Herkulesaufgabe Maskenversorgung
Große Nachfrage nach kostenlosen FFP2-Masken im Backnanger Raum. Während sich die Anspruchsberechtigten über ein unkompliziertes und bürokratiearmes Verfahren freuen können, werden die Apotheken vor große Herausforderungen gestellt.

© Jörg Fiedler
Die Apotheken wie hier die Täles-Apotheke in Weissach im Tal müssen die spontane Maskenverteilaktion schultern. Foto: J. Fiedler
Von Ingrid Knack
BACKNANG/WEISSACH IM TAL. Seit Dienstag geht es in vielen Apotheken heiß her: Senioren ab 60, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen und Risikopatienten stehen Schlange, um die drei kostenlosen partikelfiltrierenden Schutzmasken (FFP2) zu bekommen. „Rein rechnerisch dürften das in Baden-Württemberg rund 3,7 Millionen Menschen sein, die von den Apotheken noch bis zum 6. Januar mit je drei Schutzmasken ausgestattet werden sollen“, gibt dazu der Landesapothekerverband Auskunft.
Es ist also noch Zeit, bis in der ersten Runde dieser von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angeordneten Aktion unter bestimmten Voraussetzungen Gratismasken abgeholt werden können. Aber zahlreiche Anspruchsberechtigte möchten sich die Schutzmasken zur Vermeidung einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 ganz offensichtlich so schnell wie möglich sichern. In den ersten Tagen der Maskenabgabe in dieser Woche war die Nachfrage nach den besonders effektiven Schutzmasken auch in den Apotheken in Backnang und Umgebung sehr groß. Ein regelrechter Ansturm, verbunden mit längeren Wartezeiten für die Kunden, habe aber nur punktuell stattgefunden, so der Verband.
Ulrich Heigoldt, Inhaber der Täles-Apotheke in Weissach im Tal und der Apotheken in Allmersbach im Tal und Auenwald-Unterbrüden, sieht die Maskenabgabe grundsätzlich positiv. Das Konzept, besonders die Risikogruppen mit verhältnismäßig wenig Aufwand zu schützen, sei konstruktiver, als zunehmend Verbote auszusprechen. Freilich seien die Masken bereits seit Langem käuflich zu erwerben gewesen. Die Aktion erhöhe indes die Aufmerksamkeit der Betroffenen für das Thema und die Akzeptanz dessen, was nun mal Gebot der Stunde ist. Was die überwältigende Resonanz auf die Aktion bestätige.
Erklärung des Kunden als Barriere gegen Missbrauch.
Ulrich Heigoldt sowie sein Backnanger Kollege Volker Müller (Schiller-Apotheke und Raphael-Apotheke mit Ines Schweizer als Filialleiterin) nennen aber auch die Schwachstellen. Ein Missbrauch der großzügigen Regelung sei nicht ausgeschlossen. Es gäbe Einzelne, die vermutlich von Apotheke zu Apotheke tourten, befürchtet Ulrich Heigoldt. Müller kann dies nur bestätigen. Und wenn dann auch noch auf dem Personalausweis zu lesen ist, dass der Betreffende etwa aus einem Nachbarlandkreis kommt, liegt nicht allzu fern, dass sich da jemand mehr Vorteile verschaffen will, als es im Sinne des Erfinders ist. Um wenigstens eine psychologische Barriere aufzubauen, müssen die Kunden eine Erklärung unterschreiben. Damit versichern sie, dass sie zu einer der anspruchsberechtigten Gruppen gehören und nur einmal drei Masken in einer Apotheke abholen.
Auch weil sich viele Menschen in der Vorweihnachtszeit noch mit genügend Medikamenten, die sie regelmäßig benötigen, eindecken wollen, ist das Kundenaufkommen in den Apotheken ohnehin in diesen Zeiten hoch. In der Täles-Apotheke gibt es deshalb zum Beispiel einen Extraschalter für die Maskenkunden.
Bei alledem wird schnell klar, dass die Apotheker ausbaden müssen, was Jens Spahn mit heißer Nadel gestrickt hat. Auch die Apotheken seien bis kurz vor dem Start schlecht informiert worden, kritisiert Ulrich Heigoldt. Sowohl er als auch Volker Müller gewähren in diesem Zusammenhang einen Blick hinter die Kulissen. Wer meint, dass die Schutzmasken, die jetzt von den Apotheken abgegeben werden, aus Beständen des Bundes kämen, befindet sich auf dem Holzweg. Jede Apotheke musste in Vorleistung gehen und sich die entsprechende Ware auf dem freien Markt selbst besorgen. Für die Abgaben im Dezember sollen sie eine Pauschale erhalten. Heigoldt: „Der Betrag orientiert sich daran, wie viele Rezepte beliefert werden.“ Sprich: an der Zahl der Stammkunden. Je mehr Kunden kommen, die sonst nie in der betreffenden Apotheke zu sehen sind, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass die Rechnung für die Apotheker so ganz und gar nicht aufgeht. Auch deshalb wäre es sinnvoll, wenn jeder Anspruchsberechtigte nur in die Apotheke seines Vertrauens ginge, um die Masken in Empfang zu nehmen. Es handelt sich im Übrigen um ein Einmalprodukt mit begrenzter Tragedauer. Hier gebe es noch Aufklärungsbedarf, so Heigoldt. Nach seiner Meinung kann zudem von keiner Apotheke verlangt werden, „unbegrenzt Masken abzugeben. Eine geregelte Abgabe mit Berechtigungsschein ist eindeutig sinnvoller und wird voraussichtlich ab Januar umgesetzt“.
Doch in Bezug auf den Status quo sagt er: „Alles andere wäre in der Schnelle der Zeit nicht möglich gewesen.“ Hätte man die Ausgabe mit einem Rezept eines Mediziners verbunden, hätte es jetzt einen Ansturm auf die Arztpraxen und die Apotheken gegeben. Trotz aller Kritik resümiert er: „Wenn es etwas hilft, machen wir es gerne.“ Und Volker Müller, dessen Aussagen schon etwas verschnupfter rüberkamen, erklärt: „Wir tun unsere Pflicht.“
Der Apothekerverband bittet derweil auch in den nächsten Tagen um Verständnis für die schwierige Aufgabe, die die Apothekenteams stemmen müssen. Das Ganze müsse mit der normalen Apothekenmannschaft geleistet werden, die ihrerseits oft auch nur eingeschränkt zur Verfügung stehe, führt Pressesprecher Frank Eickmann aus. Die Schließungen der Schulen und Kindergärten mit der Notwendigkeit der stärkeren elterlichen Präsenz zu Hause dünnten die Teams zusätzlich aus. „Alles in allem sind diese letzten Wochen im Jahr eine ganz besondere und immens starke Belastung für alle Apotheken im Land“, fasst Eickmann zusammen. Es zeige sich aber auch, wie wichtig die flächendeckende Struktur der ortsnahen Apotheken ist, ohne die ein solches Vorhaben gar nicht möglich wäre.
Einmal drei kostenfreie Masken können die anspruchsberechtigten Kunden bis zum 6. Januar am besten in ihrer Stammapotheke abholen. „Wo immer möglich sollten die Kunden größere Aufläufe vor den Apotheken vermeiden. Wir müssen gemeinsam durch umsichtiges Handeln und unter allen Umständen vermeiden, dass die Apotheke ein Ort der gegenseitigen Ansteckung wird“, erklärt Frank Eickmann, Pressesprecher beim Landesapothekerverband.
Nach Rückmeldungen der Apotheken im Land ergibt sich für den Verband auch das Bild, dass der Start der Maskenabgabe zwar insgesamt gelungen ist, an mancher Stelle aber auch holprig war. In einigen Apotheken sei bestellte Ware noch nicht oder nur in Teillieferungen eingetroffen, sodass eine Versorgung noch nicht überall und durchgängig gewährleistet werden konnte.
Ab Januar sollen berechtigte Patienten in der zweiten Phase mit weiteren Masken versorgt werden. Dafür erhalten sie von ihrer Krankenversicherung fälschungssichere Berechtigungsscheine für zweimal je sechs FFP2-Masken. Als Eigenanteil wird für jeweils sechs Masken eine Zuzahlung von jeweils zwei Euro vorgesehen. Insgesamt hat jeder Betroffene Anspruch auf 15 FFP2-Masken, also rechnerisch eine pro Woche bis zum Frühjahrsbeginn. (Quelle IWW-Institut)
Kostenfreie FFP2-Masken bekommen etwa Patienten, die folgende Erkrankungen oder Risikofaktoren haben: Chronisch obstruktive Lungenerkrankung oder Asthma, chronische Herzinsuffizienz, chronische Niereninsuffizienz, Demenz, Schlaganfall, Diabetes Typ 2, Krebserkrankung, Organ- oder Stammzellentransplantation, Trisomie 21 oder Risikoschwangerschaft.