Hinter jeder Tasse steckt bei den Aspacher Landfrauen eine Geschichte

„Sammeltassen“ lautete das Motto des Kaffeenachmittags der Aspacher Landfrauen. Die mitgebrachten Exemplare sind mit Blumenmotiven, Goldschnörkeln und 50er-Jahre-Mustern verziert und bieten Anlass für interessante Gespräche.

Während sie sonst vor allem in Vitrinen stehen, kommen die Sammeltassen beim Kaffeenachmittag zum Einsatz. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Während sie sonst vor allem in Vitrinen stehen, kommen die Sammeltassen beim Kaffeenachmittag zum Einsatz. Fotos: Alexander Becher

Von Annette Hohnerlein

Aspach. Es sind Relikte aus einer längst vergangenen Zeit und sie haben etwas Rührendes an sich, die alten Sammeltassen, die da auf den Tischen im alten Rathaus in Großaspach aufgereiht sind. Die Aspacher Landfrauen haben in ihren Schränken, Vitrinen und Kellern gestöbert und sind fündig geworden. Vor jeder Besucherin steht ein dreiteiliges Gedeck, bestehend aus Tasse, Untertasse und Teller, und wartet darauf, mit Kaffee und Kuchen gefüllt zu werden. Denn mit dem Begriff Sammeltasse wird nicht nur eine einzelne Tasse, sondern auch das dreiteilige Set bezeichnet.

Gertrud Brosi hat ein Ensemble mit Rosen auf türkisblauem Untergrund mitgebracht. „Das benutze ich heute zum ersten Mal“, verrät sie. Zu Hause im Schrank habe sie noch einige weitere Exemplare stehen, die sie in ihrer Jugend zum Geburtstag bekommen hat. Auch bei Hochzeiten seien solche Sammeltassen ein beliebtes Geschenk für die Brautjungfern gewesen, erzählt sie. Allerdings seien sie kaum im Gebrauch gewesen. „In die Tasse geht nicht viel rein. Und man muss sie von Hand spülen, deshalb wurden sie wenig benutzt.“ Ähnliches berichten auch die anderen Gäste, ihre Schmuckstücke stehen ebenfalls in der Vitrine, für den täglichen Gebrauch seien sie zu empfindlich und zu unpraktisch.

Eine Tradition aus der Zeit des Biedermeiers

Der Brauch, Sammeltassen zu verschenken, kam in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Zeit des Biedermeiers, auf. Die Porzellanmanufakturen reagierten auf den Trend und boten eine Vielzahl von Formen und Dekoren an. Die Tradition lebte im 20. Jahrhundert weiter und hielt sich bis in die 1960er-Jahre.

Marlis Krautter hat acht Exemplare dabei, die noch von ihrer Mutter stammen. „Mein Mann hat damals gesagt: ‚Was sollen wir mit dem alten Kruscht?‘, aber ich wollte sie behalten“, erklärt sie. „Und jetzt stehen sie seit 30 Jahren bei mir im Schrank.“ Krautter ist im Vorstand der Landfrauen und stieß auf der Suche nach einem Thema für die Veranstaltung im Internet auf das Motto „Sammeltassen“. „Das ist geckig, da wird drüber geschwätzt“, dachte sie und behielt recht. Es kam eine kunterbunte Mischung zusammen, eine Besucherin brachte sogar ihren gesamten Bestand von 20 Exemplaren mit. Viele der Tassen sind mit Blumenmotiven geschmückt, vor allem Rosen sind häufig zu sehen, manche tragen üppig verschnörkelte Ornamente, manche ein schlichtes Dekor, es gibt wunderschöne, eher ulkige und auch schaurig-schöne Exemplare zu bestaunen, je nach Geschmack des Betrachters. Und Gold, immer wieder Gold, schließlich sollten die Tassen was hermachen, wenn sie in der Vitrine zur Schau gestellt wurden.

Jeder Schauspieler hat als Andenken eine Tasse bekommen

Elfriede Glassl hat ein Gedeck vor sich stehen mit der Aufschrift „Liederkranz – Grossaspach 1961“. Sie war damals Mitglied der Theatergruppe des Vereins. „Jeder Schauspieler hat als Andenken so eine Tasse bekommen“, erzählt sie. Diese stammt aus der Porzellanmanufaktur Ludwigsburg und zeigt ein Liebespaar in einer idyllischen Landschaft. Glassl verrät, dass dieses und einige weitere Exemplare seit Jahrzehnten unberührt in ihrem Schrank stehen. Und das, obwohl das Geschirrspülerargument bei ihr nicht zählt, denn sie wäscht bis heute ihr Geschirr von Hand ab. Ihr Mann habe einmal gesagt: „Wer drei Töchter hat, braucht keine Spülmaschine“, sagt sie schmunzelnd.

Wie alle anderen Tassen ist auch diejenige von Agathe Kaumeyer sehr gut erhalten, da kaum benutzt. Das schlichte Set trägt die Aufschrift „Berlin“ und stammt von einer Cousine der Besitzerin, die es deren Mutter schenkte. Ihre übrigen Sammeltassen hat Kaumeyer weggegeben und nur diese eine als Erinnerung an die Berliner Verwandtschaft behalten.

Vor Anja Ullrich-Tokatlis, der Vorsitzenden der Aspacher Landfrauen, steht ein etwas moderneres Gedeck. Dieses zeigt Motive des Kinderbuchautors Helme Heine. Auch dazu gibt es eine Geschichte, sagt Ullrich-Tokatlis. Sie sei als Kind und auch noch als Teenager so begeistert von diesen Figuren gewesen, dass sie von dem Geld, das sie mit einem Schülerjob verdiente, sich nach und nach dieses Service zusammengekauft habe.

„Die Veranstaltung heute ist der Start in unser Jubiläumsjahr“, erklärt die Vorsitzende. Denn die Aspacher Landfrauen mit ihren knapp 80 Mitgliedern feiern in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen.

Tasse, Untertasse und Teller gehören zu einem Sammeltassengedeck.

© Alexander Becher

Tasse, Untertasse und Teller gehören zu einem Sammeltassengedeck.

Elfriede Glassl hat ein Gedeck mit der Aufschrift „Liederkranz – Grossaspach 1961“.

© Alexander Becher

Elfriede Glassl hat ein Gedeck mit der Aufschrift „Liederkranz – Grossaspach 1961“.

Zum Artikel

Erstellt:
27. Januar 2023, 11:30 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen