen hohen Sammlerwert. Es war lila, „das haben sie nur einmal in Wattenscheid getragen, da waren viele scharf drauf“. Lange ignorierte Frank Mayer alle Anfragen, bis ihn die Kurzarbeit in der Wirtschafts- und Finanzkrise zum Umdenken brachte. „Ich habe es 2008 für 1000 Euro verkauft“, erzählt er vom Angebot, das er nicht ablehnen konnte.

Einst 1000 Euro für ein Trikot kassiert: Das dürfte nicht mehr zu toppen sein

Selbst wenn der in Waiblingen geborene, lange in Backnang wohnende und vor zehn Jahren nach Unterweissach gezogene Fußballenthusiast es versuchen würde, dürfte ihm nichts Weiteres im Portfolio einen ähnlichen Betrag aufs Konto spülen. Nicht die ungefähr 40 normalen VfB-Schals oder 15 internationalen Begegnungsschals, nicht die zehn Begegnungswimpel wie der vom Europapokalfinale 1998 in Stockholm gegen Chelsea und auch nicht die anderen Sammlerstücke, die sich beim 1990 eingetretenen VfB-Mitglied mit der Schnapszahlnummer 2222 angehäuft haben. Auch eher ideellen Wert haben die 100 VfB-Fanclub-Aufnäher, obwohl diese teils sogar gefragte Tauschobjekte sind. „Es gibt wieder eine Kuttenszene“, erklärt Frank Mayer das rege Interesse an den kleinen Emblemen, die meistens auf einer Jeansjacke für den Stadionbesuch angebracht werden: „Auch ich denke darüber nach, mir wieder eine Kutte zuzulegen.“

Seit 1991 immer im Besitz von Dauerkarten, die allesamt auch noch vorhanden sind, hat der Vorsitzende des 1988 auch von ihm mitgegründeten VfB-Fanclubs Schwabenfront Backnang bereits eine Menge erlebt. Er war 1992 in Leverkusen live dabei, als Stuttgart durch Guido Buchwalds Kopfball Meister wurde, fuhr 1998 mit einem Dampfsonderzug zum Europapokalendspiel nach Stockholm und saß auch bei den Champions-League-Duellen oder dem Meisterstück 2007 im Stadion. Einen besonderen Stellenwert genießen die Reisen zu Auswärtsspielen wie nach Barcelona, Glasgow oder Manchester. „Toll war auch unsere Fahrt mit Bus und Fähre nach Edinburgh und zurück“, erinnert sich Mayer. Oder nach Vigo, obwohl die einfache Strecke 36 Stunden in Anspruch nahm. „Uns ist es wichtig, was von den Spielorten zu sehen“, verweist er auf den kulturellen Aspekt. Ein Buch, das ihm seine Kumpels zum 25-Jahr-Jubiläum des Fanclubs schenkten, ist so etwas eine Zeitreise. Fotos zeigen Frank Mayer mit Jürgen Klinsmann, Guido Buchwald, Matthias Sammer, Fritz Walter oder Günther Schäfer.

Klar, dass noch manch Neues dazukommen wird. Ab und zu gibt sich der Sammler, der auch noch mehr als 20 Liverpool-Trikots oder die fast obligatorischen Straßenfest-Krüge in Ehren hält, aber auch einen Ruck. Die 28 Jahre lang zur Seite gelegten Stadionhefte hat er „bis auf die wichtigsten alle abgegeben. Ich kann mich auch von Sammlungen trennen“, sagt Frank Mayer lachend: „So ist es nicht.“ Aber schwer fällt es schon, vor allem wenn es um den VfB geht.

Serie Unter dem Titel Sammellust stellen wir in dieser Serie Menschen aus der Region vor, die außergewöhnliche Sammlungen haben. Kennen Sie jemanden, der dafür infrage kommt, oder sind Sie selbst leidenschaftlicher Sammler? Dann melden Sie sich per E-Mail unter: redaktion@bkz.de